Geboren wurde er als Bruno Nowak, doch würde man die meisten Leser, auch seine Landsleute, vergeblich nach einem Schriftsteller dieses Namens fragen. Gottfried Rothacker hingegen ist sehr wohl bekannt, und als Assoziation dazu dürfte der Titel „Das Dorf an der Grenze“ in Erscheinung treten, jener Roman, der in Rothackers Schaffen eine Schlüsselstellung einnimmt und seinen Verfasser populär gemacht hat.
Kaum vier Jahrzehnte waren ihm auf Erden beschieden, doch er verstand sie zu nutzen. Nach dem Besuch des Gymnasiums in Troppau studierte er an der Prager Universität und promovierte 1925 zum Doktor der Philosophie. Sein geistiges Streben kommt bereits durch das Thema seiner Dissertation zum Ausdruck: „Die Entwicklung der Faustgestalt bis Goethe“.
Wirtschaftskrisen und Arbeitslosigkeit suchte er zu meistern, indem er sich journalistisch betätigte und Vorträge hielt. Als Wanderlehrer des Deutschen Kulturverbandes fand er schließlich sein Auskommen, gewann dabei aber vor allem Einblick in die Problematik, der seine sudetendeutschen Landsleute – insbesondere in den Regionen an der Sprachgrenze – ausgesetzt waren. Bereits seit Jahren schriftstellerisch aktiv, verlegte er zusammen mit seiner Familie seinen Wohnsitz nach Berlin, wo er zu Beginn der Blütezeit seiner Jahre die Requisiten eines vielfältig schaffenden Autors für immer aus der Hand legen mußte; am 22. März 1940 starb er an einer Lungenentzündung und soll in Troppau beerdigt worden sein.
Die Vielseitigkeit Rothackers äußert sich darin, daß er Gedichte schrieb, Bühnenstücke verfaßte, darunter Einakter, wie auch Schauspiele im strengeren Sinne. Seine literarische Vorliebe gehörte jedoch der Epik. Mit dem Grenzlandroman „Das Dorf an der Grenze“ ließ er als Erzähler aufhorchen, schuf damit abergleichzeitig eine literarische Dokumentation der Lebensbedingungen zwischen den beiden Weltkriegen, als das Deutschtum in den Randgebieten Böhmens, Mährens und in (dem einst österreichischen) Schlesien einen harten Abwehrkampf zu bestehen hatte, bedingt durch den wirtschaftlichen und nationalen bzw. politischen Druck der 1918 etablierten Obrigkeit an der Spitze der Tschechoslowakischen Republik, die sich als Fehlkonstruktion in der Verantwortung der Siegermächte des Ersten Weltkrieges erwies. Diesem Grenzlandkampf widmete Rothacker auch seinen zweiten Roman, „Die Kinder von Kirwang“. Hätte es noch eines weiteren Beweises für die innere Bindung des Autors mit seiner Heimat, mit Land und Leuten bedurft, so darf man getrost den Erzählband „Bleib stet!“ ins Treffen führen.
Lit.: Fritz Eichler: Erzähltes Erbe. Heidelberg 1961.
Werke: Lyrik: Zaubergarten, 1921. – Wir tragen ein Licht. – Einakter: Der Bauer. – Der Krieger. – Der Priester. – Schauspiele: Stefan Fadinger. – Die Stedinger. – Roderich (Drama über den Untergang der Goten in Spanien, 1933). – Epik: Das Dorf an der Grenze (Grenzlandroman, 1936, 1940). – Die Kinder von Kirwang (Grenzlandroman, 1937). – Bleib stet! (Erzählungen, 1938). – Dem Volk getreu (Erzählungen, 1938). – Vermächtnis (posthum hg. von Martha Nowak-Rothacker, 1942).
Bild: Josef Walter König: Das Schrifttum des Ostsudetenlandes. Wolfratshausen 1946.
Josef Walter König