Biographie

Rhode, Gotthold

Herkunft: Zentralpolen (Weichsel-Warthe), Posener Land
Beruf: Historiker
* 28. Januar 1916 in Kamillental/Posen
† 20. Februar 1990 in Heidesheim bei Mainz

Gotthold Rhode, der Sohn von Superintendent Arthur Rhode (1868-1967) und Martha Rhode, geb. Harhausen (1879-1977), bestand Juni 1934 die Reifeprüfung am Koedukationsgymnasium in Posen. Ab dem WS 1934/35 studierte er Geschichte, Geographie, Slawistik und Volkstumskunde in Jena. Im selben Semester trat er dem Verein Deutscher Studenten bei. Sein Studium setzte er zum SS 1936 in München fort. Dort trat er dem Bund Auslandsdeutscher Studenten bei. Zum SS 1937 wechselte er nach Königsberg. Dort war er zugleich Sachbearbeiter in der Oststelle der Reichsstudentenführung. Zum WS 1937/38 wechselte er nach Breslau. Anfang 1939 promovierte er dort. Im April desselben Jahres wurde er Referent des Osteuropa-Instituts Breslau.

Vom August bis November 1939 war er freiwilliger Dolmetscher im Rang eines Sonderführers in der Wehrmacht. Hierdurch erhielt er die deutsche Staatsbürgerschaft. Anschließend beantragte er die Aufnahme in SA und NSDAP. Ab November 1939 wurde er zum Chef des Verwaltungsdistrikts Krakau abgeordnet. Im Februar 1940 meldete er sich freiwillig zur Wehrmacht. Mehrfach verfasste er Denkschriften zum Thema Polen für das Auswärtige Amt.

Rhode heiratete am 19. Juni 1940 in Breslau Ilona Benning (1913-2007). Aus der Ehe gingen die Kinder Christiane (* 1945), Michael (1946-1996) und Sabine (* 1950) hervor. Im Winter 1940/41 war er als SS-Umsiedlungshelfer in Litauen tätig, ohne formal der SS anzugehören. Ab Frühjahr 1941 gehörte er endgültig der Wehrmacht an. Er diente bis 1945 im Stab des 38. Jägerregiments an der Ostfront, seit 1944 als Leutnant d. R. und Nachrichtenoffizier und ab Februar 1945 als NS-Führungsoffizier.

Nach Kriegsende war er zunächst Landarbeiter, Anzeigenakquisiteur und Hauslehrer in Niedersachsen. Im SS 1946 und im WS 1946/47 war er Tutor und ab dem SS 1947 wissenschaftlicher Assistent am Historischen Seminar der Universität Hamburg. Im Juli 1952 habilitierte er sich dort für Mittlere und Neuere Geschichte.

Ab 1. September 1952 war er Referent am Gottfried-Herder-Institut in Marburg. Daneben war er Privatdozent an der Universität Marburg. Zum SS 1957 wurde er Professor für Osteuropäische sowie Mittlere und Neuere Geschichte an der Universität Mainz. Dort wurde er 1960 zum ordentlichen Professor und 1962 zum ordentlichen öffentlichen Professor ernannt. 1961 wurde er Mitherausgeber der Jahrbücher für Geschichte Osteuropas und 1967 der Zeitschrift für Osteuropa. 1965 lehnte er einen Ruf aus Bochum ab. 1969 verbrachte er ein Gastsemester in Lawrence/USA. 1984 wurde er emeritiert.

Rhode leistete Bedeutendes für Aufbau und Entwicklung des Universitätsfachs Osteuropäische Geschichte sowie für die außeruniversitäre Osteuropaforschung. Sein Forschungsinteresse galt insbesondere der Geschichte Polens, zu dessen bekanntesten bundesdeutschen Historikern er zählte. Rhode engagierte sich in der Landsmannschaft Weichsel-Warthe und war Vorstandsmitglied der von ihm 1950 mitbegründeten Ranke-Gesell­schaft. Seit 1957 war er Mitglied, 1966 bis 1969 Vizepräsident und 1984 bis 1990 Präsident des Herder-Forschungs­rats. Ab 1957 war er Mitglied der Deutschen Akademie der Bevöl­­kerungswissenschaft, ab 1963 Präsident der Studiengesellschaft für Fragen mittel- und osteuropäischer Partnerschaft, ab 1964 Vorsitzender der Historisch-Landeskundlichen Kommission für Posen und das Deutschtum in Polen, ab 1972 Mitglied der deutsch-polnischen sowie der deutsch-rumänischen Schulbuchkommission, 1972 bis 1976 Vorstandsmitglied des Ver­bandes der Historiker Deutschlands, ab 1983 Präsident der deutschen Sektion der Weltflüchtlingsprobleme sowie 1980 bis 1990 Vizepräsident des Deutschen Poleninstituts. Außerdem war er Mitglied der Commission internationale des études slaves. Zum Ehrenmitglied ernannte ihn 1970 die Polish Society für Arts and Sciences Abroad.

Ausgezeichnet wurde er 1969 mit dem Preis für Verdienste um den deutschen Osten und das Selbstbestimmungsrecht der Vertriebenen, 1973 mit dem Georg-Dehio-Preis für Kultur- und Geistesgeschichte und 1988 mit dem Bundesverdienstkreuz I. Klasse.

Werke: Brandenburg-Preußen und die Protestanten in Polen. Ein Jahrhundert preußischer Schutzzollpolitik für eine unterdrückte Minderheit (Deutschland und der Osten, Bd. 17), Leipzig 1941 (zgl. Diss. Uni. Breslau 1939). – Völker auf dem Wege … Verschiebungen der Bevölkerung in Ostdeutschland und Osteuropa seit 1917, Kiel 1952 (Schriften des Schleswig-Holsteinischen Geschichtslehrerverbandes, N. F., H. 17). – Vom Heimatbewußtsein bei Deutschen und Osteuropäern, in: Akademische Blätter (Ak. Bl.), 55. Jg. 1953, S. 26-28. – (Hrsg.): Geschichte der Stadt Posen, Neuendettelsau 1953. – Völker und Staaten in Ost-Mitteleuropa zwischen den beiden Weltkriegen, in: Volk und Staat. Festschrift Karl Maßmann, Kiel 1954, S. 176-200. – Jenseits von Oder und Neiße, in: Ak. Bl., 56. Jg. 1954, S. 92-93. – (Hrsg.): Die Ostgebiete des Deutschen Reiches. Ein Taschenbuch, Würzburg 1955. – Die Ostgrenze Polens. Politische Entwicklung, kulturelle Bedeutung und geistige Auswirkung, Bd. 1, Köln und Graz 1955 (Ostmitteleuropa in Vergangenheit und Gegenwart, Bd. 2. – zugl. Habil. Uni. Hamburg). – (Hrsg.): Die Ostgebiete des Deutschen Reiches, 3. Auflage, Würzburg 1956. – (Hrsg.): Quellen zur Entstehung der Oder-Neiße-Linie in den diplomatischen Verhandlungen während des Zweiten Weltkrieges, Stuttgart 1956 (Die deutschen Ostgebiete. Ein Handbuch, Bd. 3). – mit Georg W. Strobel, und Hermann Gross, Ostdeutschland unter polnischer Verwaltung: Vorträge auf d. Tagung des Steinbacher Kreises am 3. bis 5. Januar 1957 in Herne, Troisdorf 1958. – mit Wolfgang Wagner, The Genesis of the Oder-Neiße-Line in the Diplomatic Negotiations during World War II. Sources and Documents, Stuttgart 1959. – Volkstumsarbeit, Volkstumsarbeit oder gar nicht?, in: Ak. Bl., 64. Jg. 1962, S. 157-158. – Volkstumsarbeit heute, in: Deutsches Volkstum außerhalb der Staatsgrenzen. Grundsätzliches zur Volkstumsarbeit, Kiel 1961 (Deutsch-Akademische Schriften, Neue Folge, H. 2), S. 9-19. – mit Herbert Ludat, Quellenhefte zur Geschichtswissenschaft in Osteuropa nach dem Zweiten Weltkrieg, Reihe 1: Polen, H. 1. Polen und Deutschland. Wissenschaftliche Konferenz polnischer Historiker über die polnisch-deutschen Beziehungen in der Vergangenheit, Köln-Graz 1963. – Kapitulation und Selbstbestimmungsrecht, in: Ak. Bl., 65. Jg. 1963, S. 123-126. – Kleine Geschichte Polens, Darmstadt 1965. – Deutsch-tschechische Historikerkonferenz in Prag, in: Ak. Bl., 67. Jg. 1965, S. 42-44. – mit Eugen Lemberg (Hrsg.), Das deutsch-tschechische Verhältnis seit 1918, Stuttgart u. a. 1969 (Geschichte der Gegenwart). – Nachbarschaft und Gegnerschaft im osteuropäischer Raum, Opladen 1968 (Weichsel-Warthe-Schriften, H. 10). – mit Boris Meissner, Grundfragen sowjetischer Außenpolitik, Stuttgart u.a. 1970. – mit Jerzy Hauptmann, Lindenfelser Gespräche. Ein Bericht über fünf deutsch-polnische Symposien 1964-1971, Bonn u.a. 1972 (Dokumente und Kommentare zu Ost-Europa-Fragen, Bd. 17). – Der 17. Juni – Symbol der deutschen Einheit in Freiheit, in: Ak. Bl., 75. Jg. 1973, S. 137-139. – Zwangsumsiedlung und Vertreibung als Element der Politik im 20. Jahrhundert, in: Ak. Bl., 75. Jg. 1973, S. 174-176 und 76. Jg. 1974, S. 7-9. – Von unguten Emotionen und Erinnerungen zu sachlicher Zusammenarbeit, in: Ak. Bl., 77. Jg. 1975, S. 14-16. – Deutsche Einheit und rumänischer Nationalstaat, in: Ak. Bl., 77. Jg. 1975, S. 165-167. – Verständnis wächst nur aus Kenntnis, aber nicht aus Ignoranz, in: Ak. Bl., 78. Jg. 1976, S. 164-165. – Kein Interesse mehr für Exil-Literatur?, in: Ak. Bl., 78. Jg. 1976, S. 197-198. – Sollte man lieber gar nichts empfehlen?, in: Ak. Bl., 79. Jg. 1977, S. 43-44. – „Deutsche Touristen vor dem Zuraw in Gdanks“. Chauvinistische Machwerke fördern keine Verständigung, in: Ak. Bl., 79. Jg. 1977, S. 122-123. – München 1938 und Paris 1978, in: Ak. Bl., 81. Jg. 1979, S. 3-4. – „…was mit der Glut gespielt, muß Asche werden“. Zu einer großartigen Liebeserklärung an die deutsche Sprache, in: Ak. Bl., 82. Jg. 1980, S. 73-74. – Das Deutsch-Polen-Institut in Darmstadt, in: Ak. Bl., 82. Jg. 1980, S. 166-167. – Tausend Jahre Nachbarschaft. Deutsche in Südosteuropa, München 1981. – Die polnischen Bauern laufen in Scharen davon, in: Ak. Bl., 87. Jg. 1985, S. 9-10. – (Hrsg.), Juden in Ostmitteleuropa. Von der Emanzipation bis zum Ersten Weltkrieg, Marburg 1989 (Historische und landeskundliche Ostmitteleuropa-Studien, Bd. 3). – Deutsch-polnische Nachbarschaft in der Geschichte, Bonn 1991 (Kulturelle Arbeitshefte des Bundes der Vertriebenen, H. 30).

Lit.: Nachlass im Bundesarchiv, Koblenz. – Gotthold Rhode, in: Persönlichkeiten Europas, Deutschland I, Luzern 1976. – Ludwig Biewer, Gotthold Rhode 60, in: Akademische Blätter (Ak. Bl.), 1/1976, S. 23-24. – Inge Auerbach, Catalogus professorum academiae Marburgensis. Die akademischen Lehrer der Philipps-Universität Marburg, Bd. 2: Von 1911 bis 1971, Marburg 1979 (Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Hessen, Bd. 15), S. 591. – Ders., Gotthold Rhode 65 Jahre, in: Ak. Bl., 2/1981, S. 55-56. – Ulrich Haustein/ Georg W. Strobel/Gerhard Wagner (Hrsg.), Ostmitteleuropa. Berichte und Forschungen. Gotthold Rhode zum 28. Januar 1981, Stuttgart 1981 (Bibliographie S. 519–543). – Ders., Gotthold Rhode Präsident des Johann-Gottfried-Herder-Forschungsrates, in: Ak. Bl., 3/1984, S. 80. – Konrad Fuchs, Rohde, Gotthold, Historiker (70. Geburtstag), in: OGT 1986, Bonn 1985, S. 19-21. – Gottfried Schramm, Ein Mittler zwischen Ost und West. Zu Gotthold Rhodes 70. Geburtstag, in: Ak. Bl., 87. Jg. 1985, S. 9-10. – Wolfgang Weber, Biographisches Lexikon zur Geschichtswissenschaft für Geschichte in Deutschland, Österreich und der Schweiz, 2. Auflage Frankfurt a. M. 1987, S. 474-475. – Hugo Weczerka, In memoriam Gotthold Rhode, in: Südostdeutsches Archiv, Jg. 32/33 1989/90, S. 252-254. – In memoriam Gotthold Rhode, in: Ak. Bl., 2/1990, S. 46. – Deutsche Biographische Enzyklopädie, Bd. 8, München 1998, S. 269. – Konrad Fuchs, Gotthold Rhode, in: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon, Sp. 1358-1369, Bd. 16, 1999. – Helmut Neubach, Gotthold Rhode. Aus der Sicht eines Schülers und Kommissionsassistenten, Sonderdruck aus: Kommission für die Geschichte der Deutschen in Polen, Bd. 4, Marburg 2001. – Helmut Neubach, Gotthold Rhode (1916-1990). Aus Sicht eines Schülers und Kommissionsassistenten, in: Wolfgang Kessler (Hrsg.): Fünfzig Jahre Forschung zur Geschichte der Deutschen in Polen, Herne 2001, S. 83-90. – Joachim Bahlcke, Gotthold Rhode, in: Neue Deutsche Biographie, 21. Bd., Berlin 2003, S. 497-498. – Eike Eckert, Gotthold Rhode, in: Ingo Haar/Michael Fahlbusch (Hrsg.), Handbuch der völkischen Wissenschaften. Personen – Institutionen – Forschungsprogramme – Stiftungen, München 2008, S. 589-592. – Ders., Zwischen Ostforschung und Osteuropahistorie. Zur Biographie des Historikers Gotthold Rhode (1916-1990), Göttingen 2012 (Einzelveröffentlichungen des Deutschen Historischen Instituts Warschau, Bd. 27).

Bild: Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen

Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Gotthold_Rhode

Marc Zirlewagen, 2017