Biographie

Schön, Theodor von

Herkunft: Ostpreußen
Beruf: Politiker
* 20. Januar 1773 in Schreitlanken/Ostpr.
† 23. Juli 1856 in Arnau/Ostpr.

Theodor von Schön wuchs in Ostpreußen auf und wurde für seine Heimat, aber auch weit über deren Grenzen hinaus, mit seinen durchgeführten Verwaltungsreformen bestimmend – mit seiner Hilfe an den Reformen des Freiherrn vom Stein und dann seit 1824 als Oberpräsident in West- und Ostpreußen.

Der Sproß einer alten Domänenpächterfamilie studierte nicht nur Rechts- und Staatswissenschaften, sondern auch Philosophie bei Immanuel Kant an der Königsberger Universität und trat unmittelbar nach dem Studium, mit zwanzig Jahren, 1793 in den preußischen Staatsdienst, in einer Zeit, die in Preußen als Verfallszeit geschildert wird. Friedrich d. Gr. war lange tot, es regierte bis 1797 der Neffe, Friedrich Wilhelm II. – in Berlin wegen seiner Mätressenwirtschaft spöttisch der dicke Lüderjan genannt.

Dennoch darf nicht übersehen werden, daß in den 1790er Jahren auf Grund der beiden letzten polnischen Teilungen das Staatsgebiet sich erheblich erweiterte, dies auf Kosten Polens und unter Einbezug eines nun großen Anteils polnischer Preußen, was zu großen Verwaltungsreformen herausforderte.

Wenn auch nach 1806/07 und nach dem Wiener Kongreß 1814 weite polnische Teile, etwa das so genannte Neuostpreußen – zum künftigen Segen des preußischen Staates – wieder aufgegeben wurden, der preußische Staat sich vielmehr nach Westen in die Rheingegend verschob, ist doch darauf zu verweisen, daß die späteren preußischen Agrar- und Städtereformen, die mit den Namen des Freiherrn vom Stein und dem Grafen Hardenberg verbunden werden, in dieser Zeit der 1790er Jahre ihre Wurzeln haben.

Theodor von Schön spielte sowohl bereits hier als auch später als Mitarbeiter des Freiherrn vom Stein eine maßgebliche Rolle. Fußend auf den Idealen der Aufklärung Kantscher und Fichtescher Philosophie und Ethik, zugleich Pragmatiker und Praktiker, war er Mitträger der so genannten Immediatskommission der 1807 durchgeführten Agarreformen. Hintergrund war seine Auffassung, daß Freiheit des Einzelnen, Loslösung der bäuerlichen, in sich sehr differenzierten Bevölkerung, aus dem gutsherrlichen Bereich notwendig sei und ein freier wirtschaftlicher Wettbewerb den ländlichen und allgemein staatlichen Wohlstand auf allen Ebenen bedeuten müsse.

Im Edikt vom 9. Oktober 1807, „ … den erleichternden Besitz und den freien Gebrauch des Grundeigentums, sowie die persönlichen Verhältnisse der Landbewohner betreffend“, heißt es im 12. Paragraph: „Mit dem Martinstage eintausendachthundertundzehn hört alle Gutsuntertänigkit in unseren sämtlichen Staaten auf. Nach dem Martinstage (11.11.) gibt es nur noch freie Leute, so wie solches auf den Domänen in allen unseren Provinzen schon der Fall ist, bei denen aber, wie sich von selbst versteht, alle Verbindlichkeiten, die ihnen als freien Leuten vermöge des Besitzes eines Grundstückes oder vermöge eines besonderen Vertrages obliegen, in Kraft (bleiben).“

Freilich gab es auch kritische Stimmen. So etwa schrieb der General Friedrich August Ludwig von der Marwitz über das Edikt, mit dem „die Revolutionierung des Vaterlandes, der Krieg der Besitzlosen gegen das Eigentum …“ angefangen habe: „Zum Schluß folgte der pomphafte Ausruf: ,Mit dem Martinstage 1810 gibt es also in unseren Staaten nur freie Leute!‘, worüber die ldeologen und Philosophanten von der Garonne bis zum Niemen ein Loblied anstimmten und den Minister Stein verherrlichten – gleich als ob bis dahin irgendwo in unserem Lande Sklaverei oder Leibeigenschaft existiert hätte! Letztere fing vielmehr alsbald zu entstehen an, nämlich Leibeigenschaft des kleinen Besitzers gegen den Gläubiger, des Armen undKranken gegen die Polizei und Armenanstalten, denn mit der Pflichtigkeit war natürlich die Verpflichtung des Schutzherrn zur Vorsorge aufgehoben.“

Ein dem Land entsprechendes Edikt für die Freiheit der städtische Bevölkerung, die im Besitze des Bürgerrechtes war, wurde am 19. November 1808 vorgenommen. Die Zünfte wurden aufgehoben, der freie Wettbewerb – gemäß den Lehren von Adam Smith – sollte die Wirtschaft bestimmen.

Unwidersprochen blieben die Reformen nicht. Schön hatte Stein veranlaßt, sein so genanntes Testament zu verfassen, was insofern bedeutsam wurde, weil Stein, von „Nöppel“ – wie die Hohenzollernprinzen Napoleon im privaten Kreis spöttisch, aber auch ihre Ohnmacht dokumentierend nannten – „in die Acht erklärt“ worden war und 1808 den preußischen Dienst verlassen mußte. Er ging über Schlesien, Prag, Wien, schließlich als Berater zum russischen Zaren Alexander I., um dort eine russisch-deutsche Legion aufzubauen.

Zu Beginn der Befreiungskriege, d. h. nach der Konvention von Tauroggen am Ende des Jahres 1812, als der preußische General von Yorck mit dem russischen General von Diebitsch ein Abkommen abschloß, das dahin zielte, ein gemeinsames Vorgehen der Russen und Deutschen gegen die Franzosen zu vereinbaren, kam Stein sogleich nach Ostpreußen zurück.

Nun war Schön maßgeblich beteiligt an der Aufstellung der preußischen Landwehr, fußend auf den Militärreformen Scharnhorsts und Gneisenaus, deren Heeresreform darin gipfelte, den Soldaten und darüber hinaus die ganze Bevölkerung zu motivieren, in Verantwortung für ihr Land, zu kämpfen, was aber die Benennung der Würde des Soldaten voraussetzte.

Schön trat dem unter Steins Führung stehenden Zentralverwaltungsrat in Ostpreußen bei. Nach den siegreichen Befreiungskriegen setzten weitere, die Verwaltung betreffende Reformen ein, die von Ostpreußen auf das ganze Preußen ausstrahlten.

Die endgültige Trennung von Verwaltung und Justiz wurde 1808 in einer Neuordnung der Verwaltung durchgeführt. Die bisherigen Kriegs- und Domänenkammern nahmen den Namen Regierungen an und mußten sich jeder Justiz – auch in Verwaltungsaufgaben – enthalten. Die neuen Oberlandesgerichte, anstelle der alten „Regierungen“, waren nun ausschließlich für die Justiz zuständig, mußten sich jeder Verwaltungsaufgabe enthalten. Seit 1808 gab es in Ost- und Westpreußen die Oberlandesgerichte von Königsberg und Marienwerder und die Regierungen von Königsberg, Gumbinnen und Marienwerder.

Bei den neuen Regierungen gab es mehrere Abteilungen. Ziel war es, den Untertan nicht mehr zu bevormunden.

Man schuf 1810 versuchsweise das Amt des Oberpräsidenten. Erst 1815 wurde indes eine genauere Regelung hierfür geschaffen. Demnach war es Aufgabe der Oberpräsidenten, die Aufsicht über die Provinzialbehörden, die Regierung zu führen, und diese bei der Staatsregierung zu vertreten und aus der Praxis Anregungen zu geben. Verkehrspolitik, Schulwesen, die gesamte innere Struktur des Landes wurden nun reformiert, wobei u. a. auch Religionsfragen, gerade in Westpreußen zwischen Katholiken und Protestanten zu regeln waren.

Im Jahre 1816 wurde Schön Oberpräsident der neu gebildeten Provinz Westpreußen. Er bemühte sich u.a um die Wiederherstellung der Marienburg – eine Aufgabe, die ja schon Joseph Frhr. von Eichendorff forderte. Mit Sorge um die alte Ordensburg, die für ihn die Einheit des alten Ordenslandes symbolisierte, hat Schön immer wieder die Einheit Ost- und Westpreußens beschworen.

1824 wurde sein Wunsch nach Einheit erfüllt. Nach dem Abschied des Oberpräsidenten von Ostpreußen, Hans Jacob von Auerswald, aus dem Dienst vereinigte man die beiden Oberpräsidien von Ost- und Westpreußen in einer Hand – in der von Schön. 1829 wurde dann in Konsequenz durch Kabinettsbeschluß die Provinz Preußen geschaffen, beide Teile integrierend. Das blieb so für nahezu 50 Jahre, und Schön hat 18 Jahre lang die Provinz Preußen mit seinen inneren Verwaltungsreformen, dem Retablissement gestaltet. Er gab damit dem Lande eine Festigung, die weiter wirkte auf den ganzen Staat Preußen und auf Deutschland.

Pressefreiheit, die Einberufung der Generalstände, weitere liberale Wirtschaftsreformen, vor allem Reformen staatlicher Verwaltung, brachten Schön schließlich in Konflikt mit der – wie es heißt – „herrschenden Restauration“. Der noch im Jahre 1840 zum Staatsminister ernannte Schön wurde 1842 vom preußischen König Friedrich Wilhelm IV. entlassen. 1841 hatte Schön eine wesentliche Schrift veröffentlicht: „Woher und wohin? Oder der preußische Landtag im Jahre 1840.“ Es geht darin um die Forderung, den im Jahre 1815 zugesagten Landtag der Generalstände einzuberufen. Zum Schluß heißt es in der Schrift: „Die Zeit der so genannten väterlichen oder Patrimonialregierung, für welche das Volk aus einer Masse Unmündiger bestehen und sich beliebig leiten und führen lassen soll, läßt sich nicht zurückführen. Wenn man die Zeit nicht nimmt, wie sie ist, und das Gute daraus ergreift und in seiner Entwicklung fördert, dann straft die Zeit.“

Theodor von Schön starb 1856. Seine Forderung der Einberufung der Generalstände wurde als Kontrolle des Souveräns in Richtung einer konstitutionellen Monarchie interpretiert, dabei aber außer acht lassend, daß sie auch der möglichen, immerwährenden Gefahr einer Willkür der Verwaltung, gegen die Interessen der ganzen Bevölkerung gerichtet, Einhalt gebieten wollte.

Lit.: W. Maurenbrecher, Theodor von Schön, in: ADB, Bd. 32 (1891), S. 781-792. – K. v. Raumer, Schroetter und Schön, in: Altpreußische Forschungen, Bd. 18 (1941), S. 117-155. – Aus den Papieren des Ministers und Burggrafen von Marienburg Theodor von Schön, Bd. 1- 6 nebst Beilagen und Nachweisen, Halle 1875-1883. – M. Baumann, Theodor von Schön. Seine Geschichtsschreibung und seine Glaubwürdigkeit, Berlin 1910. – Bruno Schumacher, Geschichte Ost- und Westpreußens, Würzburg 1987. – Bern Sösemann (Hrsg.), Theodor von Schön. Untersuchungen zur Biographie und Historiographie, Köln 1996.

Bild: Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen.

Hubertus Neuschäffer