Biographie

Schlüter, Andreas

Herkunft: Danzig
Beruf: Bildhauer, Architekt
* 17. März 1659 in Danzig
† 19. Mai 1714 in St. Petersburg

Vor 350 Jahren wurde Andreas Schlüter in Danzig geboren, einer der ganz Großen der abendländischen Kunst. Im Taufbuch der Johanniskirche in Danzig ist die Frau eines Andreas Schlüter verzeichnet. Der junge Schlüter absolvierte, wie das Ge­sellenregister vermerkt, seine Lehrzeit beim Meister Sapo­vius und wurde Meister der Steinmetzzunft. Über Tätigkeiten in Danzig und Umgebung bestehen noch Unklar­heiten, wie beipielsweise eine Beteiligung am Hochaltar von Oliva. Ebenso ungeklärt ist die Frage, ob der gleichnamige Vater von An­dreas Schlüter das Patrizierhaus in der Jopengasse l in Danzig erbaut hat.

Im Jahre 1689 schloss der 30-jährige Schlüter mit dem polnischen Kronreferendar Jan Dobrogast Graf Krasinski einen Vertrag und übersiedelte nach Warschau. Er wurde am Palast des Grafen, errichtet von Tijlman van Gameren, tätig, aber auch für Jan Sobieski am Schloss Wilanow. Grabdenkmäler, die Schlüter für Angehörige der königlichen Familie schuf, ver­breiteten seinen Ruhm. Der prunkliebende und ehr­geizige brandenburgische Kurfürst Friedrich III. berief den Künstler 1694 als „Kur­fürstlichen Hofbildhauer“ nach Berlin; seine Aufgabe war es, alle plastischen Arbeiten „es sey in Stein, Marmor, Elfenbein, Alabaster oder Holtz“ für den Hof zu erledigen. 1695 schickte der Kurfürst seinen Bildhauer nach Italien zur Erweiterung von dessen künstlerischen Möglichkeiten. Wieder zurückgekehrt, erstellte Schlüter den Sarkophag des 1695 gestorbenen Feldmarschalls Georg von Derfflinger für die Gruft in der Dorfkirche von Gusow; von diesem ist als vermutlich einziger Rest eine Löwenmaske in Privatbesitz erhalten.

Der erste große öffentliche Auftrag betraf 1696 das im Entstehen begriffene Zeughaus in der Residenzstadt Berlin, bereits vom Großen Kurfürsten als Waffenarsenalgeplant und 1695 begonnen unter der Bauleitung von Martin Grünberg (1665-1707).

Für den Bau lagen Pläne des französischen Architekten und Gesandten in Berlin, Francois Blondel (1617-1686), und von Jean de Bodt (1670-1745) vor. Es entstand ein quadratischer, zweigeschossiger Bau von jeweils 90 m Länge um einen geräumigen Innenhof. Andreas Schlüter war für den Bauschmuck verantwortlich. Sicherlich mit Hilfe einer größeren Werkstatt schuf er die meisterhaften Fabelhelme als Schluss-Steine der Parterre-Fenster außen und die Schluss-Steine der Portale. Als bekrönende skulpturale Reliefs für die Fenster im Innenhof entstanden genial die zweiundzwanzig sogenannten „Masken sterbender Krieger“ in enger Beziehung zur mili­tärischen Bestimmung des Bauwerks. Es sind überhöhte Darstellungen abgeschlagener Barbarenköpfe in Erinnerung an die Türkengefahr vor Wien wenige Jahre zuvor. In ihnen vergegenwärtigte Schlüter menschliches Leiden und Sterben und schuf Haupt­werke deutscher Barockskulptur. Für den Zeughaushof ließ er 1697-1698 das Bronzestandbild Friedrichs III. gießen. Wegen der an ihm befindlichen Insignien sollte es nach der Königskrönung 1701 nicht mehr zeitgemäß sein, verblieb bis 1802 im Magazin und gelangte dann in Königsberg zur Aufstellung auf einem von Jahnn Gottfried Schadow entworfenen Sockel. Das Original ist verschollen; 1972 wurden in Berlin-Köpenick durch Vermittlung der Bildhauer Gerhard Marcks und Waldemar Grzimek zwei Neugüsse hergestellt, von denen einer vor dem Knobelsdorff-Flügel des Schlosses Charlottenburg in Berlin aufgestellt wurde.

1698 erhielt Andreas Schlüter die Bauleitung des Zeughauses. Seit 1699 leitete er den Um- und Neubau des Berliner Stadtschlosses; es sollte durch ihn europäischen Rang erhalten. Das Schloss war die Residenz der Hohenzollern als brandenburgische Mark­grafen und Kurfürsten, später als preußische Könige und deutsche Kaiser, im Rang die erste vor den Stadtschlössern in Potsdam und Königsberg. 1443-1451 begann Kur­fürst Friedrich II. Eisenzahn mit der Errichtung einer Residenz im Nordteil der Insel Cölln. Kurfürst Joachim II. ließ 1538-1540 auf den alten Mauern einen neuen Seiten­flügel und ein Quergebäude in Renaissanceformen errichten unter Leitung von Caspar Theyss. 1585-1595 entstand der 1885 teilweise abgebrochene Apothekerflügel. Unter Kurfürst Friedrich III. sollten nun die unterschiedlichen Baugruppen des 16. und 17. Jahrhunderts zur einheitlichen und repräsentativen Residenz umgebaut werden. Schlüter gestaltete die neuen Hof- und Aussenfassaden zu monu­mentalen Schauwänden. Mit dem später nach dem Baumeister genannten herrlichen „Schlüter-Hof“ und den Innenräumen wie das Haupttreppenhaus, der Paradekammer und dem Rittersaal entstanden wichtigste Werke des deutschen Barock.

Im gleichen Zeitraum von 1696-1708 plante Andreas Schlüter die Herstellung und Er­richtung eines Reiterdenkmals für den Großen Kurfürsten Friedrich Wilhelm. Mit der Berufung des Bronzegießers Johann Jacobi (1664-1726) an die brandenburgische Residenz im Jahre 1697 wurde eine Verwirklichung der Pläne Schlüters möglich. Jacobi hatte 1692 an der Herstellung des Reiterdenkmals Ludwigs XIV. in Paris durch den franzö­sischen Bildhauer François Girardon mitgewirkt. 1697-1698 stellte Schlüter die Guss­formen für Pferd und Reiter her, 1700 gelingt Jacobi der Gussdes Monuments, das 1703 eingeweiht wurde und auf der Langen Brücke am Stadtschloss Aufstellung fand. Die schon bei der Herstellung des Sockels berücksichtigten Gefesselten werden nach 1702 gefertigt, 1708 von Jacobi gegossen und 1710 dem Denkmal hinzugefügt. Die vier stark bewegten Sklaven verstärken den Eindruck von Entschlossenheit und Größe des Kurfürsten. Vom Typ des Reiterdenkmals sind sie eine Besonderheit. Der Kurfürst, teils in römischer, teils in zeitgenössischer Kleidung mit Kommandostab in der Rechten, erscheint als Sieger im Kampf und als Sieger in moralistisch-staatspolitischen Vor­stellungen. Das Monument ist das erste und mächtigste deutsche Reiterdenkmal der Neuzeit im Freien und das wesentlichste Werk der deutschen Barockskulptur. Als 1896 der ursprüngliche Standort erneuert wurde, lagerte man den Originalsockel ein. Seit1903 befindet er sich mit einer größengleichen Bronzekopie des Reiterdenkmals, ohne die Gefesselten, im heutigen Bode-Museum auf der Ber­liner Museumsinsel. Das im Zweiten Weltkrieg gerettete Originaldenkmal wurde 1951 im Ehrenhof von Schloss Char­lottenburg in Berlin aufgestellt.

1701 wurde Andreas Schlüter Mitglied der Akademie der Wissenschaften zu Berlin; von 1702-1704 war er Direktor der Akademie der Künste zu Berlin. Er schuf die Eingangs­pforte zur Familiengruft des Hofgoldschmieds Männlich in der Nikolaikirche in Berlin. Die Werkstatt lieferte für den ursprünglichen Bau der 1701-1702 von Martin Grünberg errichteten Berliner Garnisonkirche den sandsteinernen Taufstein (Berlin, Bode-Museum). 1702-1703 wurde in Marmor die Kanzel der Marienkirche in Berlin geschaffen. Für den Premierminister und Generalpostmeister Kolbe von Wartenberg baute Schlüter gegenüber dem Schloss am anderen Ufer der Spree die Alte Post. Bei ihrem Abriss 1889 wurden zwei von Andreas Schlüter für die Festräume entworfene Stuckdecken ausgebaut. Eine von ihnen befindet sich seit 1937 im Blauen Salon des klassizistischen „Palais amFestungsgraben“ in Berlin, die andere kam 1937 in das Märkische Museum, wurde magaziniert und befindet sich heute im Berliner Museum für Post und Kommunikation; ein Abguss dieser barocken Decke wurde 1987 im wieder errichteten Ephraim-Palais eingebaut. Um 1704 erschuf Schlüter in Bronze die Bildnisbüste von Landgraf Friedrich II. von Hessen-Homburg. 1705 wurde er mit dem Umbau des Stadtschlosses in Potsdam beauf­tragt; hier war bis zur Zerstörung vor allem der meisterhafte Figurenschmuck des Marmorsaales bemerkenswert. Für die am 1. Februar 1705 gestorbene preußische Königin Sophie Charlotte war in kürzester Zeit bis zur Beisetzung am 25. Juni 1705 der Sarkophag zu schaffen (Berlin, Dom). Später sollte als letztes Werk des Bildhauers in Berlin als Gegenstück der Sarkophag für König Friedrich I. folgen, nachdem 1708 der Kinder-Sarkophag für Prinz Friedrich Ludwig entstanden war, beide ebenfalls im Berliner Dom.

Schlüter sah sich einem intrigierenden Hof gegenüber. Bisher versuchten Neider vergebens, ihm Fehler und Fehlverhalten nachzuweisen. Die 1702 begonnene Errichtung eines Münzturmes am Schloss leitet die Wende im Leben des Architekten und Bildhauers ein. Nach zweijähriger Bauzeit wurde deutlich, dass der sumpfige Baugrund und technische Fehler ein Gelingen des fast hundert Meter hoch geplanten Turmes verhindern würden. Teile waren bereits eingestürzt, ein Abbruch des zu kühn erdachten und zu unkontrol­liert erbauten Turmes wurde aus statischen Gründen notwendig. Der König entließ Schlüter als Oberbaudirektor. Sein Nachfolger wurde Eosander von Göthe, der von 1706-1713 das Schloss nach Westen um einen neuen großen Hof herum erweiterte, die Front zum Lustgarten komplettierte und im Westen das großartige Triumphportal baute, 1713-1716 von Böhme vollendet. Eosanders Idee einer Schlosskuppel realisierte erst 1845-1853 unter König Friedrich Wilhelm IV. August Stüler nach einem Plan von KarlFriedrich Schinkel.

Andreas Schlüter hatte sich nach Freienwalde nordöstlich von Berlin zurückgezogen, übernahm jedoch noch Aufträge, die er mit Hilfe seiner intakt gebliebenen Werkstatt ausführte. Für Ernst Bogislav von Kamecke erbaute er 1711-1712 ein Landhaus in der Dorotheenstadt in Berlin. Von der im Zweiten Weltkrieg teilzerstörten und später abgerissenen Villa Kamecke sind einige Skulpturenreste im Bode-Museum in Berlin erhalten, u.a. Dachfiguren. Der preußische Justizminister Christoph von Katsch (1665-1729) ließ in seiner Herrschaft 1712 die Dorfkirche von Döberitz bauen. Für das 1713 eingeweihte Gotteshaus schufen Schlüter und seine Werkstatt aus Eichenholz eine umfangreiche Altaranlage. 1895 wurde die Kir­che wegen Anlage des Truppenübungs­platzes Döberitz auf­gegeben, und das Werk war von 1897-1936 in der Dorfkirche von Ferbitz. Als diese 1936 wegen Erweiterung des Truppenübungsplatzes ebenfalls abgeris­sen wurde, transferierte man den Kanzelalter an seinen heutigen Standort in die Dorfkirche von Haage im Havelland. 1713 folgte Andreas Schlüter fluchtartig einer Ein­ladung Peters des Großen nach St. Petersburg, starb dort jedoch schon im folgenden Jahr.

Andreas Schlüter war eine der bedeutendsten Persönlichkeiten des Barock. Sein Lebens­lauf verlief im Spannungsfeld des nordöstlichen Mitteleuropa von Danzig über Warschau nach Berlin und schließlich nach St. Petersburg. „Die Unvergleichbarkeit seiner Größe gilt innerhalb seiner Generation für ganz Europa“ (Wilhelm Pinder).

Bild: Berlin, Zeughaus, Maske eines sterbenden Kriegers, um 1696, Archiv des Autors.