Biographie

Schnee, Martha

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Herkunft: Posener Land
Beruf: Sozialpädagogin
* 18. Oktober 1863 in Bromberg
† 12. November 1939 in Bromberg

Die Familie Schnee stammte aus Sachsen-Anhalt. Marthas Vorfahre, Gotthilf Heinrich Schnee (1761-1830), war evangelischer Pfarrer in Heinrichsberg bei Burg und später in Schartau. Er betätigte sich auch als Schriftsteller schöngeistiger und landwirtschaftlicher Werke.

Zu seinen Enkeln zählen Reinhold Schnee und Dr. Heinrich Albert Schnee (1871-1949), der letzte Gouverneur der deutschen Kolonie Deutsch-Ostafrika. Heinrichs Vater war der Landgerichtsrat Hermann Schnee (1829-1901). Nach dem Jurastudium trat er in die Kolonialverwaltung im Auswärtigen Amt ein. Nach zahlreichen Stationen in den Kolonien und in London und Berlin wurde er 1912 Gouverneur von Deutsch-Ostafrika. Vor allem in den letzten Jahren konnte er sich nicht gegen den Kommandeur der Schutztruppe, General Paul v. Lettow-Vorbeck durchsetzen, obwohl er ein Gegner des Guerillakriegs war. Am 1919 mussten beide Kolonialbeamte Afrika verlassen. Heinrich Schnee betätigte sich seither politisch und war Reichstagsabgeordneter der Deutschen Volkspartei, wurde 1932 nach seinem Austritt sogar als möglicher Reichskanzler gehandelt. Seit 1933 war er als Mitglied der NSDAP erneut Mitglied des Reichstags. Er galt als eine der prominenten Persönlichkeiten des deutschen Kolonial-Revisionismus.

Sein Onkel, Reinhold Schnee, war preußischer Regierungsfeldmessers in Bromberg (Bydgoszcz), dem zweiten Sitz eines Regierungsbezirks in der Provinz Posen. Verheiratet war er mit Maria Osterroth. Am 18.10.1863 wurde in Bromberg ihre Tochter Martha Lina Ottilie Schnee geboren.

Für Frauen gab es im 19. Jahrhundert nur wenige berufliche Möglichkeiten außer dem Bereich des sozialen Engagements und der Arbeit als Lehrerin. Martha entschied sich ebenfalls für dieses Arbeitsfeld. Sie besuchte die höheren Mädchenschulen in Bromberg, um sich anschließend im Lehrerinnenseminar ausbilden zu lassen.

Da es im Kaiserreich nur wenige Stellen als Lehrerin gab, gründeten viele Töchter aus wohlhabenderen Häusern eigene Lehranstalten. Auch Martha gründete eine Privatschule in Bromberg und wäre wohl bis zu ihrer Pensionierung Lehrerin geblieben, wenn der Erste Weltkrieg ihre Heimat nicht vollständig verändert hätte und sie sich nach dem Friedensschluss von Versailles nicht in Polen wiedergefunden hätte. Ihre Schule musste sie 1918 mangels Schülerinnen aufgeben und unter polnischer Herrschaft gab es keine Möglichkeit mehr zur Fortführung.

Ende 1918 brach in Posen der Großpolnische Aufstand aus und die polnischen Insurgenten versuchten auch den sehr stark deutsch besiedelten Netzebereich zu erobern. Das Zentrum des Widerstands im nördlichen Bereich der Provinz Posen war Bromberg, wohin auch der Posener Regierungspräsident Dr. Friedrich v. Bülow (1868-1936) geflohen war ebenfalls als dortiger Regierungspräsident die Verwaltung und den Widerstand leitete.

Alle Erfolge und Bemühungen waren umsonst. Der Versailler Vertrag verfügte, dass Bromberg an den neu entstandenen polnischen Staat übergeben werden musste.

Auch Martha Schnee war patriotisch-kämpferisch eingestellt. Bereits im Ersten Weltkrieg war sie in der Wohlfahrtsfürsorge tätig. In Bromberg agierte sie als Vorsitzende des „Deutschen Frauenvereins zur Pflege und Hilfe für Verwundete im Kriege“, kurz „Vaterländischen Frauenvereins“ genannt. Der übergeordnete Verein war 1866 von der preußischen Königin Augusta gegründet worden.

Auch auf Reichsebene setzte sich Martha Schnee ein und war Reichsvorstandsmitglied des Verbandes fortschrittlicher Frauenverbände.

In der Krisenzeit nach dem Zusammenbruch als Folge des Ersten Weltkriegs wurde sie auch politisch als Sozialpädagogin tätig. In der politischen Vertretung der deutschen Minderheit in Polen war sie ebenfalls vertreten und gehörte zu den Mitgründern und war Vorstandmitglied der „Deutschen Vereinigung für Posen und Pommerellen“ (DV), die ihren Sitz in Bromberg hatte.

Für die Frauenarbeit gründete sie den Verein „Frauenwohl“, der bis zur Auflösung 1939 im „Deutschen Frauenbund“ aufging.

Bis 1934 leitete sie den „Deutschen Wohlfahrtsbund“ und die „Deutsche Nothilfe“. Sie setzte sich nach 1920 tatkräftig für die Gelange der deutschen Minderheit in Polen ein, was zur Folge hatte, dass sie unter Beobachtung der polnischen Geheimdienste und Polizei geriet. Ab Mitte der 30er Jahre erstellten die polnischen Behörden Listen von Aktivisten der deutschen Minderheit, die im Konfliktfall interniert werden sollten.

Dieser Fall trat 1939 ein. Bei Kriegsausbruch wurde auch Martha Schnee verhaftet. Es war vorgesehen, die zu internierenden in ein Sammellager nach Bereza Kartuska im Osten Polens zu bringen, doch die schnellen Erfolge der Deutschen Wehrmacht machten diese Pläne von Anfang an zunichte, denn die Eisenbahnlinien wurden binnen weniger Stunden zerstört. So war man seitens der polnischen Milizen gezwungen, die Verhafteten zu Fuß gen Osten zu transportieren. Diese sog. Verschleppungsmärsche erhielten in der Historiographie ihren Namen nach dem Ort, im dem die Befreiung gelang, im Fall von Martha Schnee war es der „Verschleppungsmarsch nach Lowitsch (Łowicz)“ – kurz vor Warschau. Viele der Verschleppten kamen bei diesen Märschen ums Leben oder konnten nur im schlechtesten Zustand befreit werden.

Auch der fast 73-jährigen Martha erging es so. Sie wurde nach Bromberg zurück gebracht, starb aber am 12.11.1939 an den Folgen der Entkräftung der Verschleppung.

Lit.: Bydgoski słownik biograficzny/praca zbiorowa pod red. Janusza Kutty (wydano z okazji 650-lecia Bydgoszczy). Bydgoszcz: Kujawsko-Pomorskie Tow. Kulturalne, Bromberg 1995-2000, 6 Bänden. – Joachim Heinrich Balde, Beiträge zu einem Biographischen Lexikon der Deutschen aus dem Raum der Provinz Posen, Herne 2003. – Hugo Rasmus, Posener Biographisches Lexikon; Martha Schnee, in: Kulturwart, Zeitschrift der Landsmannschaft Weichsel-Warthe, Nr. 156, August 1984, S. 22-23.

Martin Sprungala