Biographie

Rinke, Walter

Herkunft: Schlesien (Ober- u. Niederschlesien)
Beruf: Volkswirt, Vertriebenenpolitiker
* 5. Januar 1895 in Kattowitz/Oberschlesien
† 21. Mai 1983 in Rottach-Egern/Oberbayern

Unter der Charta der deutschen Heimatvertriebenen des Jahres 1950 steht für die aus der Heimat vertriebenen Schlesier der Name von Walter Rinke, des Gründers der Landsmannschaft Schlesien. Sohn eines Lehrers, stammte Walter Rinke aus dem am Ende des 19. Jahrhunderts aufblühenden oberschlesischen Industrierevier. In Myslowitz, das sich stolz das "Dreikaisereck" nannte – denn hier stießen die Grenzen des Deutschen Reiches, Rußlands und der österreichisch-ungarischen Doppelmonarchie zusammen -, besuchte er das Lehrerseminar und wurde Volksschullehrer. Bevor er seinen Beruf ausüben konnte, zog er als Freiwilliger in den Ersten Weltkrieg und kehrte als Leutnant zurück. Nachdem er das Abitur nachgeholt hatte, begann er in Schlesiens Hauptstadt Breslau das Studium der Volkswirtschaft, das er mit der Promotion abschloß. Sein beruflicher Weg führte ihn in das Versicherungswesen. Mit 33 Jahren war er bereits Direktor der in Ratibor ansässig gewordenen Oberschlesischen Versicherungs-anstalten. Ratibor war Sitz der Provinzialverwaltung der neu errichteten Provinz Oberschlesien.

Der oberschlesische Katholik Rinke war inzwischen Mitglied der in Oberschlesien bestimmenden und von Prälat Carl Ulitzka geleiteten Partei des Zentrums. Als 1933 die Nationalsozialisten die Herrschaft übernahmen, verlor auch Rinke seinen Posten. Er siedelte von Ratibor nach Breslau über und betätigte sich hier als Nationalökonom in der privaten Versicherungswirtschaft. Mit Beginn des Zweiten Weltkrieges wurde er wieder Soldat. Als Major der Reserve geriet er in russische Kriegsgefangenschaft, überlebte geradezu abenteuerliche Monate als Mediziner ohne Approbation und wurde wie Millionen seiner schlesischen Landsleute vertrieben. München wurde sein neues Zuhause.

Man kann von einem zweiten Leben sprechen, das jetzt für Walter Rinke begann. Als überzeugter Republikaner und Konservativer trat er in München der Christlich-Sozialen Union (CSU) bei und wurde hier zum Anwalt der Vertriebenen. Obwohl ein Fremder und Unbekannter, fand er schnell und leicht gute und herzliche Verbindung zu den führenden Männern und Frauen der CSU, die ihn 1953 als Bundestagsabgeordneten ins Parlament entsandten. Zuvor aber hatte sich Rinke einen bekannten und anerkannten Namen als Gründer der Landsmannschaft Schlesien, als Sprecher der Heimatvertriebenen, als hervorragender Redner und Verfasser von zahlreichen Aufsätzen, in denen er für das Recht auf die Heimat stritt, gemacht.

Rinke wollte nicht nur seine schlesischen Landsleute organisatorisch zusammenführen, womit er bereits zu einer Zeit begann, als die Siegermächte die Koalitionsfreiheit noch nicht gewährten, sondern vor allem auch die demokratischen Kräfte in der Bundesrepublik Deutschland bündeln. Angesichts des Unrechts der Vertreibung, angesichts der politischen Situation, in der sich das besiegte Deutschland befand, angesichts der geradezu unüberwindlichen Schwierigkeiten, das Unrecht zu überwinden und für das Recht Bundesgenossen zu finden, lag ihm alles daran, das Ringen um die Zukunft der Heimat nicht noch parteipolitisch zu belasten. Konrad Adenauer und Hinrich Wilhelm Kopf, Hans Lukaschek und Paul Löbe (die beiden Letztgenannten als schlesische Landsleute), CDU/CSU und SPD gewann er für die Sache der Schlesier, sei es auf den Schlesiertreffen, wo sich Hunderttausende versammelten, oder als es 1951 darum ging, in Niedersachsen die Patenschaft des Bundeslandes für Schlesien zu errichten.

Dann allerdings, wenn es um tagespolitische Fragen ging, konnte Rinke impulsiv reagieren und sogar aggressiv polemisieren. Er wollte mit seinen Einlassungen bestimmt nicht ein Freund-Feind-Verhältnis schaffen, aber vielerorts wurden sie so verstanden, weshalb sie ihm wiederholt heftigsten Widerspruch und auch Feindschaft einbrachten. Aber auch seine Gegner mußten ihm Unermüdlichkeit und Unbeugsamkeit rühmend nachsagen.

In den Losungen der ersten Schlesiertreffen, später Deutschlandtreffen der Schlesier genannt, wird das Programm für Rinkes Handeln offenbar: "Schlesien meldet sich zu Wort", "Schlesien – eine gesamtdeutsche Verpflichtung", "Schlesien appelliert an die Welt". Wo und wie auch immer er es vermochte, knüpfte er Verbindungen zum Ausland, sei es zum früheren Breslauer Juristen Ernst Cohn in London, sei es auf seinen Reisen in die USA, deren Außenminister James F. Byrnes er seit dessen aufsehenerregenden Rede von 1946 besonders hoch schätzte.

Rinke stand aus Gesundheitsgründen für eine dritte Legislaturperiode des Deutschen Bundestages nicht mehr zur Verfügung. Er ist 88 Jahre alt geworden. Die Schlesier ehrten ihn als den Gründungsvater und Ehrenvorsitzenden der Landsmannschaft mit der höchsten Auszeichnung, dem "Schlesierschild", denn "Walter Rinke hat sich um Schlesien verdient gemacht".

 

  Herbert Hupka