Biographie

Schmid, Bernhard

1897 kam Bernhard Ernst Gustav Schmid als junger Baumeister, der zuvor im Rheinland tätig gewesen war, zur Marienburg, deren Wiederherstellung damals von Conrad Steinbrecht geleitet wurde. Es handelte sich um eines der umfangreichsten und prestigeträchtigsten Bauprojekte, die der preußische Staat betrieb.

Die Marienburg, am Ostufer der Nogat, von 1309 bis 1457 Residenz der Hochmeister des Deutschen Ordens – die zugleich Oberhaupt des Ordensstaates im Preußenland waren – zählt zu den größten Burganlagen Europas und gilt als kunstvollster Profanbau der Backsteingotik. Ihren Namen hat sie nach der Patronin des Ordens, der Gottesmutter Maria, erhalten. Der Landmeister des Deutschen Ordens in Preußen, Konrad von Thierberg, ließ um 1274 den Bau der Marienburg beginnen, nachdem man ca. zwei Jahre zuvor eine Bauhütte eingerichtet hatte, die ca. 4,5 Mio. Backsteine und Dachziegel produzieren musste, da es in Preußen kaum geeigneten Naturstein gab. Außerdem verwendete man Material – Holz – aus der Burg Zantir, dem bisherigen Verwaltungsmittelpunkt südlich der Marienburg, die der Orden wegen ihrer ungünstigen Lage nicht halten wollte und abreißen ließ.

Wie auch die übrigen Ordensburgen des Preußenlandes hatte die Marienburg mehrere Zwecke zu erfüllen: sie diente als Kloster, Wehranlage und Verwaltungssitz. Die Marienburg war als Sitz des Hochmeisters zugleich Residenz von weit überregionaler Bedeutung. Nach verschiedenen zweckfremden Nutzungen in der Nach-Ordenszeit, Veränderungen durch Umbau, Abriss und nach jahrzehntelangem Verfall, war die Wiederherstellung ein Mammutprojekt.

Bernhard Schmid, der nach seiner Schulzeit am Gymnasium in Kolberg (Abitur 1891) und dem Studium (Hochbau) an der TH Berlin 1895 in preußische Dienste getreten war, kam nach kurzer erster beruflicher Station als Regierungsbauführer in Koblenz nach Marienburg und war seit 1900 auch hier ansässig. Nach seiner Prüfung für den Staatsdienst 1899 hatte er als Regierungsbaumeister eine Anstellung bei der königlichen Schlossbauverwaltung erhalten.

Neben seiner Tätigkeit als Assistent Steinbrechts leitete Schmid 20 Jahre das staatliche Bauamt in Marienburg, war 1903-1941 Provinzialkonservator der Provinzen Ost- und Westpreußen. 1922-1945 war er als Nachfolger Conrad Stein­brechts Schlossbaumeister der Marienburg und trug den Titel Oberbaurat. Wie Steinbrecht stand auch Schmid weit über seinen 70. Geburtstag hinaus in staatlichem Dienst. Seine Tätigkeit wurde durch mehrere Auszeichnungen gewürdigt, er wurde u.a. Ehrendoktor der Königsberger Universität, der Albertina (1924), und später Honorarprofessor (1942). 1942 wurde er inoffiziell zum Ehrenbürger Marienburgs ernannt. Am 25.1.1945 verließ er gemeinsam mit seiner zweiten Ehefrau Marienburg. Über Danzig, Kolberg, Swinemünde und Greifswald gelangte er ins nordfriesische Husum.

Insgesamt 48 Jahre hatte er damit der Arbeit an der Marienburg gewidmet: Ihrer Wiederherstellung und der Erforschung ihrer Geschichte. Ihr heutiges Aussehen hat Schmid wesentlich mit geprägt. Darüber hinaus galt sein Wirken aber auch anderen Bau- und Kunstdenkmälern des Preußenlandes. So war etwa 1901 unter seiner Regie das 1899 abgebrannte Rathaus der Stadt Marienburg wieder aufgebaut worden.

Während seiner Tätigkeit an der Burg hatte Schmid eigene Schwerpunkte bei den Wiederherstellungsmaßnahmen gesetzt, legte mehr Gewicht auf bauliche Veränderungen der nachmittelalterlichen Zeit. Die Hauskapelle des Hochmeisters im Mittelschloss, Gräben und Mauern im südlichen Bereich der Burg oder die Wehranlagen der Vorburg ließ er erforschen und z.T. wiederherstellen. Auch die Ufermauer zur Nogat ließ er durch Ankauf und Abriss der dort vorgelagerten Wohnhäuser freilegen bzw. wiederherstellen.

Durch seine Arbeit an den Baudenkmälern des Preußenlandes hatte Schmid sich auch in dessen Geschichte vertieft, gehörte zu den Begründern der Historischen Kommission für ost- und westpreußische Landesforschung (1923). Zahlreiche Veröffentlichungen, nicht nur zur Denkmalpflege in Westpreußen, zeugen davon. Zu den umfangreichsten gehören drei Bände der Reihe Bau- und Kunstdenkmäler Westpreußens (s.u.), oder die Inventarbände Kulmerland und Pommerellen (1939) sowie Pomesanien und Oberland (1941). Mehrere Auflagen erlebte seine Schrift Führer durch das Schloß Marienburg in Preußen.

Als letztes Werk hatte er eine umfangreiche Darstellung der Burg geplant, musste aber die Unterlagen in Marienburg zurücklassen. Darum bereitete er zunächst eine Art Zusammenfassung vor bzw. hielt fest, was er aus dem Gedächtnis zusammentragen konnte. Seine Baugeschichte wurde dann nach seinem Tod von seinem Mitarbeiter an der Marienburg Karl Hauke (1925/26; später Schlossbaumeister in Heilsberg) bearbeitet. Dieser gab das Buch mit Unterstützung des Herder-Instituts und seines Leiters, Prof. Erich Keyser (vormals Danzig-Oliva), heraus. Es konnte 1955, acht Jahre nach Schmids Tod, erscheinen.

Werke (Auswahl): Baugeschichte der Marienburg, 1955. – Die Baumeister des Deutschordenslandes Preußen, Halle 1935. – Bau- und Kunstdenkmäler Westpreußens (Kreis Rosenberg 1906, Kreis Stuhm 1909, Kreis Marienburg 1919). – Die Befestigungsanlagen der Marienburg, 2. Aufl., Königsberg 1929. – Führer durch das Schloß Marienburg in Preußen. Berlin 1925.

Lit.: Karl Hauke, Vorwort, in: Die Marienburg. Ihre Baugeschichte, dargestellt von Bernhard Schmid, Schloßbaumeister der Marienburg. Aus dem Nachlaß herausgegeben, ergänzt und mit Abbildungen versehen von Karl Hauke, Würzburg 1955. – Bernhard Schmid, in: Götz v. Selle, Ostdeutsche Biographien. 365 Lebensläufe in Kurzdarstellungen, hrsg. vom Göttinger Arbeitskreis, Würzburg [1955]. – Rainer Zacharias, Neues Marienburger Heimatbuch, 1967. – N.N., Bernhard Schmid, in: Ostdeutsche Gedenktage 1972, hrsg. von der Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen, Bonn 1972. – Rainer Zacharias, Bernhard Schmid (1872-1947). Preußischer Landeskonservator und Baumeister der Marienburg, in: Bernhart Jähnig/ Georg Michels (Hrsg.), Das Preußenland als Forschungsaufgabe. Eine europäische Region in ihren geschichtlichen Bezügen, Festschrift für Udo Arnold zum 60. Geburtstag, hrsg. Lüneburg 2000, S. 689-714. – Rainer Zacharias, Kriegsalltag 1942-1945. Aus den Tagebuchaufzeichnungen des Konservators der Marienburg Bernhard Schmid, in: Westpreußen-Jahrbuch 51, hrsg. von Hans-Jürgen Kämpfert im Auftrag der Landsmannschaft Westpreußen, Münster 2001, S. 75-99. – Artur Dobry, Die denkmalpflegerische Tätigkeit Bernhard Schmids auf der Marienburg, in: Gerhard Eimer/ Ernst Gierlich (Hrsg.), Kunsthistoriker und Denkmalpfleger des Ostens. Ein Beitrag zur Entwicklung des Faches im 19. und 20. Jahrhundert, Bonn 2007, S. 111-117. – Berichte über Schmids Tätigkeit finden sich in den Schriften der Königsberger Gelehrten-Gesellschaft; persönliche Notizen sind im Marienburger Schlossmuseum erhalten; weitere Akten befinden sich im Staatsarchiv in Elbing; Schmids Aufzeichnungen aus den Nachkriegsjahren befinden sich im Herder-Institut in Marburg.

Bild: Schlossmuseum Marienburg.

Barbara Kämpfert