Riedel ist neben Stobäus der einzige aus altpreußischem Geschlecht stammende bedeutende Königsberger Musiker. 1694 als „pauper“ (Stipendiat) immatrikuliert, studiert er neben Theologie auch Philologie und erhält vier Jahre später in dem Hofkapellmeister Raddatz einen guten Lehrmeister. Bei der Königskrönung 1701 wirkt er am 22. Januar mit einer selbstkomponierten Abendmusik der Studentenschaft mit. Von da an bedenkt man ihn reichlich mit Aufträgen für Gelegenheitskompositionen, was ihm den Ruf des am meisten in Anspruch genommenen „Gelegenheitssängers“ einträgt. 1706 erhält er ein Lehramt an der Stadtschule, wird drei Jahre später Kantor der Altstadt, dem führenden Musikamt Königsbergs, das er nun dreißig Jahre lang versieht. Im gleichen Jahr heiratet er die Tochter des Goldschmiedes Remmerson auf der Burgfreiheit. Alles, was über sein Leben und Wirken gedruckt erschien, hat er gesammelt. Der Band ist 1944 mit der Königsberger Stadtbibliothek untergegangen. Für seine eigene Leichenfeier komponierte er eine Trauerkantate, deren Text ebenfalls gedruckt wurde. In den letzten Lebensjahrzehnten entstehen die großen Musikwerke. Sie sind, wie der Musikhistoriker Güttler sagt, „für die ideale Hörerschaft geschrieben und in ihrer Gesamtheit wohl nur als Lektüre für Kenner bestimmt“. Das Riesenwerk – teilweise in kalligraphischer Reinschrift künstlerisch mit eigener Hand geschrieben – stellt dar: 1. Das Evangelium nach Matthäus, in 28 Kapiteln vollständig durchkomponiert (2 x 579 S.) – eine der größten Partituren der Musikliteratur – 2. die 150 Psalmen (2 x 367 S.) – 3. Die Offenbarung Johannis in 22 Kapiteln, ebenfalls vollständig durchkomponiert (2 x 355 S.). Im Gegensatz zu Bachs neuzeitlicher Arienmelodik schreibt Riedel ausschließlich Handlungsmusik, die genau dem Bibeltext folgt, den der gläubige Lutheraner zum großen Erlebnis des Evangeliums zu erheben vermag.
Bibl.: Güttler, Hermann: Das Leben des altstädtischen Kantors Georg Riedel. Diss. phil. Königsberg 1928 – Müller-Blattau, Joseph: Die Musik im 18. Jahrhundert, (in: Deutsche Staatenbildung und deutsche Kultur im Preußenland. Königsberg 1930.(1976)
