Biographie

Schmidt, Carl Wilhelm

Herkunft: Donaugebiet
Beruf: Klavierbauer
* 20. Juni 1794 in Köthen/ Anhalt
† 8. Juni 1872 in Preßburg

Geboren wurde er als Sohn des Bildhauers Wilhelm Schmidt und dessen Ehefrau Luise Johanna geb. Lippold im anhaltinischen Köthen. Als Neunzehnjähriger floh Carl Wilhelm Schmidt 1812 vor der napoleonischen Conscription als Soldat und gelangte schließlich nach Wien, wo er nach diversen Gelegenheitsarbeiten bei Josef Wachtl innerhalb von zwei Jahren das Klavierbauerhandwerk erlernte und Flügel mit Wiener und englischem Mechanismus fertigte. 1818 wechselte er zu Breitkopf & Härtel nach Leipzig, kehrte aber nach kurzer Zeit wieder nach Wien zurück. Hier sollte er die Geschäftsleitung bei Beethovens Freund Conrad Graf übernehmen, dessen Klavierwerkstatt den Ruf der größten und renommiertesten Wiens und des Kaisertums hatte. Die Verbindung zu Conrad Graf sollte ein ganzes Leben bestehen, aber Schmidt wollte sein eigener Herr werden − als Klavierbauer im Wien dieser Tage unmöglich.

Als Schmidt wegen einer rheumatischen Erkrankung 1821 zur Kur in die heutige Slowakei nach Bad Pystian reiste, lernte er auf dem Weg in den Kurort die Stadt Preßburg kennen. Vielleicht auf Anraten Grafs suchte er dort Heinrich Klein auf, einen weiteren Freund Beethovens. Bei Klein machte Schmidt die Bekanntschaft seines späteren Freundes Dr. Michael Schönbauer, der bei Klein eine schriftliche Einladung für Schmidt erwirkte, sich in Preßburg niederzulassen − einer Stadt ohne Klavierbauer, aber mit musikliebender und wohlhabender Bevölkerung.

Schmidt ergriff diese Chance. 1822 ließ er sich in Preßburg nieder, um seine eigene Klaviermacherei zu eröffnen. Vermutlich durch die Verbindung zu Klein und Schönbauer kam Schmidt zu seinem ersten Auftrag: In einer bescheidenen Werkstätte fertigte er mit nur einem Gesellen ein Klavier auf Bestellung des Grafen Leopold Pálffy, Erbobergespan des Preßburger Komitats, das am 14. Februar 1823 für 600 Gulden ausgeliefert wurde. Durch die Empfehlung des Grafen hatte Schmidt bald alle Hände voll zu tun. Nachdem er 1825 das Bürgerrecht von Preßburg erhalten hatte, erwarb er 1840 das ehemalige Haus des Wolfgang von Kempelen sowie ein Nebenhaus. Er ließ beider Häuser großzügig renovieren und modernisieren sowie einen kleinen Saal einbauen, in dem künftig Konzerte der namhaftesten Künstler der Zeit abgehalten werden sollten, unter ihnen Johann Nepomuk Hummel und Clara Schumann. Auch Franz Liszt bevorzugte die Instrumente Schmidts: Sein Lieblingsinstrument war ein sechseinhalboktaviger Flügel aus Kirschbaumholz, das Piano op. 506, auf dem er zweimal öffentlich gespielt und zur Erinnerung auch seinen Namen auf dem Instrument verewigt haben soll.

Am 28. Juli 1825 heiratete Schmidt Lina (Carolina) Mainelli, deren Vater Giovanni aus Lucca stammte. Lina war das Mündel des lutherischen Predigers und Konsistorialrats Jakob Glatz und schenkte Schmidt vier Söhne und drei Töchter.

Im Januar 1860 übergab Carl Wilhelm Schmidt aus Altersgründen das Klaviergeschäft seinem ältesten Sohn Carl Jakob Schmidt. Bis Ende des Jahres 1859 hatte Schmidt insgesamt 1311 Klaviere mit Wiener Mechanik hergestellt, in den Jahren 1830 bis 1848 mit Unterstützung von 15 bis 20 Gesellen − so hoch war die Anzahl der Bestellungen, sollen doch um 1840 die Schmidt’schen Klaviere in den meisten Residenzen Europas bespielt worden sein.

Stets bestrebt, seine Erzeugnisse zu vervollkommnen, experimentierte Schmidt viel mit der Mechanik seiner Klaviere, auch mit dem Bau eines von ihm Aeolodicon genannten Instruments sowie mit gepressten oder gewölbten Resonanzböden der Klaviere. Er gilt als der Erfinder des Claviolins und wurde im Sommer 1846 bei der Ersten ungarischen Industrieausstellung in Pest mit einer Goldmedaille ausgezeichnet. Das von ihm während seines aktiven Geschäftslebens favorisierte Klavier mit Wiener Mechanik kam nach der Jahrhundertmitte außer Mode, und anhaltende wirtschaftliche Schwierigkeiten sollten seinen Sohn und Nachfolger Carl Jakob Schmidt 1877 schließlich zur Geschäftsaufgabe zwingen. Der Gründer der Klavierwerkstatt, in der einst das erste Preßburger Klavier entstanden war, hat dies nicht mehr erleben müssen.

Schmidt ist zweifellos der bedeutendste Klavierbauer aus dem Gebiet der Slowakei. Über 1300 Klaviere und Flügel haben seine Werkstatt verlassen, aber ihr Verbleib ist nur von einigen wenigen bekannt. Neben zwei Exemplaren im slowakischen Markušovce/ Marksdorf in der Zips und privaten Sammlungen weltweit hat das Pianoforte Nr. 1216 aus den späteren Jahren mit Elfenbein- und Ebenholztasten aus dem Besitz von Breda Zakotnik 1988 einen Platz im Kunitachi College of Music in Tokyo gefunden.

Lit.: Königlich Freistädtische Preßburger Zeitung, Jg. 76 S. 3 (28.2.1840). – Jahrbücher des deutschen National-Vereins für Musik und ihre Wissenschaft. Zweiter Jahrgang Nr. 27 vom 2. Juli 1840, S. 213. – Art. „Schmidt (Carl)“ in: Musikalisches Conversations=Lexikon. Encyklopädie der gesammten Musik-Wissenschaft für Künstler, Kunstfreunde und Gebildete, hrsg. von August Gathy u.a., 2. verm. und verb. Aufl. Hamburg 1840, S. 403f. – Art. „Die vaterländische Klavierfabrikation und die Instrumentenmacher Carl Schmidt Vater und Sohn“ in: Preßburger Zeitung, 92. Jg. Nr. 294 vom 21.12.1856, S. 3. – Die vaterländische Klavierfabrikation und die Instrumentenmacher Carl Schmidt Vater und Sohn (Schluß). In: Preßburger Zeitung, Jg. 92 Nr. 295 vom 23.12.1856, S. 2f. [Abdruck aus dem Pester Boten]. – Carl Eugen Schmidt, Alte Preßburger Geschichten neu erzählt. In: Neues Preßburger Tagblatt. Preßburger Zeitung vom 10.5.1934, S. 3-4 und 11.5.1934, S. 3-4. – Karl Benyovszky, Ein alter Pressburger Klavierbauer. Karl Schmidt, der Freund Hummels und Liszts. In: Grenzbote vom 11.4.1943, S. 6. – H. Reitterer, Art. „Schmidt, Carl Wilhelm“ in: Österreichisches Biographisches Lexikon. Bd. 10, S. 249. – Heike Drechsler-Meel, Und er war doch der Erste: Zum 150. Todestag des Preßburger Klavierbauers Carl Wilhelm Schmidt (1794-1872), in: Karpatenjahrbuch 2022, Jg. 73, Stuttgart 2021, S. 141-160.

Bild: Autorin

Heike Drechsler-Meel