Biographie

Rohrmann, Ludwig

Herkunft: Schlesien (Ober- u. Niederschlesien)
Beruf: Kaufmann, Fabrikant
* 19. Februar 1848 in Chrzonstowo (polnisch Chrzastowo), Kr. Schrimm, Provinz Posen
† 25. Februar 1909 in Krauschwitz (sorbisch Krušwica), Oberlausitz, Sachsen

Der Kaufmann und Keramikfabrikant Ludwig Rohrmann entstammte einer bekannten deutschen Familie des Posener Landes. Er wurde als Sohn des Hauptmanns a. D. Johann Gottlieb Rohrmann und seiner Frau Elise, geborene Grosmann, auf dem Rittergut Chrzonstowo im Kreis Schrimm in der Provinz Posen geboren.

Beide Familien zählen zu den bekannten evangelischen Patrizierfamilien der im Westen des Posener Landes liegenden Stadt Fraustadt (Wschowa). Die Stadt Fraustadt, die nach der Auflösung der Grenzmark Posen-Westpreußen seit 1938 zur Provinz Schlesien gehörte, hat eine alte, ruhmreiche Geschichte in dieser schlesisch-posener Grenzregion. Sie wurde im 13. Jahrhundert von deutschen Siedlern gegründet und war als königliche Stadt seit 1343 endgültig Teil der polnischen Krone und war als Sondergebiet, ein Ländchen (Ziemia) mit eigenem Recht. Hierzu hatte König Kazimierz III. der Große 1349 dem Fraustädter Land dieses Sonderrecht der Beibehaltung der zuvor gewährten Rechte und Privilegien erteilt. Diese Sonderstellung haben alle nachfolgenden polnischen Könige weitgehend bestätigt.

Die Familie Rohrmann ist in Fraustadt seit dem ausgehenden Mittelalter urkundlich belegt. Im Jahr 1472 immatrikulierte sich der Fraustädter Student Petrus Rohrmann an der Universität in Leipzig. Die Rohrmanns waren Mälzer, Bierbrauer und auch evangelische Pastoren, denn Fraustadt war eine Hochburg des Luthertums in der alten polnischen Adelsrepublik. Sogar das Amt des Bürgermeisters und der Ratsherren bekleideten sie.

Vor allem im 19. Jahrhundert stieg die Familie sozial auf und verbreitete sich über die Region weit hinaus. Der Fraustädter Ratsherr Gottlieb Rohrmann d. J. (1765-1828) erwarb Land und pachtete die beiden Fraustädter Kämmereidörfer Ober und Nieder Pritschen (Przyczyna górna i dolna) und war damit der erste Großgrundbesitzer dieser Familie.

Auch die Familie mütterlicherseits, die Grosmann, zählen zu den alten Bürgerfamilien Fraustadts. Im Jahr 1412 wird erstmals ein Mitglied dieser Familie, Johann Grosmann, urkundlich als Schöffe erwähnt. Auch sie verbreiteten sich über die Grenze nach Schlesien hinaus. Der bekannteste Zweig der Familie waren die Inhaber der ältesten Firma der Stadt Fraustadt. Als Viehhändler, später als Bäckermeister, arbeitete die Familie in Fraustadt, ehe Bäcker- und Kaufmannssohn Gottfried Grosmann (1697-1746) am 2. April 1738 das Weinhandelshaus Grosmann gründete, das bis 1945 bestand.

Die Eltern von Ludwig Rohrmann entstammten diesen beiden bekannten Fraustädter Patrizierfamilien. Ludwig erhielt nach dem Schulbesuch eine Ausbildung als Kaufmann und Bankfachmann in Leipzig, Breslau und in Bremen. Sein großes Interesse für die Keramikherstellung entwickelte sich bereits in jener Zeit und er entschloss sich, dieser Neigung auch beruflich nachzugehen.

Ludwig Rohrmann verband sein Interesse mit großem Arbeitseinsatz und unternehmerischem Scharfsinn, denn er traf mit seinem Engagement für die Keramikherstellung genau den Zeitgeist und einen gefragten Absatzmarkt seiner Zeit, der Aufbruchsphase Deutschlands ins Industriezeitalter, die sogenannte Gründerzeit.

Neben der Stahlherstellung und Kohlegewinnung erwies sich die chemische und die Elektroindustrie in Europa als eine stark boomende Branche und durch den rasanten Städteausbau der Kaiserzeit wurde ein gewaltiger Absatzmarkt geschaffen. Im Städtebau waren nun überall Kanalisationsrohre aus Keramik nachgefragt, zudem große Behälter für die Lagerung von Wasser aller Art, und die Industrie benötigte säurefeste Steinzeugprodukte für ihre eigenen Anlagen zur Säuregewinnung.

Rohrmann erkannte rasch das Potential, das sich ihm hier auftat und suchte nach einer geeigneten Anlage für eine eigene Fabrik, mit der er den zukunftsweisenden Markt künftig beliefern wollte. In Krauschwitz wurde er im Jahr 1877 fündig. Dort stand eine Geschirrtöpferei mit dazugehöriger Tongrube zum Verkauf. Dies war eine großartige Kombination, da er sich hier für die Kosten für die Anlieferung und Beschaffung des Rohstoffes keine Gedanken machen musste und so große Kosten einsparte.

Dank seiner marktorientierten Produktionsumstellung machte er aus der kleinen Geschirrtöpferei ein Unternehmen mit Weltruf, die Krauschwitzer Thonwaarenfabrik Ludwig Rohrmann, in dem chemische Steinzeugprodukte industriell hergestellt wurden. Ein solcher Erfolg ist nicht allein durch eine gute Idee und einen günstigen Standort zu realisieren, sondern durch einen weitblickenden Unternehmergeist. Rohrmann hatte das Talent vieler Industriegründer, er verfügte nicht nur über den Weitblick, innovative Ideen, sondern auch über Menschenkenntnis. Für seine Fabrik suchte er sich in Krauschwitz und Umland einen Stamm zuverlässiger Arbeiter. Er war nicht nur Arbeitgeber, sondern Patron seiner Arbeiter, für die er auch soziale Errungenschaften bot. Der lausitzer Landbevölkerung bot sich mit seiner Fabrik eine einmalige Gelegenheit ein gutes Auskommen zu erzielen und gleichzeitig die Basis für einen sozialen Aufstieg zu schaffen, denn Rohrmann setzte sich auch hier ein. Im Jahr 1888 regte er den Bau der ersten Gemeindeschule an und finanzierte diese, damit die Kinder seiner Arbeiter eine Zukunft hätten und er natürlich künftig weiterhin aus gut gebildete, seiner Firma verbundene Arbeit zurückgreifen könnte.

Ludwig Rohrmann war in erster Ehe mit Minna Hossenfelder verheiratet (sie starb 47-jährig und wurde noch in der Familiengruft Rohrmann in Fraustadt beerdigt), mit der er einen Sohn und zwei Töchter hatte. Das Ehepaar galt in der Region als wohltätiger Spender und er arbeitete ehrenamtlich als Schiedsmann, Wahlvorsteher und Kreistags-Abgeordneter.

Neben seiner kaufmännischen und sozialen Kompetenz ist natürlich Rohrmanns technisches Können ein Hauptmotor seines Erfolges gewesen. Er war ein unermüdlicher Konstrukteur und erwarb viele Patente, wie die sogenannten Lunge-Rohrmann-Plattentürme, die er mit seinem Chemiker Georg Lunge entwickelt hatte. Zahlreiche seiner Produkte, wie die Kühlschlangen aus Ton, wurden bis dahin nicht in Deutschland produziert und mussten aus Großbritannien importiert werden. Weniger wirtschaftlich ein Erfolg als für die Fachwelt aufsehenerregend waren seine Geigen aus Ton, die aber wegen ihrer hohen Zerbrechlichkeit kaum brauchbar waren. Auch sein Interesse und seine Patente an der Entwicklung von Raketenkameras machten ihn zu einem Pionier auf diesem Gebiet. Der wirtschaftliche Erfolg der Firma machte auch solche exotischen Forschungsarbeiten möglich.

Im Jahr 1898 wandelte er seine Fabrik in eine Aktiengesellschaft um, dessen alleiniger Vorstand er wurde. Die AG wuchs durch die Zusammenschlüsse mit mehreren Betrieben, so dass der Konzern sich 1902 in Vereinigte Tonwarenwerke A.G. umbenannte. 1904 kam es dann zur Fusion mit der Deutschen Tonröhren- und Chamottefabrik A.G. Münsterberg in Schlesien zur Deutschen Ton- und Steinzeugwerke AG. mit Sitz derZentrale in (Berlin-)Charlottenburg. Das Unternehmen beschäftigte damals 930 Mitarbeiter, die in der Verwaltung und an 64 Brennöfen arbeiteten. Der jährliche Umsatz lag bei 2,6 Millionen Mark. Bis 1913 wuchs die Zahl der Beschäftigten sogar auf 1.200 an.

Ihm persönlich hat die Fusion nicht gut getan. Zwar wurde er, inzwischen mit dem Titel eines Kommerzienrats geehrt, zu einem der fünf Vorstandsmitglieder gewählt, doch es fiel dem sehr streitbaren Unternehmer schwer, sich unterzuordnen und so kehrte er aus Charlottenburg zurück nach Krauschwitz, um hier sein Werk wieder zu leiten. Doch auch hier war ihm nur noch wenig Erfolg vergönnt. Eine schwere Herzerkrankung veranlasste ihn, sich in Kur- und Krankenhausaufenthalte zu begeben, so dass er seiner Arbeit nicht mehr nachgehen konnte. Die Krankheit zwang ihn 1908 endgültig kürzer zu treten und er übergab die Betriebsleitung an seinen Schwiegersohn Ernst Stankiewiez. Im darauffolgenden Jahr, am 25. Januar 1909, verstarb Ludwig Rohrmann in seiner Krauschwitzer Villa an einem Schlaganfall.

Bild: Preisliste der Thonwaaren-Fabrik Ludwig Rohrmann, 1883, Museum Sargan. Abbildung mit freundlicher Genehmigung von Bernd-Ingo Friedrich, Weißwasser.

Martin Sprungala