Biographie

Rudolf, Bert

Herkunft: Sudeten (Böhmen u. Mähren, österr. Schlesien)
Beruf: Komponist, Dirigent
* 25. April 1905 in Seifersdorf, Jägerndorf/Sudetenland
† 6. November 1992 in Linz/Donau

„Ich liebe bei aller Modernität den melodischen Duktus, das persönliche Engagement, die kritische Überempfindlichkeit, den Farbenrausch und bei den vielen Balletten, die ich schrieb, auch die entfesselte Rhythmik. Meine beiden, von mir sehr verehrten, aber konträren Lehrer, Leos Janacek und Philipp Jarnach hinterließen doch Spuren.“ So kennzeichnet Prof. Bert Rudolf selbst seinen Stil. Und ergänzt man dies mit dem Hinweis auf seine große Meisterschaft in der Gestaltung kleiner und großer Formen, seine ungemein gekonnte Instrumentation, die alle harmonischen Möglichkeiten umspannende Klanglichkeit seiner Partituren und die Selbstverständlichkeit, mit der er eine Geist und Gefühl gleichermaßen ansprechende, ausdrucksstarke Musik schreibt, so erklärt sich die spontane Wirkung seiner Werke und ihr dauerhafter Erfolg.

Der Sudetendeutsche Kulturpreis für Musik des Jahres 1977 war für den in Linz a.d. Donau lebenden Bert Rudolf eine längst fällige und verdiente Ehrung in einer langen Reihe von Auszeichnungen, die das Schaffen dieses vielseitigen Meisters unserer Zeit begleiten: 1935 erhielt er einen Liederpreis des tschechoslowakischen Präsidenten Masaryk, 1937 den Internationalen Musikpreis von Venedig für seine „Schwalben-Lieder“, 1938 und 1939 ein Förderungsstipendium der Stadt Duisburg: Es folgten der Kantaten-Preis der Stadt Wien, 1959 ein Österreichischer Staatspreis für den Werbefilm „Kleine Stadt von heute“ und 1960 ein solcher für den Kulturfilm „Österreich in Dur und Moll“, der außerdem noch mit einem Filmpreis in Valencia ausgezeichnet wurde. Weitere Filmpreise erhielt er in Cannes für „Einer ist mächtiger“ und in Marseille für „Reise in den Sommer“ (Erster Preis). 1963 bekam er einen Förderungspreis des „Theodor-Körner-Stiftungsfonds“ und 1965 den Kunstwürdigungspreis der Stadt Linz. 1971 zeichnete ihn die Künstlergilde e.V. mit einer Ehrengabe des Johann-Wenzel-Stamitz-Preis aus.

Bert Rudolf wurde am 25. April 1905 in Seifersdorf bei Jägerndorf (Sudetenschlesien) als Sohn eines Oberlehrers geboren. Die Musik war ihm von Kindheit an ständiger Umgang und vertraute Sprache. So nimmt es nicht wunder, daß er sich nach der Matura an der Lehrerbildungsanstalt in Troppau ganz der Musik widmete. Er studierte Orgel bei Prof. Josef Heidegger, Klavier bei Karl Frotzler (1873 Stockerau/1960 Passau), der seit 1901 Direktor der Brünner Musikakademie war, und nicht zuletzt Komposition bei Leos Janacek (1854 Hukvaldy/1928 Mähr.-Ostrau).

Nach seinem Brünner Studium wirkte er an verschiedenen Theatern seiner Heimat als Kapellmeister: in Brüx, Teplitz-Schönau, Karlsbad, Reichenberg, Troppau und in Olmütz. Dann wurde er Konzertbegleiter des Geigers Gerhard Taschner (1922 Jägerndorf/1976 Berlin) und des Kammersängers Karl Riedl, sowie seiner Frau, der Prager Opernsängerin Thea Honsig, und bereiste mit ihnen nicht nur die Tschechoslowakei, sondern auch Deutschland und Jugoslawien. Nach den anstrengenden Wanderjahren trat er in die Fußstapfen seines Vaters und wurde 1931 Bürgerschullehrer in Jägerndorf, was ihn aber nicht abhielt, unablässig musikalisch weiterzuwirken: Er beteiligte sich maßgeblich an der Programmgestaltung der deutschen Sendungen, die die Rundfunkstationen von Mähr.-Ostrau, Brunn und Prag ausstrahlten. In dieser Zeit erzielte er auch zunehmende Beachtung als Liedkomponist.

Überhaupt begleitet ihn das Lied durch sein ganzes Schaffen, und obwohl unsere Zeit dieser Form oft recht verständnislos gegenübersteht, gelingt es ihm immer wieder, beachtliches Echo damit zu finden, so 1976 in München mit seinem Rilke-Liederzyklus und in Linz mit den altägyptischen Liebesliedern, die von Ingeborg Hallstein und Erik Werba aus der Taufe gehoben wurden. Neben Liedern mit Klavierbegleitung stehen aber auch Gesänge mit Orchesterbegleitung wie die von Miltiades Caridis uraufgeführten Gesänge aus der Zeit der Lysistrata und die in München uraufgeführten James-Joyce Lieder, die Edmond de Stoutz mit der Sängerin Catherine Geyer im Programm hatte. Ein großer Erfolg war auch „Monolog und Abschied der Sappho“: Das Werk kam in Wien und Linz, sowie später mit den Bamberger Sinfonikern zur Aufführung. Auf ihre Uraufführung warten noch die persischen Gesänge, die Gottschalk-Lieder, das österreichische Liedertagebuch und der sinfonische Zyklus für Sopran und Orchester „Das menschliche Jahr“.

Nach dem Anschluß des Sudetenlandes 1938 an das Deutsche Reich kam Rudolf als Musikstudienrat nach Duisburg, wo er für seine Bemühungen um eine aktive Schulmusik an Höheren Schulen mit dem bereits erwähnten Musikförderungspreis der Stadt geehrt wurde. Trotz Erfolg und Anerkennung als Komponist nutzte Rudolf seinen Aufenthalt im Rheinland, um bei Prof. Philipp Jarnach (geb. 1892 Noisy) an der Kölner Musikhochschule noch einmal zu studieren und sich den letzten kompositorischen Schliff anzueignen. Nach Absolvierung der Meisterklasse für Komposition und Theorie erhielt er 1940 für ein Klavierkonzert und für Streichquartett-Lieder das Abschlußzeugnis.

Im Jahre 1941 wird Rudolf Studienrat an der Lehrerbildungsanstalt in Wien und Dirigent des Lehrer-Sinfonieorchesters und des Sängerbundes. Hatte er bereits 1937 mit der Prager Uraufführung seiner Veit-Stoß-Oper „Die holzgeschnitzte Madonna“ einen ersten großen Bühnenerfolg errungen, so gelang ihm nun 1944 ein noch größerer, durchschlagender Erfolg mit seinem Ballett „Ali Baba und die Räuber“ unter Lovro von Matacic an der Wiener Volksoper. Seither verschrieb sich Rudolf immer mehr der Bühnenmusik, die ins Zentrum seines musikalischen Schaffens rückte und die seiner expressiven Musikauffassung am weitesten entgegenkam. Der Komponist, seit dem Kriegsende freischaffend in Wien, seit 1954 in Linz wirkend und 1963 zum Professor ernannt, schrieb bisher sechs weitere Opern: die Kammeroper „Regen am Sonntag“ war ein Auftragswerk des Österreichischen Rundfunks, wurde 1964 in Linz uraufgeführt und ist für eine einzige Darstellerin, die musikalisch-psychologisch so trefflich gestaltet ist, daß das Linzer Premierpublikum zu Beifallsstürmen hingerissen wurde. Die komische Oper „Der Salon“ (nach Molière) wurde 1965 zunächst im österr. Hörfunk uraufgeführt und war dann auch im österr. Fernsehen zu erleben. Als Auftragswerk des Bruckner-Konservatoriums entstand die Oper „Der Traum des Ovid“, die am 25. 6.1967 in Linz uraufgeführt wurde. Ferner komponierte er die zweiaktige Oper „Die Liebende“ und die Kammeroper „Penelope und der Landstreicher“ (1913). Einen Höhepunkt stellt die neueste Oper „Liebelei“ nach Arthur Schnitzler dar. Aber auch die Operette „John und die Perle“ (1950 Opernhaus Graz) und das Musical „Schwarze Perlen“ (Stadttheater St. Gallen) müssen hier erwähnt werden. Als weitere Bühnenwerke schuf Rudolf eine Reihe vorzüglicher Ballette. Nach „Ali Baba und die Räuber“ entstanden die „Legende von den sauren Trauben“ die „Acht Gesichter am Biwasee“ nach Dauthendey (1957 Linz) und die in Hagen uraufgeführte „Rosarote Nelke“, eine Ballettgroteske, bei der Chansongesang einbezogen wird. Die Ballettstudie „Le Rappel“ (Linz 1974) ist ein Auftragswerk des Royal Ballett London. Sie „nützt ganz besonders die Klangsinnlichkeit der Streicher und ihre reichen Möglichkeiten zu intensiver, dynamisch lebendiger Farbwirkung“. (H. Schönegger in: Salzburger Nachrichten, 1954). Die Bühne ist Rudolf das Abbild des Lebens in seiner Vielfalt und Vielschichtigkeit. Auf sie kann man Licht und Farben projizieren, die Rudolf so gerne in seinen Partituren aufleuchten läßt. „Dem großen Geheimnis von der ungeheuren Macht der Farben, der die Menschen erlegen sind“, versucht er in seinem Farbenballett „Vis colorum“ („Die Macht der Farben“) näher zu kommen. (Dr. Margareta Wöss in: Oberösterr. Kulturbericht, 23. 4.1965). Von hier aus ist nur noch ein kleiner Schritt hin zum Film, für den er etwa sechzig, zum Teil preisgekrönte Musiken geschrieben hat. Aber auch das Hörspiel hat Rudolf, dem das Komponieren ungemein leicht von der Hand geht, mit etwa achtzig Beiträgen bedacht. Daß diese Produktivität nicht zu Lasten der Qualität geht, beweist auch Rudolfs konzertante Musik. Der einfallsreichen, lebendigen Sinfonietta für großes Orchester aus dem Jahre 1971 fügte Rudolf eine zweite 1976 hinzu. An seinem Concertino per Archi rühmt das Badische Tagblatt u.a. „Kraft und lyrische Zartheit“ des ersten Satzes, die „seelenvolle Aussage“ des Mittelsatzes und den „geist-und humorvollen“ Finalsatz. Das Divertimento für Flöte und Streicher ist ein „sehr vitales, an slawische Volksweisen anklingendes Werk“ (Prof. Gerhard Ritschel). Dankbare Aufgaben stellen sich dem Solisten in den Tempi concertati für Solo-Violine, Cembalo und Streicher. Seine „Musik für 5 Bläser – à la memoire de Stifter“ wurde am 13. Mai 1971 in Stuttgart bei der Verleihung der Ehrengabe des Johann-Wenzel-Stamitz-Preises vom Stuttgarter Bläserquintett uraufgeführt. Auch das Violoncello, das Klavier, die Oboe, die Orgel und die Bratsche bedachte er mit gewichtigen konzertanten Stücken mit Orchesterbegleitung. Die „Drei Impressionen und Nachspiel“ sind für Flöte, Englischhorn und Streicher. Seine Aprèsludes für großes Orchester wurden 1964 in Athen uraufgeführt. Die 6 Stories für Violine, Bratsche und Violoncello sind ein neueres Werk.

Gewichtige Beiträge auf dem Gebiet der geistlichen Musik entstanden im letzten Dezennium. So komponierte er zur Basilika-Erhebung der Lorcher Pfarrkirche (bei Enns, Oberösterreich) einTriptychon: Praeludio rhapsodico in honorem Sti. Laurentii, Passio Sti. Floriani (Kantate für Alt, Oboe und Streicher) und Fantasia (laudatio Sti. Severini). Das Werk wurde am 11. Oktober 1970 uraufgeführt und erschien bei Philips auf Schallplatte. Mit der Passio Sti. Floriani aus diesem Triptychon ersang die Altistin Margit Neubauer 1971 beim internationalen Gesangswettbewerb in s’Hertogenbosch (Holland) den Preis der Bundesrepublik Deutschland. In Düren bei Aachen fand 1974 die Uraufführung seines „Requiems“ für Oboe, Englisch Hörn, Fagott und Orgel statt. Die hymnische Katate „Der Sonnengesang des heiligen Franziskus“ (für Solo-Sopran, Sprecher, gemischten Chor und Orchester) fand bei der öffentlichen Uraufführung im Studio Linz des Österreichischen Rundfunks unter Leopold Mayer im Januar 1974 eine geradezu enthusiastische Aufnahme. Zu den ergreifendsten Partien gehört der Chor an den Bruder Tod, den Franziskus knapp vor seinem Tode dichtete (Wilhelm Formann in: Wiener Zeitung, 31. 1.1974).

Abschließend sei noch kurz auf ein Werk eingegangen, das am 22.11.1967 anläßlich des 10jährigen Bestehens des Linzer Volksbildungsvereins uraufgeführt wurde: Dialoge um den Frieden, Dramma oratorio in drei Sätzen. Diesem eindrucksvollen Werk liegen Texte von John F. Kennedy, Josef Weinheber, Miguel Hernández, Ralph Bunche, Josef Luitpold, Cesar Vallejo, Hugo Schanovsky, Albert Camus, Günther Anders, Jewgenij Jewtuschenko, Martin Luther King, Pablo Neruda, Guillaume Apollinaire und Papst Paul VI. zugrunde. Ängste und Hoffnungen der Menschen finden in den durch Rudolfs bildstarker Musik überhöhten Texten ihren zeitgemäßen, überzeugenden Ausdruck.

Von den Werken Bert Rudolfs schrieben die Salzburger Nachrichten zu Recht: „Rudolf ist in der Substanz seiner Herkunft und Entwicklung so stark verwurzelt, daß er nicht an zweifelhaften Experimenten und avantgardistischen Selbsttäuschungen mühsam Halt suchen muß.“