Biographie

Schmiedeberg, Oswald

Herkunft: Baltikum (Estland, Lettland, Litauen)
Beruf: Pharmakologe
* 29. September 1838 in Gut Laidsen/Kurland
† 12. Juli 1921 in Baden-Baden

Im Jahre 1847 begründete der aus Bautzen gebürtige Professor Rudolf Buchheim (1820-1879) an der Universität Dorpat der Welt erstes Pharmakologisches Institut. Der hervorragendste unter seinen Schülern war Oswald Schmiedeberg. In Kurland geboren, Sohn eines Oberförsters, ist er im estländischen Permisküll am Oberlauf der Narve aufgewachsen. Er besuchte in Dorpat die Kreisschule, danach das Gymnasium, studierte Medizin von 1860-1866 und promovierte (1866) zum Dr. med. In den Jahren 1866-1868 arbeitete er am Pharmakologischen Institut bei Buchheim als Assistent, wurde 1867 Privatdozent und 1868 Dozent der Pharmakologie. Nach kurzem Studienaufenthalt in Leipzig kehrte er nach Dorpat zurück, wo er (1869) zum außerordentlichen und (1871) zum ordentlichen Professor der Pharmakologie, Diätetik und Geschichte der Medizin und zum Direktor des Pharmakologischen Instituts (Buchheim hatte Dorpat verlassen) ernannt wurde. Auch Schmiedeberg verließ Dorpat, als er im Jahre 1872 einem Ruf an die neugegründete Universität in Straßburg Folge leistete, wo er bis zum Jahre 1918 als Professor der Pharmakologie gearbeitet hat. Durch seine Übersiedlung nach Straßburg sei, so wird ihm nachgerühmt, die Dorpater Pharmakologie in der ganzen Welt ausgebreitet worden. Während seiner fast fünfzigjährigen Tätigkeit in Straßburg haben rund 100 aus 20 Ländern stammende Schüler bei ihm ihre pharmakologische Ausbildung erhalten. Etwa 40 pharmakologische Lehrstühle an Universitäten verschiedener Länder wurden mit unmittelbaren Schülern und Assistenten Schmiedebergs besetzt. Die pharmakologische Forschungsarbeit wurde nicht nur auf dem europäischen Festland, sondern auch im angelsächsischen Kulturkreis direkt oder indirekt von Schmiedeberg beeinflußt, wobei zu seinen Schülern u.a. der spätere Nobelpreisträger auf dem Gebiet der Neuropharmakologie Otto Loewi, Professor an der New York University, gehört. Forschungsprojekte, zu denen Schmiedeberg bereits in Dorpat den Anstoß gegeben hatte, wurden in Straßburg weitergeführt, so die Arbeiten über das Muscarin, das Atropin und – in Dorpat gemeinsam mit Ernst von Bergmann begonnen – über das Sepsin. Unter Schmiedebergs geistiger Führung entwickelte sich die junge Pharmakologie zu nie geahnter Blüte. Ein internationaler Kreis von Forschern scharte sich um ihn, jahrzehntelang ging jeder angehende Pharmakologe durch sein Institut, war fast jeder Pharmakologie-Professor ein Schüler Schmiedebergs. Schmiedeberg begründete mit Rudolf Naunyn, mit dem ihn seit der Dorpater Zeit – Naunyn war von 1869-1871 in Dorpat Professor und Direktor der Inneren Klinik – eine lebenslange Freundschaft verband, im Jahre 1873 das „Archiv für experimentelle Pathologie und Pharmakologie“. So war auch die Herausgabe dieser ersten und für einen langen Zeitraum einzigen Zeitschrift für Pharmakologie in der ganzen Welt die Realisierung einer in Dorpat gereiften Idee der beiden Freunde. Als bahnbrechender Vorkämpfer der modernen Pharmakologie hat Schmiedeberg zahlreiche pharmakologische, physiologische und chemische Abhandlungen verfaßt. Sein „Grundriß der Arzneimittellehre“, der im Jahre 1883 erschien, erlebte mehrere Auflagen und wurde in die meisten Kultursprachen der Welt übersetzt.

Schmiedeberg, der ledig war, blieb seiner estländischen Heimat, wo er stets seine Sommerferien zu verbringen pflegte, eng verbunden. Nach dem Ersten Weltkrieg, als Frankreich Straßburg besetzte, siedelte er im Jahre 1919 nach Baden-Baden über, wo er am 12. Juli 1921 verstorben ist. Schmiedeberg war Ehrendoktor der Universitäten Edinburgh und Bologna sowie korrespondierendes bzw. Ehrenmitglied wissenschaftlicher Akademien in Paris, Rom, Brüssel und Berlin.

Lit.: Deutschbaltisches Biographisches Lexikon 1710-1960 (Köln/Wien 1970); Roderich von Engelhardt: Die deutsche Universität Dorpat (Reval 1933); Hugo Semel: Die Universität Dorpat 1802-1918. Skizzen zu ihrer Geschichte (Dorpat 1918); Ilo Käbin: Die medizinische Forschung und Lehre an der Universität Dorpat/Tartu 1802-1940 (Lüneburg 1986).