Biographie

Schröer, Karl Julius

Herkunft: Sudeten (Böhmen u. Mähren, österr. Schlesien)
Beruf: Literaturwissenschaftler, Volkstumsforscher
* 11. Januar 1825 in Preßburg
† 16. Dezember 1900 in Wien

Karl Julius Schröers Vater, Tobias Gottfried Schröer, war Direktor des Preßburger deutsch-evangelischen Lyzeums und in seiner Stadt eine bekannte Persönlichkeit. Karl Julius Schröer studierte Literatur und Sprachwissenschaft, unter anderem von 1843 bis 1846 auch in Leipzig, Halle und Berlin. Nach 1849 war er Professor für deutsche Sprache und Literatur in Pest, als Protestant an einer katholischen Universität. Dann kehrte er 1851 nach Preßburg zurück und nahm ein Schullehramt an.

In den folgenden Jahren betrieb Schröer die Erforschung des deutschen Volkstums in Ungarn, und zwar die der Volksdichtung, des Volkslebens (Mythos und Brauchtum) und der Volkssprache (Dialekt-Mundart). Im Rahmen dieser Forschungen entdeckte er in unmittelbarer Nähe Preßburgs die volkstümlichen Weihnachtsspiele von Oberufer. Er sammelte Handschriften, stellte textkritische Vergleiche an und veröffentlichte 1857/58 das Buch Deutsche Weihnachtsspiele aus Ungern. Auf diese Arbeit stützten sich viele, vor allem aber Schröers späterer Schüler in Wien, Rudolf Steiner, der nach dem Ersten Weltkriege die Freien Waldorfschulen begründete, in denen bis heute die Oberuferer Weihnachtsspiele gepflegt und aufgeführt werden. Ab 1915 führte Rudolf Steiner unter seiner persönlichen Regie die Oberuferer Weihnachtsspiele im Goetheaneum in Dornach/Schweiz auf, im Jahre 1919 wurden sie in der Stuttgarter Waldorfschule von Dr. Karl Schubert herausgebracht. Inzwischen sind die Spiele in unzählige Sprachen übersetzt und werden an vielen der 800 Waldorfschulen in der ganzen Welt gepflegt. Allerdings dürfte die eindrucksvolle Sprache des alten Dialekts aus Oberufer verlorengegangen sein. Die authentische Handschrift vom Oberuferer Bürger Michael Wendelin aus dem Jahre 1883 ist in Karlsruhe bei Landsleuten aus Oberufer noch vorhanden.

Die Forschungsarbeit von Karl Julius Schröer war sehr vielfältig: So veröffentlichte er 1855 denBeitrag zur deutschen Mythologie und Sittenkunde aus dem Volksleben der Deutschen in Ungern. In der Sprachforschung arbeitete er an einem Wörterbuch:Beitrag zu einem Wörterbuch der deutschen Mundarten des ungrischen Berglandes (1857/58). Dafür unternahm er Fahrten durchs Land, er kam aber über Sammlungen in allen Regionen nicht hinaus. K.J. Schröer wies darauf hin, daß es „eine höchst lohnende Arbeit wäre, alle diese alten Ansiedlungen von Dorf zu Dorf aufzusuchen, die Familiennamen, die Namen der Orte, Gassen, Felder, Berge etc. zu sammeln, durch Anknüpfung mit den Honorationen und Verkehr mit dem Volke zu gewinnen, was für Mythologie, Sittenkunde und Kenntnisse der Mundart zu gewinnen ist und Sammlungen anzuregen, einen Briefwechsel wo möglich anzuknüpfen, Archive der Obrigkeit, der Geistlichen und Familien einzusehen.“

Im Jahre 1859 schrieb Schröer einen Nachtrag zum Wörterbuch der deutschen Mundarten des ungrischen Berglandesund 1863 einen Versuch einer Darstellung der deutschen Mundarten des ungrischen Berglandes. Es folgten noch die Arbeiten Die Laute der deutschen Mundarten des ungrischen Berglandes ,Das Namenbuch der Deutschen des ungr. Berglandes (Personen- und Flurnamen) und ein Schriftdeutsch-mundartliches Wortverzeichnis. Schröers Helfer in den deutschen Sprachinseln waren Joseph Richter (Deutschproben), Erasmus Schwab (Kaschau) und Ernst Lindner (Kesmark).

Es wären noch mehr Veröffentlichungen, vor allem über sprachliche Forschungen aus seiner Preßburger Heimat zu nennen. Eine Reise führte Schröer 1867 nach Krain, wo er die Mundart von Gottschee untersuchte und im Wörterbuch der Mundart von Gottschee (1870) darstellte.

Wegen der politischen Entwicklung, vor allem der zunehmenden Madjarisierung seiner Heimat, meinte Karl Julius Schröer Ungarn verlassen zu müssen, und er ging 1860 nach Wien. Er war 1861 bis 1866 Direktor der Vereinigten evangelischen Schulen am Karlsplatz und arbeitete an Schulreformen mit. Im Jahre 1866 wurde er Professor für Literaturgeschichte an der Technischen Hochschule in Wien.

Hier tat sich Schröer besonders als Goetheforscher hervor. Er war 1878 Mitbegründer des „Wiener Goethevereins“, dessen Chronik er 1886 herausgab. Er kommentierte Goethes Werke und beschäftigte sich besonders mit der Faust-Forschung, die er in einer zweibändigen Faust-Ausgabe darlegte. Goethes Dramen gab er in sechs Bänden heraus. Schließlich bemühte sich Schröer um die Schaffung eines Goethe-Denkmals in Wien; es wurde 1894 öffentlich ausgeschrieben und von Edmund Hellmann geschaffen. Einen Tag vor Schröers Tod konnte es enthüllt werden.

Karl Julius Schröer hatte als karpatendeutscher Volkstumsforscher mit der Erforschung vieler Bereiche des Volkstümlichen begonnen. Vor allem lag ihm das Deutschtum in Ungarn am Herzen, wofür er auch Opfer zu bringen bereit war. Seine Beschäftigung mit Goethe zeigte ihn zeit seines Lebens dem klassischen Idealismus verpflichtet. So versuchte er auch als Lehrer, die höhere Bildung als ein humanistisches Ziel zu verwirklichen.

 Hans Kobialka