Biographie

Sahm, Heinrich

Herkunft: Pommern
Beruf: Politiker
* 12. September 1877 in Anklam
† 3. Oktober 1939 in Oslo

Heinrich Sahm entstammt einer ursprünglich aus Ostpreußen einwanderten pommerschen Handwerkerfamilie. Jugend und Schulzeit verbrachte er in Anklam. Nach Ablegung der Reifeprüfung studierte er an den Universitäten München, Berlin und Greifswald Rechts- und Staatswissenschaften. 1900-1904 war er als Gerichtsreferendar in Wollin, Greifswald und Stettin tätig. 1904 bestand er das Große Staatsexamen. 1906 heiratete er die Tochter eines Stettiner Apothekers; der Ehe entstammten 4 Kiinder.

Sahm beschloß, die Kommunallaufbahn einzuschlagen. 1906 wurde er Stadtrat in Magdeburg, 1912 Zweiter Bürgermeister in Bochum. Im Ersten Weltkrieg vom Reichsamt des Innern zum Kommunalreferenten bei der Zivilverwaltung der gerade eroberten Stadt Warschau ernannt, machte er sich vor allem um die Neuorganisation der Verwaltung und die Sicherung der Lebensmittelversorgung der Zivilbevölkerung verdient.

Nach kurzer Tätigkeit als Geschäftsführer des Deutschen und Preußischen Städtetages wurde Sahm Anfang 1919 als Oberbürgermeister nach Danzig berufen. In die ersten Monate seiner Tätigkeit fällt die Loslösung Danzigs vom Reich und die Schaffung des Freistaates Danzig durch den Versailler Vertrag. Sahm führte die Verhandlungen in Paris über den zukünftigen Status des Freistaates und insbesondere seine Beziehungen zu Polen. Er verhinderte den Durchzug der Haller-Armee, die der Unabhängigkeit des jungen Staatswesens ein jähes Ende hätte bereiten können. Die Schaffung einer Verfassung für den Freistaat und der Abschluß der Danzig-Polnischen Konvention waren Sahms Werk. Als erster Präsident des Senats der Freien Stadt Danzig führte er diesen Staat durch die folgenden Jahre, die durch zahlreiche wirtschaftliche Schwierigkeiten und politische Spannungen gekennzeichnet waren. Immer wieder vertrat er die Interessen Danzigs vor dem Völkerbundsrat in Genf. Er sah es als seine Hauptaufgabe an, die durch Polen bedrohte Unabhängigkeit des Freistaates und seiner rein deutschen Bevölkerung zu sichern. Obwohl er die Regelung der deutschen Ostgrenzen durch den Versailler Vertrag, insbesondere die Schaffung des kaum lebensfähigen Freistaates und des polnischen „Korridors“, für falsch und auf die Dauer unhaltbar ansah, führte er die Danziger Außenpolitik in loyaler Übereinstimmung mit den internationalen Verträgen und den Entscheidungen des Völkerbundes, da er im Recht den stärksten Schutz des schwachen Staates sah.

In der Innenpolitik des Freistaates verfolgte Sahm, der keiner Partei angehörte und als Präsident eine überparteiliche Haltung einnahm, das Ziel, die deutsche Kultur zu bewahren und alle Möglichkeiten zur Förderung der Wirtschaft und damit des Wohlstandes der Bevölkerung auszuschöpfen. Nach wiederholter Wiederwahl zum Präsidenten wurde er 1931 gestürzt, nachdem eine Verfassungsänderung die Fortsetzung seiner überparteilichen Politik unmöglich machte und eine von den Nationalsozialisten unterstützte Minderheitsregierung unter einem Deutschnationalen gebildet wurde. Wenige Monate später wurde Sahm von einer Mitte-Links-Koalition zum Oberbürgermeister der Reichshauptstadt Berlin gewählt. Durch energische Sparmaßnahmen bemühte er sich um die Gesundung der durch die Weltwirtschaftskrise zerrütteten Finanz- und Haushaltslage der Stadt. Im Jahre 1932 gründete er angesichts der von den Nationalsozialisten drohenden Gefahr einen Ausschuß, der die Wiederwahl Hindenburgs zum Reichspräsidenten sichern sollte. Nachdem der Ausschuß über eine Million Unterschriften zugunsten Hindenburgs gesammelt und dieser sich zu einer neuen Kandidatur bereit erklärt hatte, zog Sahm sich von der Leitung des Ausschusses zurück, um seine überparteiliche Stellung nicht zu gefährden.

Nach derÜbernahme der Regierung durch die Nationalsozialisten im Jahre 1933 blieb Sahm zunächst im Amt. Jedoch wurde er zunehmend Intrigen und persönlichen Angriffen ausgesetzt, um ihn aus seinem Amt zu verdrängen. Ende 1935 wich er dem übermäßig gewordenen Druck und trat zurück. 1936 wurde er zum deutschen Gesandten in Norwegen ernannt, wo er die letzten Jahre seines Lebens verbrachte. Sahm war Inhaber des Deutschen Ehrenzeichens vom Roten Kreuz, Ehrendoktor der Technischen Hochschule Danzig und der Universität Königsberg sowie Ehrensenator der Universität Tübingen.

Werke: Erinnerungen aus meinen Danziger Jahren. 1919-1930, Marburg 1958. – Entwurf einer Verfassung für die Freie und Hansestadt Danzig. Danzig 1920. – Material zur Geschichte der Freien Stadt Danzig. Danzig 1930. – Zahlreiche Reden und Artikel.

Lit.: Heinrich Sprenger, Heinrich Sahm, Kommunalpolitiker und Staatsmann, Eine Biographie. Grote, Köln und Berlin 1969 (sowie die dort genannte Literatur).