Biographie

Schmidt, Auguste

Herkunft: Schlesien (Ober- u. Niederschlesien)
Beruf: Frauenrechtlerin
* 3. August 1833 in Breslau
† 10. Juni 1902 in Leipzig

In den sechziger Jahren des 19. Jahrhunderts wirkten schlesische Männer und Frauen im gesellschaftlichen und politischen Leben Deutschlands besonders aktiv mit: Im Jahre 1863 gründete Ferdinand Lassalle aus Breslau den „Allgemeinen Deutschen Arbeiter-Verein“ und im Jahre 1866 Eduard Graf v. Bethusy-Huc aus dem Kreis Kreuzburg die „Freikonservative Partei“. 1865 rief Auguste Schmidt aus Breslau zusammen mit einer sächsischen Frauenrechtlerin den „Allgemeinen Deutschen Frauenverein“ ins Leben. Und ein Jahr später schuf Lina Morgenstern, ebenfalls eine Breslauerin, in Berlin die erste „Volksküche“.

Auguste Schmidt wurde am 3. August 1833 als Tochter eines preußischen Offiziers geboren, der in bezug auf die Ausbildung seiner drei Töchter sehr fortschrittlich dachte: Eine durfte Konzertsängerin werden, während die beiden anderen den Beruf einer Lehrerin ergreifen konnten. Die liberale Erziehung dieses schlesischenOffiziers und seiner Frau steht in krassem Widerspruch zu der immer wieder zu hörenden Behauptung, die Frauenemanzipation sei lediglich von unzufriedenen „alten Jungfern“ erkämpft worden.

Nachdem ihr Vater nach Posen versetzt worden war, besuchte Auguste Schmidt dort die Luisenschule und trat dann in das Lehrerinnenseminar ein, das sie nach sehr gut bestandenemExamen verließ. Der Polenaufstand von 1848, den sie in jener preußisch-polnischen Provinzhauptstadt bewußt miterlebte, prägte sie für ihr ganzes Leben. Sicherlich war sie froh, als ihr Vater 1850 den Abschied nahm und mit ihr nach Breslau zurückkehrte. Hier unterrichtete sie zunächst in einer Privatschule und später an der städtischen Maria-Magdalenen-Schule. Die strebsame Lehrerin legte bald ein weiteres Examen ab, das sie zur Leitung einer Schule befähigte. Die Arbeit in diesem Amt setzte ihr jedoch gesundheitlich derart zu, daß sie eine mehrmonatige Pause einlegen mußte.

Auf ihrer Erholungsreise kam Auguste Schmidt auch durch Leipzig, wo sie in der Folge blieb. Hier stellte sie die Leiterin eines angesehenen pädagogischen Instituts für junge Frauen als Lehrerin für Literatur ein. Die gebürtige Breslauerin baute diese Schule nicht nur weiter aus und gliederte ihr ein Lehrerinnenseminar an, sondern übernahm nach dem Tode der Gründerin auch die Leitung, die sie dann über zwei Jahrzehnte innehatte.

Anfang August 1864 lernte Auguste Schmidt in Leipzig die 14 Jahre ältere Luise Otto-Peters kennen, eine in Meißen geborene Juristentochter, die als Schriftstellerin für Demokratie und gleichzeitig für die rechtliche Besserstellung der Frauen eintrat. Beide Frauenrechtlerinnen schlossen sogleich Freundschaft, die volle drei Jahrzehnte bis zum Tode von Otto-Peters im Jahre 1895 anhielt. Sie ergänzten sich gut: Auguste Schmidt war eine ausgezeichnete Rednerin, weshalb ihr ihre Freundin, die eine gewandte Feder führte, manche Ansprache überließ.

Schon wenige Monate nach ihrer für die deutsche Frauenbewegung folgenreichen Begegnung hielten beide Anfang März 1865 in derLeipziger Buchhändlerbörse eine öffentliche Versammlung ab, in der zur Gründung eines Frauenbildungsvereins aufgerufen wurde. Auf Wunsch von Luise Otto-Peters übernahm Auguste Schmidt einen Vortrag über das Thema „Leben ist Streben“, in dem sie insbesondere dafür eintrat, ledig gebliebenen Frauen die Möglichkeit zur vollen Berufsausübung zu gewähren. Sie schloß mit dem Satz: „Wir verlangen nur, daß die Arena der Arbeit auch für uns und unsere Schwestern geöffnet werde.“ Nach der vollen Zustimmung der Teilnehmerinnen gründeten beide Freundinnen den „Leipziger Frauenbildungsverein“ und übernahmen dessen Leitung. Dieser Verein gilt als der erste Frauenverein, der kein Wohltätigkeitsverein war, sondern in erster Linie die Bildung und die Berufsmöglichkeiten der Frauen fördern wollte. Mit der Schaffung einer Stellenvermittlung, einer Kochschule, einer Bücherei u.a.m. leistete er echte Pionierdienste.

Mit dieser Neugründung schuf sich Leipzig den Ruf, der wichtigste Stützpunkt der noch jungen deutschen Frauenbewegung zu sein. So war es nicht verwunderlich, daß schon ein halbes Jahr später, Mitte Oktober 1865, in diese Stadt die erste deutsche Frauenkonferenz einberufen wurde. Wieder hielt die redegewandte Auguste Schmidt das Hauptreferat, in dem sie die natürliche Berechtigung der Frauen betonte, sich aus der bisherigen Unterordnung zu der ihnen gebührenden Gleichberechtigung neben dem Manne emporzuheben. Mehr als der „männliche Egoismus“, so führte sie aus, sei die Teilnahmslosigkeit derjenigen Frauen zu befürchten, „die sich in der ewigen Kindheit und Unterordnung glücklich und befriedigt fühlten“. Das eigentliche Problem der Frauen läge nämlich in der mangelnden Erkenntnis ihrer eigenen Lage.

Die Konferenz stellte einen ganzen Katalog von Forderungen auf, an deren erster Stelle Bildungseinrichtungen standen, sogar „weibliche Hochschulen für das Studium der Medizin und Philosophie“. Auf dem sozialen Gebiet sollten – wohl in Anknüpfung an Lassalle – „Arbeiterinnen-Assoziationen“ geschaffenwerden. Da sich der auf dieser ersten Frauenkonferenz ebenfalls von Auguste Schmidt und Luise Otto-Peters gegründete Vereinüber ganz Deutschland ausdehnen sollte, gaben sie ihm den Namen „Allgemeiner Deutscher Frauenverein“ (ADF). In den Vorstand wurde neben beiden Freundinnen auch Henriette Goldschmidt gewählt, die aus der Provinz Posen stammende Frau eines Leipziger Rabbiners. „Neue Bahnen“ hieß der programmatische Titel des Vereinsorgans, das ebenfalls das Führungsduo herausgab.

Auch wenn sich Auguste Schmidt noch so stark für diesen alle Frauen betreffenden Verein einsetzte, so vergaß sie dabei nicht die besonderen Anliegen ihres Berufsstandes. Im Jahre 1869 gründete die „innovationsfreudige“ Pädagogin zusammen mit einer anderen Kollegin den „Verein deutscher Lehrerinnen und Erzieherinnen“. Und als ob ohne Auguste Schmidt kein weiterer Frauenverein geschaffen werden konnte, leitete sie 1890 die Gründungsversammlung des „Allgemeinen Deutschen Lehrerinnenvereins“.

Ein Jahr später übergab die inzwischen 72jährige Otto-Peters aus gesundheitlichen Gründen den 1. Vorsitz des ADF an ihre Freundin, die bisherige 2. Vorsitzende. Um der in mehreren Einzelvereinen zersplitterten Frauenbewegung mehr Einfluß zu verschaffen, regte Auguste Schmidt deren Zusammenschluß in einem Dachverband an. Als im Frühjahr 1894 der „Bund deutscher Frauenvereine“ gegründet wurde, erhielt sie mit dessen Vorsitz ein weiteres Amt und wirkte somit gleichsam als oberste deutsche Frauenführerin.

Doch auf diesem Posten waren Auguste Schmidt nur noch wenige Jahre beschieden. Zum letzten Mal trat sie in der Öffentlichkeit auf, als die Teilnehmerinnen des Deutschen Lehrerinnentages zu Pfingsten 1901 die Wartburg besuchten. Mit großer Begeisterung dankten die Kolleginnen der schlesischen Frauenrechtlerin für ihre großen Verdienste um die deutsche Frauenbewegung.

Es mag sein, daß Auguste Schmidt von ihrer Freundin auch zur Schriftstellerei angeregt wurde. Jedenfalls veröffentlichte sie schon 1868 die Novellen „Tausendschönchen“ und „Veilchen“. Trotz ihrer zeitraubenden Ämter fand sie auch später noch Zeit zum Schreiben. 1895 erschien ihre Erzählung „Aus schwerer Zeit“. Diese literarischen Titel sind längst vergessen und heute kaum noch irgendwo auszuleihen.

Auguste Schmidt starb nach kurzer Krankheit 68jährig am 10. Juni 1902 in Leipzig. Beigesetzt wurde sie dort neben ihrer Freundin Luise Otto-Peters. Auf ihrem Grabstein standen folgende Worte: „Der geliebten Führerin, dem großen Menschen! Der Allgemeine Deutsche Frauenverein.“ Auch wenn sie im Gegensatz zu ihrer Freundin unverheiratet blieb, lebte sie nicht allein, sondern zusammen mit ihren beiden verwitweten Schwestern, die sie – vor allem Anna – in ihren Anliegen tatkräftig unterstützten.

Auguste Schmidt, die zum mittleren, dem gemäßigten Teil der Frauenbewegung zu zählen ist, hinterließ ein wohlgeordnetes Erbe, das die Oldenburger Lehrerin Helene Lange (1848–1930) übernahm. Der „Allgemeine Deutsche Frauenverein“ zählte etwa 14.000 und der „Allgemeine Deutsche Lehrerinnenverband“ sogar rund 20.000 Mitglieder.

Das erste große Verdienst dieser bedeutenden Schlesierin ist es, gemeinsam mit ihrer Freundin Otto-Peters die Frauenbewegung wiederbelebt zu haben, nachdem sie nach der mißglückten Revolution von 1848 vom Staat kompromißlos zurückgedrängt worden war. Als ihr zweites Verdienst darf ihr unermüdlicher Einsatz gerade für bessere Bildungsmöglichkeiten der Frauen angesehen werden. Zugleich dokumentiert Auguste Schmidt neben der Sozialpolitikerin Lina Morgenstern aus Breslau und der Sozialistin Emma Ihrer aus Glatz den großen, leider noch wenig erforschten Beitrag Schlesiens zur deutschen Frauenbewegung.

Lit.: Anna Plothow: Die Begründerinnen der deutschen Frauenbewegung, Leipzig 51907. – Martha Schmidt-Großrau: Auguste Schmidt, Leipzig 1933. – Ute Gerhard: Die Geschichte der deutschen Frauenbewegung, Reinbeck 1990. – Florence Hervé (Hg.): Geschichte der deutschen Frauenbewegung, Köln 61998. – Helmut Neubach: Die Arbeiter- und Frauenbewegung, in: Schlesien, hg. von W. Irgang, W. Bein u. H. Neubach (Deutsche Geschichte im Osten, Bd. 4), Köln21998, S. 191–197.

Bild: Archiv des Verfassers.

Helmut Neubach