Biographie

Rhode, Arthur

Herkunft: Zentralpolen (Weichsel-Warthe)
Beruf: Theologe
* 13. Dezember 1868 in Podzamcze, Wilhelmsbrück/Südposen
† 23. Juni 1967 in Woltorf/Peine

Der Posener Pastor und Superintendent der Evangelisch-Unierten Kirche in Posen Arthur Rhode war ein engagierter Priester, dessen Wirken bis heute nachwirkt, denn seine zahlreichen Aufzeichnungen stellen eine der wenigen ausgiebigen Dokumente aus der Zeit des frühen 20. Jahrhunderts dar.

Die Familie Rhode stammte aus Rüdesheim am Rhein, von wo aus Arthurs Großvater Franz Xaver Rhode ins Posener Land versetzt worden war. Er war Katholik, verheiratet mit einer evangelischen Frau. Die Familie geriet rasch in den Nationalitätenkonflikt. Im Religionsunterricht weigerte sich der Vikar, deutsch zu sprechen und Franz Sohn Heinrich Rhode (1836-1886) weigerte sich, polnisch zu antworten. Der Vater ließ seine Söhne fortan evangelisch erziehen. Heinrich besuchte das Friedrich-Wilhelm-Gymnasium in Krotoschin (Krotoszyn) und übernahm 1863 im Podzamcze, dem späteren Wilhelmsbrück, das Amt des Polizeidistriktskommissars an.

In der Provinz Posen gab es seit den 1830er Jahren als Folge des Aufstands von 1830 unter dem Amt des Landrats und des Kreises eine untergeordnete Verwaltungseinheit, die des Distrikts, in dem ein Polizeikommissar die staatliche Ordnung sicherte und vertrat. Podzamcze wurde durch die Prosna, den preußisch-russischen Grenzfluss, von der Stadt Weruschau (Wieruszów), zu der es heute gehört, in Kongresspolen getrennt. Podzamcze lag damals im Kreis Schildberg (Ostrzeszów) und seit der Teilung des Kreises zum 1. Oktober 1887 war es Teil des neu geschaffenen Kreises Kempen i. P. (Kępno).

Der kleine Grenzort wurde neben der Grenze von der Eisenbahnlinie, die aus Schlesien, aus Breslau, kam und den südlichen Zipfel der Provinz Posen durchquerte und dann nach Kongresspolen, nach Wielun, weiterführte, geprägt. Damit war der Kreis auch ein Schnittpunkt deutscher und polnischer politischer Interessen. Dies prägte die Entwicklung Rhodes ganz erheblich.

Am 13. Dezember 1868 wurde Arthur Carl Theodor Rhode als Sohn des Heinrich Rhode und der Mathilde Bertel (1838-1913) geboren.

Arthur Rhodes Vater war 1884 nach Ostrowo versetzt worden, wo er zwei Jahre später starb. Er hinterließ vier Kinder, von denen nur die Tochter bereits volljährig war.

Nach dem Besuch des 1865 gegründeten Progymnasiums in Kempen (Kępno) und des Gymnasiums in Ostrowo (Ostrów Wlkp.) studierte Arthur Rhode in Breslau evangelische Theologie. Damals war es zumindest bei den katholischen Priestern Pflicht, dass sie Polnisch konnten, bei den evangelischen Pastoren wurde das vielleicht nicht so streng gehandhabt, denn die oberste Kirchenleitung saß in Berlin, während der Posen-Gnesener Erzbischof in Posen (Poznań) zumeist ein Pole war und man darauf streng achtete. Rhode wurde attestiert, dass er hervorragende Polnischkenntnisse besaß.

In den Jahren 1890 und 1892 bestand Rhode die theologischen Examen. In der Zeit zwischen den Prüfungen verdiente er sein Geld als Hauslehrer in Groß Wartenberg (Syców, früher Polnisch Wartenberg) in Niederschlesien und in Klingenberg in Westfalen.

Nach seiner Rückkehr in seine Heimatprovinz ordinierte ihn der Posener Generalsuperintendent Johannes Hesekiel (1835-1918) am 14. Mai 1893. Im selben Jahr nahm er seinen Dienst als Vikar in dem Grenzort Neu Skalmierschütz (Nowe Skalmierzyce) auf und schon nach kurzer Zeit wurde er zum Jahresende Zweiter Pastor in der Kreisstadt Adelnau (Odolanów). 1895 wurde er als Pastor nach Schildberg versetzt, wo er bis 1920 tätig blieb.

Im Jahr 1900 heiratete er die Tochter des Pastors Berthold Harhausen (1847-1920), Martha Harhausen (1879-1977), mit der er sechs Kinder bekam. Harhausen stammte aus Posen und hatte als Pastor in Ostrowo begonnen. Seit 1907 war er Pastor und Superintendent in Neu Skalmierschütz, also der Vorgesetzte Rhodes zur Zeit seiner Tätigkeit dort. Im Jahr 1916 wurde der Schwiegervater pensioniert.

Das südliche Posener Land um Ostrowo und Kempen wies eine Besonderheit aus der Zeit seiner Zugehörigkeit zur altpolnischen Wojewodschaft Sieradz auf. Hier gab es polonisierte Lutheraner, auch unter der Priesterschaft. Rhode kämpfte dagegen an und war Mitglied im Deutschen Ostmarkenverein, der von der polnischen Propaganda mit dem Kampfbegriff „Hakatisten“ belegt wurde.

Rhode war seit seiner Vikariatszeit Seelsorger im wirtschaftlich schwachen südlichen Posener Land. Viele Bewohner verließen die Region seit den 1870er Jahren und gingen auf Arbeitssuche in den westlichen Industrieregionen Preußens oder in die dortige höher entwickelte Landwirtschaft. Damals war es nicht der Spargelanbau und die Erdbeerenernte, so wie heute, sondern die Hege und Pflege der Obstplantagen und der Zuckerrüben­anbau. Man nannte diese Saisonarbeiter im Westen, die oft zu Abwanderern wurden „Sachsengänger“, da das erste Zielgebiet die Industriezentren Sachsens gewesen waren.

Sein Heimatgebiet lag zudem direkt an der Grenze nach Kongresspolen, dem zu Russland gehörenden Königreich Polen, so dass viele Deutsche aus Russland (und Polen) hier wieder eintrafen. Aus diesem Grunde gründete Rhode 1905 den Ostrowoer Hilfsausschuss für deutsche Rückwanderer aus Russisch-Polen.

Er sah es als seine Aufgabe an, sich um sie als auch um die Sachsengänger zu kümmern. Seine Intention war es, ihnen Nachrichten aus der Heimat zu liefern, damit sie wussten, was hier Aktuelles geschah, damit deren Kontakt zur Heimat nicht abriss. Daher nannte er seine Nachrichten, die er von 1903 bis 1919 vierzehntägig zusammen mit seinem Schwiegervater Berthold Harhausen herausgab, Posener Heimatgrüße.

Diese Heimatgrüße waren mehr als nur ein freundlicher Gruß aus der alten Heimat. Sie sollten den Abwanderern zeigen, was zuhause passierte, sie mahnen ihrer gut-evangelischen Handlungsweise treu zu bleiben, wobei natürlich die Pastoren den Menschen damals sagten, was sie zu tun und zu glauben hatten. Es war mehr als nur ein Heimatgruß. Diese Zeitung sollte ihnen aufzeigen, wie notwendig es war, dass sie zurückkehrten, da sich die Verhältnisse in der Heimat – in den Augen der Autoren – immer schlechter entwickelten. Verbale Spitzen gegen „die Polen“ und „die Katholiken“ sind daher stets vorhanden, was heute Diskussionen in der Gemeinschaft Evangelischer Posener e.V., Lüneburg, hervorrief, denn seit einigen Jahren gibt die Redaktion Posener Stimmen Artikel mit Auszügen aus den Heimatgrüßen heraus, die als Zeitdokument gedacht sind, nicht als heutiges Meinungsbild. Auch im Jahrbuch Weichsel-Warthe der Landsmannschaft wurden seit 2006 (bis 2015) Artikel mit Auszügen und Erläuterungen aus den Posener Heimatgrüßen, ausgewählt und kommentiert von Rhodes Enkel Götz Urban, abgedruckt. Sie sind wichtige Zeitdokumente jener Endzeit preußisch-deutscher Herrschaft über das Posener Land und genau so sind sie von der Redaktion gedacht, denn nur wer weiß, wie man damals dachte, versteht die Handelnden von damals.

Arthur Rhode beließ es nicht bei diesen Grüßen in Druckform – er suchte in diesen Jahren „Sachsengänger“ aus seinen Gemeinden mehrfach an ihren Arbeits- und Wohnorten auf und hielt für sie Gottesdienste. Viele Saisonarbeiter hatten sie für kürzere oder längere Zeit in norddeutschen Betrieben verpflichtet, so war es sein Bestreben, die Verbindung zur Heimat aufrechtzuerhalten. Aber es ging Rhode nicht nur um die schriftliche Seelsorge, sondern auch um die humanitäre.

Rhode wurde 1916 Superintendent des Kirchenkreises Schildberg (Ostrzeszów) der Evangelisch-Unierten Kirche in Posen. Nach dem Ausbruch des Großpolnischen Aufstands Ende Dezember 1918 erreichten die Aufständischen auch den südlichen Teil des Posener Landes und Rhode war gezwungen, seine Arbeit an den Posener Heimatgrüßen einzustellen. Als Vertreter der „Besatzungsmacht“, wie man das in Polen nannte, wurde er 1919 mehrfach von polnischen Behörden verhaftet und in Schildberg, Ostrowo und Posen interniert.

Rhode blieb auch in der Zeit der II. Polnischen Republik in der Heimat. Am 1. Oktober 1920 wurde er zum Ersten Pastor an der Posener Christuskirche ernannt, zugleich Superintendent des Kirchenkreises Posen I. Er blieb publizistisch tätig, als Mitgründer (Oktober 1922) der Monatsschrift Posener Evangelisches Kirchenblatt, das er bis zur Zwangseinstellung durch die Verwaltung des Reichsgaus Wartheland 1940 herausgab.

Im Jahr 1921 wurde er Dozent für das Alte Testament, Hebräisch und kirchliche Landesgeschichte an der neu errichteten Theologischen Schule sowie für Praktische Theologie und Gemeindeverwaltung an dem ebenfalls neu entstandenen Evan­ge­lischen Predigerseminar in Posen.

Rhode war einer der wichtigsten Posener evangelischen Theologen der Zwischenkriegszeit. Er war Vizepräses der Landessynode der Evangelisch-Unierten Kirche in Polen mit Sitz in Posen, Vorsitzender der Revisionskommission der Synode, Vor­­standsmitglied der Inneren Mission, Vorsitzender des Posener Pfarrervereins und des Evangelischen Presseverbandes. Er grenzte sich gegen die Evangelisch-Augsburgische Kirche (ursprünglich aus Kongresspolen) und ihren Bischof, Juliusz Bursche (1862-1942), ab und galt als einer der führenden Vertreter der Deutschen Minderheit im Posener Land.

Auch lokalpolitisch wurde er aktiv. Von 1929 bis 1933 war er einer von zwei deutschen Stadtverordneten im Posener Rathaus.

Im Jahr 1931 verlieh ihm die Universität Tübingen die Ehrendoktorwürde.

Als wichtiger Vertreter der Deutschen Minderheit im Posener Land wurde er im September 1939 erneut von den polnischen Behörden verhaftet und musste mit auf den sog. Verschleppungsmarsch nach Kutno. Nach der „Befreiung“ durch die Wehrmacht wurde das Leben für ihn aber in keiner Weise besser, denn der vom Gauleiter Arthur Greiser als Mustergau konzipierte „Reichsgau Wartheland“ sah keine christlichen Kirchen als unabhängige Einrichtungen mehr vor. Zum 1. Januar 1942 wurde Rhode pensioniert.

Im Januar 1945 musste auch er vor der Roten Armee fliehen. Vorbei an Berlin floh er nach Dungelbeck bei Peine in Niedersachsen. Von 1949 bis 1953 lebte er in Osnabrück, von 1953 bis 1961 in West-Berlin, seit 1961 im niedersächsischen Wol­torf.

Die nach dem Krieg wieder gegründete Historisch-landes­kundliche Kommission für Posen und das Deutschtums in Polen ernannte ihn 1955 zum Ehrenmitglied.

Am 23. Juni 1967 starb Arthur Rhode hoch betagt in Woltorf.

Lit.: Johannes Steffani, D. Arthur Rhode (†). Ein verdienter Kirchenmann, in: Jahrbuch Weichsel-Warthe 1968, Frankfurt/M. 1967, S. 52-56. – Roman Dziergwa, Arthur Rhode und der Beginn des Ersten Weltkriegs im Süden der Provinz Posen, in: Jahrbuch Weichsel-Warthe 2015, Frankfurt/M. 2014, S. 45-49.

Bild: Kulturportal West-Ost.

Martin Sprungala