Biographie

Rochowanski, Leopold Wolfgang

Vorschaubild
Herkunft: Siebenbürgen
Beruf: Schriftsteller
* 3. August 1885 in Zuckmantel/Österr.-Schlesien
† 14. September 1961 in Wien

Rochowanski hat in seinem Buch über den aus Südmähren stammenden Landsmann, den großen Architekten Josef Hoffmann, zum Schluß geschrieben:

„Er hat auf Erden niemandem weh getan, er hat das Holz nicht beleidigt und nicht das Gestein, er hat allen Schätzen der Erde, dem Gold und den Kristallen, zu Ehrenstellen bei den Menschen verholfen, er hat sich in stiller Bewunderung vor der Architektur der Pflanzen geneigt, er hat alle Dinge geliebt, die Schale, den Krug und jedes Gehäuse, die Schale aus Silber, gleich einem bleichen Teich, die Vase aus Silber, gleich dem aufgerichteten Meer, er hat die gütigsten Hände gesammelt, daß sie in die Dinge hineingehen und sich darin niederlegen, er hat an alle Menschen gedacht, damit ihre Stunden verschönert würden. Er hat für sie die besten Häuser ersonnen und erbaut, hat sie am liebsten mit einem hellen Glasgemach hoch oben wie mit einem Kindertraum geendigt, wie des Lebens erklommene Reifung, weil dort, dem Himmel nahe, Sterne um Sterne dem Menschen ewig ins Angesicht sprechen und die Erde unten schon ins Unirdische gleitet.“ Dieser, in dem bibliophilen Band 1950 in Wien herausgebrachte Text ist bezeichnend für Rochowanskis Einstellung und Stil, für einen Schriftsteller, der dem Einfachsten seinen Glanz verleihen konnte. Der in dem reizvollen Städtchen Zuckmantel in Österreichisch-Schlesien nahe der alten preußischen Grenze geborene ist von großer Heimatliebe getragen gewesen, die er auch auf seine Wirkungszeit in der Großstadtwelt von Wien übertragen hat. Am Anfang seiner Veröffentlichungen steht eine Sammlung schlesischer Mundartdichtung mit dem Titel „Hämetgesang“. Dann begibt sich der Verfasser nach Wien, steht dort als Beobachter, Darsteller und Beteiligter mitten in der weltmännischen Kunstszene. Doch kehrt er thematisch immer wieder in seine Heimat zurück, der er eine Reihe knapper, schlichter und liebevoller Dichtungen widmet.

Wie er in seinem Hoffmann-Buch die überschaubare Welt von dessen Geburtsort Pirnitz anschaulich darstellt, so huldigt er seiner Geburtsstadt Zuckmantel in einem der Mutter zugeeigneten „Kranz aus Erinnerungen“ unter dem Titel „Die unendliche Straße“ 1946, in der Neufassung seiner Prosa „Rändlaleut“ (1940). Es ist die Welt unter dem Altvatergebirge in den östlichen Sudeten:

„Das kleine Städtchen, ich habe es ganz nahe vor mir, es liegt ja in den Tränenschalen meiner Augen, und darum kann mein Herz alles genau betrachten und erzählen. Der Kopf des Städtchens ruht schon auf den hügeligen Schläfen der Berge, sie hängen ihm in zwei wundervoll begrünten Bögen bis zu den schwachen Schultern hinab, umbauen schützend seinen Leib. Nur mit den Füßen greift es hinaus auf die Äcker, auf die Felder mit den Haselnußbüschen und Brombeerhecken, über seine Zehen wandert der Blick weit über Land und in einen großen Himmel, den die Lerchen bewohnen und besingen.

Die uralte sagenstarke Nachbarschaft zeigte ihre Kraft, die Berge waren in die Stirne der Menschen dort oben hineingewachsen, sie lebten in ihnen. Nachts kamen die flinken Stollenmännlein bis zu den Hütten der armen Weber und Steinmetze, sie hoben die hölzernen Riegel der Türen weg, trippelten aufweichen Moossohlen in den Stuben herum und stießen manchmal mit den steilen spitzen Mützen an die niedere Balkendecke an, sie tippten dem Schlafenden auf die Nase und flüsterten ihm in die glückhungrigen Ohren: Kumm och Franzla, ich führ dich.“

Es ist etwas darin von der Welt der schlesischen Mystik, wie er in seinen kunstgeschichtlichen und die Kunstszene der Zeit behandelnden Büchern Elemente des Jugendstils und des Expressionismus verbindet.

In Wien ist er zum manchmal geradezu hymnischen Darsteller von Weggefährten geworden, die einen neuen Aufbruch in der Kunst zugleich als Lebensreform verstanden. Da gibt es seine Monographien, neben der über den Architekten Josef Hoffmann eine über Franz Cizek (Wiener Kunstgewerbeschule), überschrieben „Der Formwille der Zeit in der angewandten Kunst“, über den barockexpressiven Bildhauer aus Mähren, Anton Hanak, „Der brennende Mensch“, über „Wiener Keramik“, über „Theaterkunst“ über „Dagobert Peche“, „Die Wiener Jugendkunst“. In seinem umfangreichsten Buch „Columbus in der Slovakei“ (1936) lesen wir den anschaulichen Satz: „Die Slovakei ist eine wundervolle alte Bauerntruhe, angefüllt mit Kostbarkeiten, mit Sagen und Liedern, mit tanzender Fröhlichkeit und weinenden Gespenstern.“ Der Notarssohn hat als Herausgeber und Schriftsteller in Wien nie seine karge, so schöne schlesische Heimat vergessen und in einer Reihe von Lyrik- und Prosabänden immer wieder variiert. Zu seinen letzten Veröffentlichungen gehören ein Gedichtband (1954) und eine weitere Landschaftsdarstellung „Einladung in die Wachau“ (1956). Eine Reihe seiner Bücher warten auf Neuauflage, das eine oder andere dürfte noch unveröffentlicht der Nachlaß bergen.

Werke: Der Phantast (Epos, 1918); Nackte Inspirationen (Nov. 1918); Unsterblicher Daniel (Sch., 1918); Der tanzende Schwerpunkt (1922); Abend, Morgen, Mittag (Ged., 1922); Formwille der Zeit (1922); Psychopathische Künstler (1923); Der brennende Mensch (1923); Wiener Keramik (1923); Festung (Sch., 1923); Klapphut und Zylinder (Kom. 1923); Phantastische Schaubude (Nov. 1923,1946); Theaterkunst (1923) ;Dagobert Peche (1923); Bewegung (Sch., 1924); Im Namen des Gesetzes (Trag., 1924); Dreißig Jahre Jugendkunst (1928); Columbus in der Slovakei (1936); Rändlaleut (1940, Neufassung unter dem Titel: Die unendliche Straße, 1946); Das Liebesfest (1946); Wiener Kulturgeschichte (1946); Die Wiener Jugendkunst (1947); Unser Land mit unseren Augen (1949); Josef Hoffmann (1950); Gedichte (1954); Einladung in die Wachau (1956). – H.: Hämetgsang (Anthologie schlesischer Mundartdichtung; 1912).

Lit.: Wilhelm Formann, „Der Surrealist aus Zuckmantel“. In: Wilhelm Formann, „Sudetendeutsche Dichtung heute“, S. 45f.; München, 1961.