Biographie

Ringwaldt, Bartholomäus

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Herkunft: Ostbrandenburg
Beruf: Pfarrer, Dichter
* 1. Januar 1530 in Frankfurt/Oder
† 9. Mai 1599 in Langenfeld, Zielenzig/Ostbrandenburg

Die siebte und letzte Strophe des Liedes vom Jüngsten Tag “Es ist gewißlich an der Zeit”, das heute mit leichten Veränderungen im Evangelischen Gesangbuch (Nr. 149) unter der Rubrik“Ende des Kirchenjahres” zu finden ist, spiegelt wichtige Aspekteim Leben und in der Theologie Ringwaldts wieder. Er greift hier auf ein älteres, um 1565 entstandenes Lied zurück, das auf demDies irae beruht. Seine persönlichen und die durch allgemeine Zeitumstände bedingten Nöte (der Tod seiner ersten Frau, Krankheiten, Naturkatastrophen, Hunger) ließen ihn das Elend dieser Welt spüren. Er sehnte sich wie viele seiner Zeitgenossen geradezu nach dem baldigen Kommen des Reiches Gottes. Aus der Offenbarung des Johannes meinte er herauszulesen, daß der Anbruch der Endzeit auf 1584 zu datieren sei.

Ringwaldt ordnete den Glaubens- und Sittenverfall und die Nöte seiner Zeit den Endwehen, den letzten und ärgsten Zeiten der Welt, zu. Ihm ging es nicht um die Erziehung der Menschen zur Tugend, damit sie geruhsam weiterleben können, sondern um die letzte Möglichkeit der Buße und Umkehr, bevor sie vor dem Richterstuhl stehen und ihnen aus dem Buch, in dem die Taten jedes Menschen verzeichnet sind (von diesem ist auch im
 

 

 obengenannten Lied die Rede), vorgelesen wird. Das Kommen des Reiches Gottes ist spürbar nahe. Er selbst möchte nicht “am jüngsten Gericht” von seinem “treuen Lehrherren” “für einen faulen Knecht gehalten werden” (vgl. Matth. 25,14-30). Die ihm anvertrauten Zentner, das Talent, das er von Gott erhalten hat, um es Früchte bringen zu lassen, sind seine Dichtkunst und seine Berufung in den Pfarrdienst. Darum beginnt er zu schreiben und hält der Welt immer wieder in seinen Dichtungen den “Spiegel” vor.

Über Ringwaldts Leben sind nur wenige Daten bekannt: Er studierte in seiner Heimatstadt, war dann wohl wie üblich vorerst im Schuldienst tätig und rückte 1556 in das Pfarramt auf. In seiner dritten Gemeinde, Langenfeld, wirkte er von 1566 bis zu seinem Tode. 1592 heiratete er zum zweitenmal, zwei Söhne sind bezeugt.

Ausgesprochen erfolgreich schon war ein Lehrgedicht von 1582. Seit 1588 erschien es dann auf 6000 Verse erweitert unter dem geänderten Titel Christliche Warnung des Trewen Eckart bis 1738 an verschiedenen Orten in 40 Auflagen und wurde sogar als Schauspiel bearbeitet. Ringwaldts bedeutendstes LehrgedichtDie lauter Warheit (1585) erlebte über 19 Auflagen. Noch 1644 besorgte sein Sohn eine Auflage in Königsberg. Von Hoffmann von Fallersleben wird es als “Lieblingsbuch aller Stände” bezeichnet. Aus jedem Stand wird darin beispielhaft ein wohlgeratener und ein ungeratener Vertreter vorgestellt. Ringwaldt hoffte, den Sündern auf diese Weise ins Gewissen reden zu können und sie zu “bußfertigen Gedanken” zu bringen, damit sie endlich um Gnade bäten. Er sah es als “Dorfpfarrherr”, der zu den geistlichen Kriegsleuten gehöre, als seinen Beruf an, “wider den Fürsten der Welt zu fechten”, sein“Feldherr” aber ist Jesus Christus. “So will ich mit diesem Büchleinim Namen Gottes unter den Haufen schießen; wen ich treffen werde, der wird’s wohl fühlen” schrieb Ringwaldt in der Widmung.

Ringwaldts Anliegen ist auch in seinen zwei SchauspielenSpeculum Mundi (1590, 2. Aufl. 1645) und Plagium (1597), der Übertragung einer lateinischen Komödie, zu spüren. Der Inhalt des “Spiegels der Welt”, wird im Titel folgendermaßen wiedergegeben: “Eine feine Comoedia, darinne abgebildet, wie vbel an etlichen orten, getrewe Prediger (welche die warheit reden) vorhalten werden, Vnd widerumb, wie angeneme sie seind, bey rechtschaffnen Christen, welche Gottes wort lieb haben. Vnd zu letzt, wie sie von den Widersachern bißweilen hefftig verfolget, vnd dennoch offtermals, aus jren henden, wunderlich errettet werden. Nützlich zu lesen, vnnd im agiren beweglich.” Es geht um einen Pastor, der, nachdem er gegen die Völlerei gepredigt hat, von einem trunksüchtigen Landjunker vertrieben wird. “Das Stück verräth eine große Vertrautheit des Dichters mit der gemeinen Umgangssprache des Volks, auch viel volkstümlichen Humor”, urteilt Wackernagel, der in seiner Kirchenliedausgabe einige Kostproben bietet (Bd. 1, S. 802-808).

Die Anzahl der Lieder Ringwaldts läßt sich nicht genau ermitteln; 150 bis über 200 werden genannt. Zu Lebzeiten gab Ringwaldt einen Teil im Handbüchlein:Geistliche Lieder undGebetlein (Ausgaben 1586-1608) heraus. Bemerkenswert ist, daß die Zahl seiner Lieder in manchen Gesangbüchern bis Mitte des 18. Jahrhunderts zunimmt (z.B. sind im Karlsruhe-Durlachischen Gesangbuch von 1754 zwölf Lieder von ihm enthalten, andere Zeitgenossen sind mit höchstens drei vertreten). Wie zu der Zeit in evangelischen Kreisen weit verbreitet, bereimte auch Ringwaldt aus pädagogischen Gründen die Sonntags- und Festevangelien (1581) und fügte jeweils ein Gebetslied hinzu. Ringwaldts Danklied nach dem Essen “Lobet den Herrn und dankt ihm seine Gaben” mit einer Melodie Johann Crügers zählt heute zum ökumenischen Liedgut.

Wie man an den häufigen Auflagen bis in das 17. Jahrhundert hinein erkennen kann, waren Ringwaldts Veröffentlichungen ausgesprochen beliebt. Ob seine Leser jedoch den Ruf zur Umkehr und die Aufforderung zu einer christlichen Lebensführung angesichts des nahenden Endes vernommen haben, ist zu bezweifeln. Sie schmunzelten wohl eher über die treffenden Schilderungen der Verfehlungen ihrer Mitmenschen. Dem heutigen Leser, der leider auf keine modernen Nachdrucke zurückgreifen kann, würde es wohl ähnlich ergehen. Zudem scheinen uns die Verse leicht ungelenk und holprig, doch darf man nicht die Maßstäbe ansetzen, die erst durch Opitz und seine Mitstreiter zur Norm wurden. Von seinem dichterischen Rang her ist Ringwaldt mit Hans Sachs gleichzusetzen; er wurde von seinen Zeitgenossen geschätzt und galt als “fürtrefflicher” Dichter.

Lit.: Wackernagel, Philipp: Das deutsche Kirchenlied. Bd. 1, Leipzig 1864, Bd. 4 (Liednrr. 1339-1546), Leipzig 1874 (Hildesheim 1964).–Koch, Eduard Emil: Geschichte des Kirchenliedes und Kirchengesanges, Bd. 2, 31867, S. 183-190.–Lebensbilder der Liederdichter und Melodisten … bearb. von Wilhelm Lueken, Göttingen 1957 (Handbuch zum Evangelischen Kirchengesangbuch, Bd. 2/1, S. 114-116).–Biographisch-bibliographisches Kirchenlexikon, Bd. 8, Herzberg1994, Sp. 384f. (in diesen Artikeln Werke und weitere Lit.).

 

  Heike Wennemuth