Biographie

Scherer, Anton

Herkunft: Donaugebiet
Beruf: LiteraturhistorikerSchriftsteller
* 19. Juli 1922 in Oberndorf/Batschka
† 14. Januar 2015 in Graz

Denk ich an den Grazer Prof. Dr. Anton Scherer, dann erinnere ich mich an meine Studentenzeit und an ein nach Rumänien geschmuggeltes Buch, das damals dort für manche Offizielle den suspekten Titel trug …und die nicht sterben wollten. Herausgeber dieses frühen und wegbereitenden donauschwäbischen Dichterbuches war Dr. Anton Scherer. Das Buch hat den Eisernen Vorhang überlebt und hat heute noch einen Ehrenplatz in meiner Bibliothek. Das Beispiel kann als Beleg stehen für die Einschätzung, die Dr. Dr. Franz Thierfelder, damals Generalsekretär der Deutschen Akademie in München, kurz nach dem Erscheinen der Anthologie 1959 gab: Scherer habe mit diesem frühen donauschwäbischen Nachkriegswerk seiner Gemeinschaft einen „Dienst erwiesen, der noch weit in die Zukunft wirken wird“.

Anton Scherer wurde als Ältester von acht Geschwistern am 19. Juli 1922 in Oberndorf in der Süd-Batschka geboren, wuchs aber im benachbarten Dorf Bukin auf. Nach Abschluss des Gymnasiums und der deutschen Lehrerbildungsanstalt in Werbass folgten viele Stationen (Neusatz, Budapest, Wien) bis er in Berlin das Abitur ablegte, dann Studium (Germanistik, Slawistik, Geschichte, Geographie, Volkskunde, Philosophie) in Wien, Innsbruck und Graz, wo er zum Magister (1947) und Doktor der Philosophie promoviertre (1955). Seine Dissertation schrieb er im Massenquartier eines Grazer Barackenlagers, hält Ferdinand Leindl in einer der frühen Würdigungen für Scherer zu dessen 50. Geburtstag fest (1972).

Auf das bewegte Leben Prof. Scherers in einer schwierigen Zeit soll hier nicht weiter eingegangen werden, auch nicht auf seine ausgeprägte Eigenwilligkeit und Unnachgiebigkeit, sein offenes Wirken gegen die rivalisierenden donauschwäbischen Gruppen, was ihm viele Feindschaften eingebracht hat, sondern auf die bleibenden Verdienste als Historiker, Literaturhistoriker, Wegbereiter, Bibliograph und Begründer eines donauschwäbischen Archivs. Eine reiche, vielseitige beachtenswerte öffentliche, Presse- und Veröffentlichungsarbeit sind jedoch fest zu schreiben.

Alle diese bleibenden grundlegenden Arbeiten entstanden parallel zu seiner Lehrtätigkeit in Graz an Gymnasien und als Lehrbeauftragter für die Universität über viele Jahre. Mit am Anfang der Buch-Reihe steht die erwähnte Anthologie aus dem Jahre 1959 (Pannonia-Verlag Freilassing, 260 Seiten, zweite Auflage erschienen). Diese erste Dokumentation zur Literatur der Donauschwaben (mit Textbelegen) von Lenau bis zur Gegenwart ist bereits so angelegt wie alle späteren großen Publikationen: mit Blick auf die Nachbarn und im großen südosteuropäischen Kontext. Seine 1960 im Selbstverlag herausgebrachte Einführung („beinahe alleinstehende Forschertätigkeit“) in die Geschichte der donauschwäbischen Literatur erhielt daher von zahlreichen Fachleuten aus Ungarn und Rumänien, aber auch Forschern im Exil höchste Anerkennung.

Unentbehrlich bis heute sind Scherers bibliographischen Werke, auf die auch im Zeitalter des Internets zugegriffen werden muss, eine damals aufreibende, zeitaufwendige und kostspielige Arbeit. Die Vorarbeit dafür hat Scherer ein einzigartiges, reiches und wertvolles donauschwäbisches Archiv mit Bibliothek dazu gebracht, deren Zukunft leider nicht gesichert sind. Bisherige Versuche scheiterten vor allem an der Geldfrage. Im Alleingang hatte Dr. Scherer 1966 nach zehnjähriger Sammeltätigkeit über viele Landesgrenzen hinweg den schwierigsten Band für die Zeitspanne 1935-1955 in München herausgebracht unter dem Titel Donauschwäbische Bibliographie. Die Belege stammen aus dem deutschen Sprachraum, mehreren Ländern Südosteuropas, aus Frankreich und vier Übersee-Staaten. Es folgte ein zweiter Band für die Zeitspanne 1955-1965, für die der Forscher dem Münchner Verlag des damaligen Südostdeutschen Kulturwerks 8.446 Titel dazu vorlegte (1972, erschienen 1974). Diese Handbücher für Studenten und Forscher bieten grundlegende Hilfe zur Erforschung der Kulturleistungen der Donauschwaben bzw. der österreichischen in ganz Südosteuropa. Sein Donauschwäbisches Bibliographische Archiv umfasst rund 25.000 Titel. Es folgten weitere bibliographische Veröffentlichungen bis ins hohe Alter, von denen als Besonderheit und herausragend, über das Donauschwäbische hinausgreifend, das Buch Südosteuropa-Disser-tationen 1918-1960 herausgestellt werden muss (Graz/Wien/Köln 1968). Denn Scherer machte damit über 2.200 Doktorarbeiten von Forschern aus aller Herren Länder zum breiten Thema Südosteuropa zugänglich. Wichtig ist ebenso sein Donauschwäbisches Ortsnamenbuch, wegen der Mehrsprachigkeit in der historischen Region und den Staatswechseln eine bleibende Handreichung bis heute.

Für seine Forschungs-, Publikations- und verdienstvolle Lehrtätigkeit, für seine Dokumentationsstelle und als Leiter des Donauschwäbischen Bibliographischen Archivs in Graz wurden Prof. Dr. Scherer viele Ehrungen und Auszeichnungen zuteil (hier Auswahl), so bereits 1958 und 1966 der Theodor-Körner-Förderpreis oder der Kulturpreis der Donauschwaben (Ulm 1958), dann 1966 das Goldene Verdienstzeichen der Republik Österreich oder die Ehrengabe des Dehio-Preises für Kultur und Geistesgeschichte (Eßlingen 1970). Auf der Internet-Seite der Stadt Graz steht Prof. Scherer mit Text und Bild als einer der Ehrenbürger dieser Stadt seit 5. Dezember 1996. Diese seine zweite Heimat verlieh ihm u. a. das große Ehrenzeichen des Landes Steiermark sowie die Pro Meritis Medaille in Silber der Karl Franzens Universität und das silberne Ehrenzeichen der Landeshauptstadt Graz.

Lit.: Prof Dr. Anton Scherer. Persönlichkeit und Werk. Zu seinem 75. Geburtstag von Univ. Prof. Dr. Josef Schramm, Graz 1999. Donauschwäbische Beiträge 104. – Der Grazer Professor Anton Scherer, einer der herausragendsten donauschwäbischen Wissenschaftler der Gegenwart, – Publications. l. Der Akzent. Münchner Studien, in: Donum Indogermanicum, Festgabe für Anton Scherer zum 70. Geburtstag, Heidelberg. – Südostdeutsche Vierteljahresblätter, S. 160-164, Nr. 21/1972: Leindl Ferdinand: Anton Scherer 50 Jahre alt. – Bereits Mitte der 70er Jahre aufgenommen in „Kürschners Deutscher Gelehrten-Kalender“, siehe beispielsweise 12. Ausgabe N-Z und Re-gister für 1976, Walter de Gruyter, Berlin-New York, S. 2745-2746, oder für 1992, 16. Ausgabe S-Z, S. 3177-78.

Luzian Geier