Biographie

Scholz, Roman Karl

Herkunft: Sudeten (Böhmen u. Mähren, österr. Schlesien)
Beruf: Augustiner-Chorherr, Dichter und Widerstandskämpfer
* 16. Januar 1912 in Mährisch Schönberg
† 10. Mai 1944 in Wien

Roman Scholz starb mit 32 Jahren 1944 unter dem Fallbeil der Nazi-Henker als ein sudetendeutscher Priester und Augustiner-Chorherr, der österreichischer Widerstandskämpfer und auch ein begnadeter Schriftsteller war. Am 16. Januar 1912 in Mäh­risch Schönberg als Karl Scholz geboren, wuchs er als uneheliches Kind bei seinen Großeltern auf. Als Gymnasiast gehörte er zum sudetendeutschen Jugendbund „Staffelstein“, der als Ziel die religiöse Erneuerung der sudetendeutschen Volksgruppe hatte. Schon damals schrieb er Verse, die seine Freunde gut aufnahmen. Unmittelbar nach dem Abitur trat er 1930 in das Stift der Augustinerchorherren in Klosterneuburg ein, wo er den Ordensnamen Roman erhielt. In diesem Kloster waren damals mehr als die Hälfte der Patres Deutsche aus den benachbarten Ländern Böhmen und Mähren, auch der Abt. Im Jahre 1934 erschien der erste Gedichtband des jungen Lyrikers Feine ferne Dinge, der in Fachkreisen Anerkennung fand. Am 21. Mai 1936 wurde Roman zum Priester geweiht, nachdem nach einem Besuch im nationalsozialistischen Deutschland aus dem jungen Ordensmann ein entschiedener Gegner der Nationalsozialisten geworden war. Bis dahin hatte er wie viele Österreicher und Sude­ten­deutsche geglaubt, nur der Nationalsozialismus könne den Kommunismus abwehren. Hitlers rücksichtslose Gewaltpolitik öffnete ihm aber die Augen, so dass er sich empört von dieser Idee abwandte. Als Kaplan in Heiligenstadt, als Dozent für christliche Philosophie an der ordenseigenen Hochschule Klosterneuburg und als Religionslehrer am Klosterneuburger Gymnasium begeisterte Pater Roman viele junge Menschen. Für seine Mitbrüder hielt er damals einen Vortragszyklus über Rosenbergs Mythos des 20. Jahrhunderts. Als der Religionsunterricht am Gymnasium durch die nationalsozialistischen Machthaber eingestellt werden musste, sammelte P. Roman in Bibelstunden seine ehemaligen Schüler. Mit ihnen gründete er schon im Herbst 1938 nach dem Anschluss Österreichs eine Widerstandsgruppe gegen die Nationalsozialisten (die sogenannte „Österreichische Freiheitsbewegung“) und nahm Kontakte zu anderen Regimegegnern und zu den amerikanischen Konsulaten in Budapest und Preßburg auf. Durch einen eingeschleusten Spitzel, den Burgschauspieler Otto Hartmann, flog aber die Gruppe im Jahre 1940 auf und P. Roman wurde am 22. Juli 1940 verhaftet. Drei Tage nach der Verhaftung entstand sein Gedicht Gebet im Kerker. Nach harter Haft in Wien, Anrath und Duisburg-Hamborn erfolgte am 23. Februar 1944 in Wien das Todesurteil und am 10. Mai 1944 die Hinrichtung durch das Fallbeil. Vom Staat wurden für den Scharfrichter 30 Reichsmark in Rechnung gestellt. Am 12. Oktober 1945 wurde er in der Stiftsgruft in Heiligenstadt beigesetzt, nachdem sein Leichnam im Anatomischen Institut Wien aufgefunden worden war.

In der Anklageschrift vom 1. Dezember 1941 heißt es: „Der Angeschuldigte Scholz hat seit der zweiten Hälfte des Jahres 1938 zunächst unter dem Namen ‚Deutsche Freiheitsbewegung‘ und später auch unter der Bezeichnung ‚Österreichische Freiheitsbewegung‘ eine illegale Organisation aufgebaut, deren Ziel der Sturz der nationalsozialistischen Staatsführung, die Loslösung der Ostmark vom Reich und die Errichtung eines selbständigen österreichischen Staates auf demokratischer Grundlage gewesen ist. Nach dem Kriegsausbruch im September 1939 ist er ferner an Vertretungen feindlicher Mächte im Auslande zu dem Zweck herangetreten, diese für eine Unterstützung seiner umstürzlerischen Bestrebungen zu gewinnen …“  Als Ergebnis der Ermittlungen gegen Scholz und seine Mitangeklagten wird angeführt: „Der Angeschuldigte Scholz gründete, wie im Abschnitt II der Anklageschrift im einzelnen ausgeführt werden wird, etwa in der zweiten Hälfte des Jahre 1938, zusammen mit dem im Verfahren 8 J 95/41 ver­folgten Dr. phil. Viktor Reimann, in Wien unter der Bezeichnung ‚Deutsche Freiheitsbewegung‘ eine illegale politi­sche Organisation“.

Kurz vor dem Todesurteil schreibt P. Scholz am 15. Februar 1944: „… ich muß annehmen, daß man meine Person als (recht fadenscheinigen) Vorwand benützt hat, um den lange vorberei­teten Schlag gegen das Stift zu führen. Soll ich mich verteidigen? Ich meine, jeder Vorurteilslose weiß hier klaren Bescheid. Ich wage sogar zu sagen, daß mein Wirken und Tod, so Gott will, der Grund dafür sein wird, daß unser Haus glorreich wiederersteht … Was ich bisher durchgemacht, war ein Purgatorium. Was jetzt bevorsteht, gibt der Hölle nicht viel nach. Ohne Gottes Gnade wäre es nicht leicht zu tragen. In Ihm vermag man alles! So hoffe ich ungebrochen, wie bisher, das Ganze durchzustehen. Vergnügen ist der Henkertod ja keines, noch weniger das Auf-ihn-Warten. Aber ich weiß mich in bester Gesellschaft (in Gegenwart wie Vergangenheit). Ich weiß auch, wofür ich sterbe, für alles was groß und gut und edel ist, und zum guten Teil auch für Gottes Wort haßt man mich doppelt, weil ich Priester bin – neben meiner gefährlichen Geistigkeit mein Hauptverbrechen?
Nehmt meinen Dank für alles! In caritate Romanus.“

Vor der Hinrichtung schreibt er einem Freund: „… Was an Leid hinter mir liegt, war nicht mehr als eine Kraftprobe angesichts dieser allerentscheidendsten Entscheidung, vor der ich nun stehe. Erst einmal der Prozeß, diese widerliche Komödie – sinnvoll, daß sie am Faschingsdienstag beginnt und am Ascher­mittwoch endet! – die ich wehrlos über mich ergehen lassen muß. Nun, keiner der Meinen wird sich durch die Schmähung meiner Person im Glauben an mich irre machen lassen! Und nachher? Ich bin aus erster Quelle über alle Details im Bilde. Ich kann bloß eins sagen: einzig Teufel sind imstande, solche Methoden zu ersinnen, um Todgeweihten keine, aber auch keine Qual und Schande zu ersparen, ehe man sie schlachtet wie das liebe Vieh. Barmherziges Schweigen, Euretwegen! Ich sehe kalt und klar das Kommende. Ich weiß freilich, daß Du und Ihr alle das Menschenmöglichste tun werdet, mich zu retten. Ich wünschte, es gelänge Euch. Aber man will meinen Tod! Vergiß das nie! Nun, kull il allah! Alles steht bei Ihm! …“

Als Widerstandskämpfer wie auch als Priester und Dichter gehörte Scholz zu jenen, die schon vor dem Anschluss Öster­reichs das Antihumane am Nazismus klar erkannten, der deutsche Geschichte und Tradition für seine verbrecherische Politik missbrauchte. Als Dichter hat Scholz uns Verse geschenkt, die unvergänglich sind: voller Leidenschaft und Liebe, zarter Naturstimmung und Sehnsucht, voller Hingabe an Gott und weit über das Leben auf Erden hinausweisend. 158 solche Gedichte entstanden im Kerker, darunter auch das Gebet, das in manchen Anthologien des Widerstandes und seiner Opfer abgedruckt wurde:

„Du bist die Kraft, durch die ich alles trage.
Du bist die Wahrheit, die ich mutig sage.
Du bist das Leben, das ich sühnend gebe.
Du bist der Tod, aus dem ich ewig lebe.“

Im Kerker schrieb er auch die Novelle Goneril, die 1947 gedruckt wurde.

Während seiner langen Inhaftierung litt er unter Einsamkeit und Heimatlosigkeit und träumt vom Wienerwald. Der Gefangene besingt die Berge der Alpen und seinen Aufenthalt in England, der ihn entscheidend geprägt hatte. In Versen spricht er mit Rilke und Rodin. Am tiefsten und erschütterndsten sind aber seine Zwiesprachen mit Gott im Kerker. Summa vitae und Letzter Wunsch sind solche Gedichte, aber auch sein Testament:

„Ich werde immer bei euch sein.
Daß euren Sinn ich nach den Sternen richte.
In meinen Versen habt ihr meine Seele.“

Scholz schreibt im letzten Brief vor dem Tod: „… Nur noch Tage, oder richtiger Stunden, trennen mich von dem Augenblick, da man mich schert und wie einen Hund an die Kette legt. Dann ist für mich alles so gut wie zu Ende. Dann gibt es auch keine Möglichkeit mehr, Dir zu schreiben, Du Treuester und Getreuester. So wird dies denn mein unwiderruflich letzter Brief sein. Ich wollte, er würde darum mein schönster … Ich bin bereit! Seine Gnade wird mich geleiten bis zum Martertode. Das Menschliche in mir weint um das verlorene Leben. Will nicht recht begreifen, daß es wirklich soweit ist! Der Weise in mir lächelt, nimmt Abschied von allem, noch einmal, und blickt dann voran, fest und unerschütterlich, ‚knowing that death, the necessary end will come, when it will comen…‘. Der Heilige in mir jedoch, jenes winzige keimende Ding in meinem so sündigen Herzen, regt sich wie jauchzend, zum Flug ins große Licht. Und staunend stammelt er Gott seinen Dank für die größte aller Gnaden, die Er zu vergeben hat: Blutzeugnis ablegen zu dürfen für die Wahrheit, und dabei zu den Verbrechern gezählt zu werden wie Sein Sohn“.

Werke: Feine, ferne Dinge (Selbstverlag). – Goneril, Wien 1947. – Ich werde immer bei euch sein. Gedichte, Klosterneuburg 1994.

Lit.: Otto Molden, Der Ruf des Gewissens. Der österreichische Befrei­ungskampf 1938-1945, Wien 1956. – ÖBL, Bd. 2, Wien 1959, S. 251. – Benedicta Maria Kempner, Priester vor Hitlers Tribunalen, München 1966. – Christine Klusacek, Die österreichische Freiheitsbewegung Roman Karl Scholz, Wien 1968. – Rudolf Grulich, Sudetendeutsche Katholiken als Opfer des Nationalsozialismus, Brannenburg 1999. – NDB, Bd. 23, 2007, S. 461f.

Bild: Wikipedia gemeinfrei.

Rudolf Grulich