Biographie

Scheele, Carl Wilhelm

Herkunft: Pommern
Beruf: Apotheker, Chemiker, Entdecker
* 9. Dezember 1742 in Stralsund/Pommern
† 21. Mai 1786 in Köping/Schweden

Carl Wilhelm Scheele gehört zu den großen Persönlichkeiten im Bannkreis der Chemie, deren Entwicklung mit Paracelsus beginnt. Justus von Liebig schrieb in seinen berühmten „Chemischen Briefen“: „Die Geschichte einer Wissenschaft ist eine Seite in der Geschichte des menschlichen Geistes. Und in Beziehung auf ihre Entstehung und Entwicklung gibt es keine, welche merkwürdiger und lehrreicher wäre als die Geschichte der Chemie.“ Durch seine Entdeckungen und Darstellungen zahlreicher chemischer Substanzen mit einfachsten Hilfsmitteln wurde Scheele zu einem der bedeutendsten Chemiker seiner Zeit. So entdeckte er bereits 1771/72 als Laborant in Uppsala die „Feuerluft“, den Sauerstoff, ohne dies allerdings der wissenschaftlichen Welt durch die Königlich-Schwedische Akademie der Wissenschaften in Stockholm mitzuteilen. So konnte es geschehen, daß nicht er, sondern der Engländer Joseph Priestley, der am 1. August 1774 durch Erhitzen des „Praecipitat per se“ seine „dephlogistirte Luft“ gewann, als Sauerstoff-Entdecker gefeiert wurde. 1777 erschien endlich Scheeles „Chemische Abhandlung von der Luft und dem Feuer“, die ihn auf die Höhe seiner Lebensbahn führte. Er nannte als „Gegenstand und Hauptzweck“ der Chemie, „die Körper geschickt in ihre Bestandteile zu zerlegen, deren Eigenschaften zu entdecken und sie auf verschiedene Art zusammenzusetzen“.

Dieses Programm wandte er bei seinen systematischen Untersuchungen auch der Luft an,„dasjenige flüssige unsichtbare Wesen, welches wir beständig einatmen, den Erdboden allenthalben umgibt, sehr elastisch ist und eine Schwere besitzt. Die Luft muß aus elastischen Flüssigkeiten von zweyerlei Art zusammengesetzt sein. Da diese Luft nothwendig zur Entstehung des Feuers erfordert wird, so werde ich sie der Kürze halber ins Künftige die Feuerluft nennen. Die andere Luft aber, welche zur feurigen Erscheinung gar nicht dienlich ist, will ich mit dem bereits bekannten Namen ,verdorbene Luft‘ belegen.“ Außer dem Sauerstoff entdeckte und erforschte er u.a. auch Stickstoff, Chlor, Molybdän, viele Salze und organische Säuren aus dem Pflanzen- und Tierreich. Die Malerfarbe „Scheeles Grün“ und das Mineral „Scheelit“ tragen seinen Namen. Seine Genialität bestand in einer unsystematisch ausgerichteten Forschungsweise: „Er machte alle möglichen Versuche durcheinander – so bekam er vieles zu sehen und zu entdecken, was ein Systematiker für unmöglich ansah, weil es gegen seine Prinzipien stritt“, – berichtet A.J. Retzius (1742-1821), Professor der Chemie und Botanik an der Universität Lund.

Carl Wilhelm Scheele, am 9. Dez. 1742 als siebentes von elf Kindern im seit 1648 schwedischen Stralsund geboren, entstammte einer wohl in Niedersachsen beheimateten, seit dem 13. Jh. in Pommern und Rügen nachgewiesenen Familie. Sein Geburtshaus in der Stralsunder Fährstraße trägt seit 1874 Erinnerungstafel und Reliefbildnis des berühmten Sohnes der alten Hansestadt. Schon als Gymnasiast offenbarte er Kenntnisse und Neigungen zur Pharmazie. 1757 – vierzehnjährig – verließ er seine Vaterstadt und trat in Göteborg in die Apotheke „Zum Einhorn“ des aus Güstrow stammenden Martin Bauch als Lehrling und Laborant ein. Sein Lehrherr erkannte schnell die große Begabung und ließ ihm bei Versuchen und Forschung freie Hand. 1765 wechselte Scheele für fast 3 Jahre als „Studiosus pharmaciae“ in die Apotheke von Peter Magnus Kjeilström nach Malmö, der seine eigene Ausbildung ebenfalls Scheeles Lehrmeister Bauch verdankte. Nur einmal – 1767 – war Scheele in Stralsund zu Besuch. Damals entstand daseinzige, nach dem Leben gemalte Bildnis Scheeles, 1931 erst wieder aufgefunden und heute im Besitz der„Schwedischen Apotheker-Sozietät“.

1768 übersiedelte Scheele für zwei Jahre als Laborant in die Apotheke „Zum Raben“ nach Stockholm, in der Erwartung und Hoffnung, Berührungen mit wissenschaftlichen Kreisen zu finden. Er wurde enttäuscht. Eine erste Arbeit über die Untersuchung des Weinsteins erschien 1769 in den Abhandlungen der Königlich-Schwedischen Akademie der Wissenschaften – unter dem Namen von Andreas Johann Retzius, sein Name war nur beiläufig genannt. Abhandlungen, die Scheele geschrieben und an den Sekretär der Akademie, Professor Torben Bergman, geschickt hatte, blieben unbeachtet. Erst in Uppsala, wohin Scheele im Sommer 1770 gegangen war, entwickelte sich durch Zufall zwischen den beiden so ungleichen forschenden Männern ein lebhafter wissenschaftlicher Verkehr, von großem Nutzen für die Chemie, der bis zum Tod von Bergman 1784 ein wahres Freundschaftsverhältnis geworden war. Scheeles wissenschaftlicher Ruf war so sehr gestiegen, daß er am 4. Febr. 1775, ohne akademische Grade zu besitzen, mit der Wahl zum Mitglied der Schwedischen Gesellschaft der Wissenschaften geehrte wurde.

Die überragende Bedeutung Scheeles und sein wissenschaftlicher Ruf fanden jetzt auch äußerliche Anerkennung. So war Scheele z.B. als wissenschaftlicher Begleiter des Prinzen Heinrich von Preußen bei seinem Besuch der Universität Uppsala abgeordnet – was wenig später dazu führte, daß der Hof Friedrichs II. von Preußen ihn abzuwerben versuchte. Scheele wehrte mehrere ehrenvolle Berufungen ab, zumal er, seit 1776 Apotheken-Provisor in Köping, die schon lange gewünschte, selbständige Lebensstellung erlangt hatte, in der er auch seinen wissenschaftlichen Neigungen nachgehen konnte: „Ich kann mich nicht mehr als satt essen, und wenn ich das in Köping tun kann, so brauche ich mein Brot nicht anderswo zu suchen“, schrieb er dem Akademie-Sekretär Prof. Bergman. Er hatte seinen wissenschaftlichen Weltrang ohne ein akademisches Studium erlangt. Zahlreich reisten Besucher aus Deutschland und Europa nach Köping, um den berühmten Mann kennenzulernen. Stipendien und Ehrungen wurden ihm zuteil, 1784 ernannte ihn die Königliche Akademie der Wissenschaften zu Turin zum Mitglied, gleiche Ehrungen aus Paris, Verona und Erfurt trafen kurz nach seinem Tod in Köping ein. Die „Gesellschaftder naturforschenden Freunde zu Berlin“ konnte ihn noch zu Lebzeiten ehren, die„Preußische Akademie der Wissenschaften“ aber hat ihre Mitgliederliste nicht mit seinem Namen geziert. Am 21. Mai 1786, erst im 44. Lebensjahr, starb er in Köping – nicht an einer Blausäurevergiftung, wie ein Gerücht besagte – er hatte die hochgiftigen Arsenwasserstoffe und Blausäure zwar entdeckt und damit experimentiert –, sondern an Tuberkulose: „Das Leichenbegräbnis war das ehrenvollste, daß die Stadt (Köping) je gesehen“. In Stockholm und Köping wurden für ihn Denkmäler errichtet. Wie bei vielen, stand auch „bei dem Genie Carl Wilhelm Scheele die Größe seiner Leistungen im umgekehrten Verhältnis zu der Gunst der äußeren Verhältnisse“.

Werke: Nachgelassene Briefe und Aufzeichnungen, Hg. von A.E. Nordenskiöld Stockholm 1892 (Nachdruck Walluf b. Wiesbaden 1973) – Karl Wühelm Scheele: Sämtliche physische und chemische Werke; Dt. Übers, u. Hg. S.F. Hermbstadt Berlin 1793 (Nachdruck Walluf 1970) – Carl Wilhelm Scheele: Chemische Abhandlung von der Luft und dem Feuer; Hg. Torbern Bergman, Uppsala u. Leipzig 1777 (in deutscher Sprache – Denkschriften d. Königl. Schwed. Akademie der Wissenschaften; Stockholm, Jahrgänge 1776 bis 1780.

Lit.: R. Sachtleben/A. Hermann: Von der Alchemie zur Großsynthese – Große Chemiker; Vlg. E. Battenberg, Stuttgart 1960 – Pommersche Lebensbilder, Bd. IV (Veröffentlichungen d. Histor. Kommission für Pommern), Böhlau-Verlag Köln 1966 – G. Bugge: Das Buch der Großen Chemiker; Vlg. Chemie GmbH Berlin 1929 – O. Zekert: Carl Wilhelm Scheele – Apotheker, Chemiker, Entdecker, Stuttgart 1963.

Bild: C.W. Scheele Bronzemedaille von Johan Gabriel Wickman um 1790.