Biographie

Salza, Hermann von

Herkunft: Westpreußen
Beruf: Hochmeister des Deutschen Ordens
* 1. Januar 1179
† 20. März 1239 in Salerno

Das Geburtsjahr Hermanns kann nur erschlossen werden aus der Überlegung, daß er zum Zeitpunkt seines Amtsantritts als Hochmeister des Deutschen Ordens wohl das 30. Lebensjahr erreicht haben dürfte. Er ist ministerialischer Abkunft, wahrscheinlich aus dem Raum Gotha – Langensalza – Sondershausen, und wohl einem Langensalzaer Geschlecht zugehörig. Eine genaue verwandtschaftliche Zuordnung läßt sich nur zu einem 1237 genannten Bruder Hugold vornehmen. Wichtig ist das Herkunftsgebiet, entwickelte sich doch während der Regierungszeit Hermanns der thüringisch-hessische Raum zu einem Schwerpunkt der Ordensbesitzungen. Bereits 1200 oder früher in Halle/Saale ansässig, bezog der Orden einen großen Teil seines personellen Nachschubes von dort. Hermanns Eintritt in den Orden ist nicht datiert; erstmals sicher nachgewiesen ist er als Hochmeister 1209. Als solcher dürfte er während der ersten Regierungsjahre sich ausschließlich im Mittelmeerraum aufgehalten haben, auch wenn er politisch den Raum des Reiches und seiner Randgebiete mit ins Auge faßte. In seine Regierungszeit fällt die erhebliche territoriale Ausweitung der Ordensaktivitäten, von Spanien bis Livland. Der erste entscheidende Ansatz erfolgte 1211, als König Andreas II. von Ungarn dem Orden das Burzenland übertrug mit der Aufgabe des Abwehrkampfes gegen die heidnischen Kumanen. Bei diesem – 1225 dann gescheiterten und mit der Austreibung des Ordens endenden – Unternehmen wird deutlich, worin sich der Deutsche Orden von den übrigen Ritterorden, vor allem Templern und Johannitern, unterschied. Betrachteten jene das Heilige Land als eigentliches Zentrum und ihre europäischen Besitzungen als Außenstationen, so verfolgte der Deutsche Orden offenbar das Ziel einer möglichst geschlossenen Territorialherrschaft. Das aber war – unter Beibehaltung des ideellen Zentrums Palästina und des weiteren Ausbauversuchs dort – in erster Linie möglich an den Rändern christlicher Herrschaft. Armenien bot den ersten Ansatz 1209, Hermann reiste 1211/12 selber dorthin. Gleichzeitig erhielt der Orden, wie Templer und Johanniter, Besitz auf der Peloponnes. Ungarn folgte 1211, auch wenn Hermann erst nach der Vertreibung des Ordens sich persönlich bemühte, das verlorene Burzenland zurückzuerlangen (1231). In Spanien sehen wir 1222 den nächsten Versuch, und ab 1230 kam dann Preußen hinzu. Blieb der Orden mit Armenien, Griechenland und Spanien noch im Mittelmeerraum und somit in Konkurrenz zu anderen Ritterorden, so griff er mit Ungarn und vor allem Preußen in ganz andere Räume aus, wo er konsequent seine Territorialisierungspläne verfolgte. Die „Bejahung  der Macht“ (Maschke) – dies dürfte das von Anfang an sich in der Politik Hermanns niederschlagende Movens gewesen sein, das eine wesentliche Seite seines politischen Wirkens erklärt. Das zeigt sich, als er mit dem Papst – vielleicht anläßlich des 4. Laterankonzils 1215 – und 1216 mit Friedrich II. zusammentraf und seitdem, besonders aber ab 1222, eine wesentliche politische Rolle als Parteigänger des Staufers wie als sein Vermittler gegenüber der Kurie spielte. Das heißt, daß Hermann von nun an an den Brennpunkten kaiserlicher Politik zu finden war, sei es die Auseinandersetzung Friedrichs mit dem Bund der lombardischen Städte, sei es in der dänischen Frage gegen König Waldemar und dem damit verbundenen Ausgreifen in den Ostseeraum, oder sei es in der Problematik des von Friedrich gelobten, immer wieder aufgeschobenen und dann unter dem Bann des Papstes Gregor IX. doch durchgeführten Kreuzzuges mit der Einnahme Jerusalems und der Selbstkrönung Friedrichs 1229. Er sah sich selber dabei, wie er 1229 aus Jerusalem schrieb, als „Mann, der die Ehre der Kirche und des Reiches liebt und nach beider Erhöhung strebt“. Die folgende Aussöhnung zwischen Kaiser und Papst im Frieden von S. Germano 1230 ist Hermanns Werk – den Abschluß bildete ein Mahl zu dritt. Doch trotz seiner politischen Vermittlungsaktionen – z.B. zwischen den Stedingern und der Kirche, zwischen dem Kaiser und seinem Sohn Heinrich VII. 1235 – können wir Hermann nicht als „Versöhnungspolitiker“ (Cohn) kennzeichnen. Viel eher müssen wir in ihm einen – vielleicht den größten – Politiker an der Spitze des Deutschen Ordens sehen, der aufgrund seiner Herkunft und der Entwicklung seines Ordens in den ersten zwei Jahrzehnten seit der Gründung 1190 die Entfaltungsmöglichkeiten der jungen Gemeinschaft nur in engster Verbindung mit dem Kaiserhause, aber gleichzeitig vom päpstlichen Wohlwollen getragen sah. Der Erfolg gab ihm recht. Jeder Aufenthalt am Kaiserhof oder an der Kurie brachte neue Schenkungen und Privilegien. Die päpstliche Exemtion 1216 und die Gleichstellung mit den Templern und Johannitern 1221 waren gewiß ebenso wichtig wie die kaiserliche Schenkung Preußens 1226. Gerade dort sah Hermann wohl die Zukunft des Ordens, wie die ebenfalls im März 1226 erfolgte Begabung Lübecks, das damit das Tor zur Ostsee wurde, mit der Reichsfreiheit verdeutlicht. Durch das Beispiel Ungarn gewarnt, verlief die preußische Erwerbung viel zielstrebiger; sie ist offenbar auch ein Ergebnis der gereifteren politischen Erfahrung Hermanns. Jedenfalls wurden ganz bewußt alle Rivalen ausgeschaltet, die dem Orden seinen noch zu erobernden Territorialbesitz hätten streitig machen können: Herzog Konrad von Masowien, Bischof Christian von Preußen und damit die Zisterzienser sowie der zwischenzeitlich von jenen begründete Ritterorden von Dobrin (1235 inkorporiert), so daß schließlich auch die Kurie das Preußenunternehmen akzeptierte (1234). Allerdings ist Hermann nie persönlich in Preußen gewesen. Dasselbe Ordenskapitel, das 1237 auch noch der Inkorporation des livländischen Schwertbrüderordens zustimmte, womit Hermann die größte Spannweite seines Ordens erreichte, versuchte jedoch, seinen Hochmeister zurückzuziehen von der politischen Tätigkeit als kaiserlicher Unterhändler bei den Lombarden – die Entfernung zwischen Meister und Orden wurde offenbar zu groß. Doch inzwischen ließen auch die Kräfte nach. Ende 1238 zog er sich nach Salerao zurück, wo er am 20. März 1239 starb. Sein Grab, heute unbekannt, fand Hermann in der Thomaskirche in Barletta. Während Hermanns politisches Wirken zwischen Kaiser und Papst mit seinem Tode endgültig zerbrach, wurde für den Orden der Ansatz in Preußen tragend und führte zu einem eigenen Staat, der fast drei Jahrhunderte – in wechselnder territorialer Größe – Bestand hatte. Die in der kaiserlichen Bulle von 1226 aufgrund der päpstlichen Lehnsexemtion festgelegte Rechtsform, die Hermann eine reichsfürstengleiche Position ohne Eingliederung Preußens ins Reich gab und die gewiß auf den Hochmeister selber zurückgeht, ermöglichte 1525 die Umwandlung des Ordensstaates in ein weltliches Herzogtum ebenso wie nach dem Anfall an Kurbrandenburg die Rangerhöhung des Kurfürsten zum König in Preußen 1701 – eben außerhalb des Reiches. Die letztlich sich darauf gründende Tradition einer kleindeutsch-preußischen Reichsgründung benutzte den Orden und seinen Meister ab der Mitte des 19. Jahrhunderts als tagespolitische Argumentationshilfe, was seinen Rückschlag bis in die hart geführten Auseinandersetzungen nationaler Historiographien in Deutschland und Polen fand.

Lit.: Udo Arnold, Hermann von Salza, in: Theologische Realenzyklopädie, Bd. XV, Lief. 1/2, Berlin 1986, S. 97–100 (mit Literatur).

Udo Arnold