Biographie

Schenkendorf, Max von

Herkunft: Ostpreußen
Beruf: Dichter, Schriftsteller
* 11. Dezember 1783 in Tilsit/Ostpr.
† 11. Dezember 1817 in Koblenz

Mit der frühromantischen Generation war das Interesse an der Vergangenheit des eigenen Volkes, der Kunst und der Dichtung der „altdeutschen“ Zeit erwacht. Nach der Niederlage von 1806/07 erhielt das Wissen um die große Rolle der Nation im Mittelalter mehr und mehr politisches Gewicht. Die Wiederherstellung der Größe und des Glanzes mittelalterlicher Herrlichkeit des Reiches wurde zum Ziel einer zu Kampf und Opfer bereiten, romantisch orientierten Generation. Ihr ostpreußischer Repräsentant, Max von Schenkendorf, vertrat in den Versen

Ich will mein Wort nicht brechen
und Buben werden gleich,
Will predigen und sprechen
Von Kaiser und von Reich.

seine Einstellung und seine Auffassung von seiner Aufgabe als Dichter. Darüber hinaus war Gottlob Ferdinand Maximilian von Schenkendorf (1783-1817) für das Ostpreußen seiner Lebenszeit die Verkörperung der geistigen, künstlerischen und politischen Kräfte und Bestrebungen seines Heimatlandes und seiner Generation, in glühender Verehrung Schillers nannte sich Schenkenlorf Max (nach Max Piccolomini im „Wallenstein“). Er war mit Johann Friedrich Reichardt, Novalis und Werner befreundet. Seine Bewunderung galt den Leistungen des deutschen Ritterordens. (Die Stiftung des Eisernen Kreuzes 1813 feierte er in dem Gedicht „Das Eiserne Kreuz“ als die Erneuerung des Balkenkreuzes auf den Mänteln der Ritter des Ordens von St. Marien.) Dazu war er ein vorzüglicher Kenner der litauischen Volkspoesie. Während des Aufenthaltes des preußischen Hofes in Königsberg schrieb er ein Drama „Die Bernsteinküste“, das mit der Musik von Friedrich Heinrich Himmel ganz in der Art Reichardts für die königliche Familie auf dem Königsberger Schloß aufgeführt wurde. Der nicht gedruckte Text ist verloren gegangen. Er enthielt u. a. eine von Schenkendorf nachgedichtete litauische Daina „Der versunkene Ring“ (enthalten in den „Sämmtlichen Gedichten“, 1837). Max von Schenkendorf studierte Jurisprudenz. Zu den Häusern angesehener Königsberger Familien, in denen er verkehrte, gehörte auch das des Königsberger Arztes William Motherby, bei dem sich während der französischen Besetzung die zu entschlossenem Handeln bereiten Patrioten zu treffen pflegten.

Mit seinem Freund Ferdinand von Schrötter gab Schenkendorf 1807 die Zeitschrift „Vesta“ heraus, die unter dem Deckmantel wissenschaftlicher und künstlerischer Interessen an der Vorbereitung der Befreiung Deutschlands mitwirken sollte. Sie brachte u. a. Beiträge von Fichte, Süvern und dem Sohn Hamanns. Als sie Schrötters Rede über „Teutschlands Nationalruhm“ abdruckte, wurde sie verboten. Daraufhin gründete Schenkendorf eine neue Zeitschrift unter dem Titel „Studien“. An den Berliner Verleger Reimer schrieb er am 10. Februar 1808: „Der Geist des Buches soll sich in einer freieren und schöneren Sfäre als der politischen, worin die ,Vesta‘ erstickte, bewegen.‘„

Bei einem Duell mit dem preußischen General Roquette wurde 1809 Schenkendorfs rechte Hand zerschmettert. Er schrieb mit der Linken weiter für Freiheit, Vaterland und die Erneuerung des christlichen Glaubens aus romantischer, von Jakob Böhme beeinflußter, an Novalis erinnernder Sehnsucht nach der verlorenen Einheit des Glaubens wie der Liebesgemeinschaft der Menschen untereinander. Von der im Frühjahr 1809 erfolgten Aufführung eines Schauspiels vor dem König, in dem Schenkendorf die vom Freiherrn vom Stein geforderte Aufhebung der Erbuntertänigkeit der ostpreußischen Bauern verherrlichte, schrieb der Königsberger Geheime Staatsrat Friedrich August Stägemann am 18. März 1809: „Kürzlich ist ein von Herrn von Schenkendorf fabriziertes Stück bei Auerswald in Gegenwart des Königs gespielt worden, worin die Heldin, eine entlaufene Erbuntertanin, nachmals gewordene Gräfin über die Aufhebung der Erbuntertänigkeit dem König allerlei Blumen gestreut hat …“ Nach dem Tod der Königin Luise veranstaltete Schenkendorf gemeinsam mit seinem Freund Dorow eine Trauerfeier in der Königsberger katholischen Kirche, bei der u. a.  Mozarts  „Requiem“  aufgeführt wurde.  Obwohl Schenkendorf protestantisch-pietistischen Kreisen entstammte, vertrat er die katholisierenden Tendenzen seiner romantischen Generation. Sie entstanden bei ihm wie bei Novalis aus der Sehnsucht nach der Wiedervereinigung der getrennten Christenheit. Das gilt auch für sein von seinen protestantischen Zeitgenossen völlig mißverstandenes Gedicht aus Anlaß der Gefangennahme des Papstes durch Napoleon im Juli 1809, das 1810 unter der Überschrift „Gebet bei der Gefangenschaft des Papstes“ erschien. Mit dem Beginn der Befreiungskriege brach 1813 für Schenkendorf die kurze Zeit eines eindrucksvollen dichterischen Schaffens an. Am Anfang dieses zugleich letzten Lebensabschnittes Schenkendorfs steht sein Gedicht auf den Tod seines Vaters:

Wenn auch Freunde dich begraben,
Schlaf in freier Erde nun,
Lieber Vater, schau, wir haben
Jetzt ein bess’res Werk zu tun.

In zahlreichen, durchweg sangbaren Gedichten hat Max on Schenkendorf den Freiheitskampf des deutschen Volkes begleitet, gefeiert und immer wieder zu seiner Vollendung gemahnt. Freiheit aber war ihm immer auch Freiheit es Glaubens in der umfassenden Gemeinschaft der Christenheit.

Ganz aus dem Geist der Romantik ging sein Protest gegen die im Fortschreiten begriffene Zerstörung der Marienburg hervor, den er in dem Aufsatz „Ein Beispiel der Zertörungssucht in Preußen“ in Kotzebues Zeitschrift „Der Freymüthige“ 1803 vor die Öffentlichkeit brachte. … Noch steht die Kirche und neben ihr Marias kollosalische Bildsäule … Bald vielleicht kommt die Reihe an sie, denn der Geiz kann ja wohl Glas für Edelsteine halten.“ Das Bild der Gottesmutter an der Außenwand des Hochchores der Kirche der Marienburg vergegenwärtigen die Verse (im Gedicht „Das Eiserne Kreuz“):

An der Mauer ist zu schauen
Bildniß leuchtend, groß und klar,
Bildniß unsrer lieben Frauen,
Die den Heiland uns gebar.

Mit einem Aufsatz und dem Gedicht „Das Eiserne Kreuz“ weckte Schenkendorf das Interesse an Geschichte und Bedeutung der Marienburg, das schließlich unter dem Oberpräsidenten von Schön zum großen Werk der Wiederherstellung des Haupthauses des Deutschen Ritterordens an der Nogat führte.

Max von Schenkendorf war alles andere eher als ein dichterisches Genie. Seine oft trivialen Reime kreisen um Freiheit, Vaterland und die Gemeinschaft der Gläubigen eines idealisierten, alles umspannenden Christentums. Trotzdem sollte nicht vergessen werden, daß in der Weimarer Republik am Verfassungstag, dem 11. August, Schenkendorfs Lied von der Freiheit gesungen wurde:

Freiheit, die ich meine,
Die mein Herz erfüllt,
Komm‘ mit deinem Scheine,
Süßes Engelsbild.
Magst du nie dich zeigen
Der bedrängten Welt?
Führest deinen Reigen
Nur am Sternenzelt? …
…Wo sich Männer finden,
Die für Ehr‘ und Recht
Mutig sich verbinden
Weil ein frei Geschlecht.

Auch daran sei erinnert, daß es Schenkendorf war, der als einer der ersten deutschen Dichter die Muttersprache feierte:

: Helmut Motekat: Ostpreußische Literaturgeschichte, München 1977, S. 238-241. Mit freundlicher Genehmigung des Schild-Verlages