Biographie

Richert, Hans

Herkunft: Pommern
Beruf: Schulreformer
* 11. Dezember 1869 in Köslin/ Pommern
† 25. September 1940 in Berlin

Der Sohn von Pfarrer Ernst Richert (1840-1923) und seiner Frau Clara, geb. Meibauer (1842-1869) machte sein Abitur am 28. März 1889 am Gymnasium Köslin. Wegen eines Nierenleidens vom Militärdienst befreit, studierte er ab dem SS 1889 evangelische Theologie an der Universität Heidelberg. Zum WS 1889/90 wechselte er nach Greifswald. Dort begann er ein Studium der Philosophie und Germanistik und trat dem nationalen Verein Deutscher Studenten bei. Über seine politischen Überzeugungen zu dieser Zeit schreibt er in einem autobiographischen Bericht: Diese „sind begründet durch die Tradition des konservativ, christlich, monarchischen Elternhauses und durch die Einflüsse des Vereins Deutscher Studenten“. Ab dem WS 1890/91 studierte er in Kiel, wechselte im WS 1891/92 nach Halle und im SS 1892 wieder nach Kiel. Am 21. Juli 1894 bestand er dort seine Oberlehrerprüfung für Religion, Hebräisch, Latein und Deutsch. Anschließend verbrachte er sein Seminarjahr ab 1. Oktober 1894 am Friedrich-Wilhelm-Gym­na­sium in Posen und leistete dort sein Probejahr ab 1. Oktober 1895 ab. Nach weiteren Vertretungen in Bromberg und Meseritz erhielt er am 26. Oktober 1896 das Befähigungszeugnis zur Anstellung an höheren Schulen. Es folgten weitere Vertretungen am Friedrich-Wilhelm-Gymnasium in Posen, bis er am 10. Juli 1897 an das Realgymnasium Bromberg versetzt wurde. Dort hatte er zunächst eine Hilfslehrerstelle inne und wurde am 1. Oktober 1901 mit der einstweiligen Verwaltung einer Oberlehrerstelle betraut.

Er heiratete am 10. Juli 1900 in Nakel Margarethe Kaeding (1874-1945). Aus der Ehe ging ein Sohn hervor: Hans Richert (1907-1943). Am 1. Januar 1902 wurde er zum Oberlehrer ernannt. Am 1. April 1908 wurde er Leiter der neuen Realschule Pleschen. Dort wurde er am 1. April 1910 zum Direktor und am 28. Dezember 1910 zum Oberrealschuldirektor ernannt. Neben dieser Tätigkeit hielt er an der Posener Akademie pädagogische Lehrerfortbildungskurse. Mit seinem Handbuch für den evangelischen Religionsunterricht erwachsener Schüler trat Richert 1911 als Religionsdidaktiker in Erscheinung. Darin forderte er die Begründung einer christlichen Nationalerziehung. Am 1. April 1911 wurde er Direktor der Berger-Ober­realschule Posen. Neben seiner beruflichen Tätigkeit engagierte sich Richert im „Deutschen Ostmarkenverein“, im „Allgemeinen Deutschen Sprachverein“ sowie in der von ihm mit gegründeten „Deutschen Gesellschaft für Kunst und Wissenschaft“ zu Bromberg. Sein Hauptaugenmerk galt hierbei der Abwehr des polnischen Einflusses auf die deutsche Kultur und das Deutschtum.

Während des Ersten Weltkriegs engagierte er sich in Posen für den „Vaterländischen Hilfsdienst“. Hierfür erhielt er am 16. Juli 1918 das Verdienstkreuz für Kriegshilfe. Nachdem er zuvor politisch der deutschkonservativen und kulturpolitisch der nationalliberalen Partei nahegestanden hatte, war Richert 1917/18 Vorstandsmitglied der „Deutschen Vaterlandspartei“ und 1918 Mitglied des „deutschen Volksrats in Posen“, der den deutschen Widerstand in Posen gegen die polnische Annexion leitete. Hierfür wurde er von polnischer Polizei wiederholt verhaftet und interniert. Nach 1918 war er Vorsitzender des „Philologenvereins“ und des „Vereins höherer Beamter in Posen“ sowie Vertreter Posens auf den evangelischen Kirchentagen 1919 und 1927. Daneben war er Mitglied der „Schopenhauer-“ und der „Kleist-Gesellschaft“. Ab 1. April 1919 war er Direktor des Realgymnasiums Reichenbach/ Schlesien. Im selben Jahr trat er der DVP bei. Als Vorsitzender der DVP Posen saß er 1919 in der verfassungsgebenden Preußischen Landesversammlung und war er 1920 Abgeordneter im Preußischen Landtag. Dort arbeitete er am Kulturprogramm der DVP mit. Als Leiter des DVP-Referats für kirchliche Fragen wurde er in die verfassungsgebende Generalsynode gewählt. 1920 veröffentlichte er das Buch Die Deutsche Bildungseinheit und die höhere Schule, ein Buch von deutscher Nationalerziehung, das die philosophisch-pädagogische Grundlage der preußischen Schulreform bildete. Bestimmend ist darin das Ideal der Volks­gemeinschaft orientiert an der Tradition des Deutschen Idealismus.

Am 10. April 1922 wurde er Hilfsarbeiter im Preußischen Ministerium für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung. Gleichzeitig wurde er als kulturpolitischer Berater des Kultusministers und Oberstudiendirektor der Hauptkadettenanstalt Lichterfelde, die er zu einer staatlichen Bildungsanstalt umformen sollte. Hier sammelte er erste Erfahrungen als Bildungsreformer. 1922 erreichte er die Errichtung der Deutschen Oberschule und 1923 mit einer Akademisierung des Lehrerkollegiums die Reform des Mädchenschulwesens. Diese stellte einen großen Schritt zur Gleichstellung von Mann und Frau dar. Am 18. September 1923 wurde er zum Ministerialrat ernannt. Er leitete im Ministerium daraufhin die Abteilung für höhere Schule und beteiligte sich 1924/25 maßgebend an der Reform des Höheren Schulwesens, die als „Richertsche Schulreform“ bekannt wurde. 1933 trat er in die DNVP ein. Im selben Jahr reichte er, enttäuscht über die NS-Kulturpolitik, seinen Rücktritt ein. Im April 1934 ging er vorzeitig in den Ruhestand. In einem Brief an eine ehemalige Mitarbeiterin schrieb er am 15. Dezember 1934: „Ich sehe der Entwicklung der Schule mit größter Sorge zu. Sie haben keine Männer und keine schöpferischen Ideen; denn das Gerede von Rasse, Blut und Boden kann ich dafür nicht halten… Sie können zerstören, sie können wertvolle Menschen vernichten, sie können umorganisieren, Lager errichten und die Jugend marschieren lassen. Aber geistiges Leben und wertvolles, in sich ruhendes Personenleben schaffen sie mit aller Betriebsamkeit nicht.“ Seine letzten Lebensjahre verbrachte er zurückgezogen mit philosophischen Studien.

Lit.: Personalblatt in der Bibliothek für Bildungsgeschichtliche Forschung, Berlin. – Adolf Grimme u.a. (Hrsg.), Wesen und Wege der Schulreform. Hans Richert dem Sechzigjährigen zum 21. Dezember 1929, Berlin 1930. – Georg Heinz, Ministerialrat Hans Richert, in: Deutsches Philologen-Blatt, Nr. 4, 38 Jg. 1930, S. 49-50. – F. Schramm, Hans Richert, in: Spieler, Josef (Hrsg.), Lexikon der Pädagogik und Gegenwart, Bd. 2, Freiburg 1932, Sp. 743-744. – Der Schulreformer Hans Richert, in: Deutsches Familienarchiv. Ein geneaologisches Sammelwerk, IX/1958, S. 278-281. – Dieter Margies, Das höhere Schulwesen zwischen Reform und Restauration. Die Biographie Hans Richerts als Beitrag zur Bildungspolitik in der Weimarer Republik, Karlsruhe 1972.  Dieter Jakob, Besprechung zu Margies: Das höhere Schulwesen zwischen Reform und Restauration, in: Akademische Blätter, 77. Jg. 1975, S. 63. –Horst Joachim Frank, Dichtung, Sprache, Menschenbildung, Bd. 2, München 1976.  –Ingeborg Noll, Hans-Richert-Oberschule. Staatliche Bildungsanstalt, in: Der Lichterfelder, vom Dezember 1981, Nr. 32, S. 9. – Soichioro Komine, Hans Richert und die preußische höhere Schulreform, in: Chukyo University Bulletin of the Faculty of liberal Arts, 35 (1994/95), 4, S. 197-210. – Antje Roggenkamp, Hans Richert, in: Lexikon der Religionspädagogik, Bd. 2. Neukirchen-Vluyn 2001, Sp. 1850-1851. – Sebastian Müller-Rolli, Hans Richert, in: Neue Deutsche Biographie, Bd. 21, Berlin 2003, S. 515-516. – Gerhard Kluchert, Hans Richert, in: Klinkhardt-Lexikon Erziehungswissenschaft, Bd. 3, Bad Heilbrunn 2012, S. 93.

Bild: Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen.

Marc Zirlewagen