Biographie

Schuler von Libloy, Friedrich

Herkunft: Siebenbürgen
Beruf: Rechtshistoriker
* 13. Januar 1827 in Hermannstadt/Siebenbürgen
† 8. November 1900 in Wien

Friedrich Schuler von Libloy gehörte seinerzeit durch seine berufliche Tätigkeit und sein öffentliches Engagement nicht nur zu den bedeutendsten Intellektuellen seiner Vaterstadt, sondern hat sich darüber hinaus auch als Professor an der Universität Czernowitz sowie als Rechtsgelehrter und Verfasser von mehreren Werken zu gesamtösterreichischen sowie europäischen rechtsgeschichtlichen und staatsrechtlichen Fragen einen Namen gemacht, so daß er in dem großen biographischen Lexikon der „denkwürdigen Personen“ Österreichs von Wurzbach Aufnahme gefunden hat.

Friedrich Schuler von Libloy war der Sohn eines Kaufmanns und der Sproß einer Familie, deren Stammvater Urban Schuler, alias Libloy, durch König Mathias II. 1612 geadelt worden war und danach in Eperies (Ungarn) lebte. Dessen Urenkel ließ sich in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts in Hermannstadt nieder und war der Großvater von Friedrich. In Hermannstadt wurde die Familie lange Zeit als eine ungarische angesehen. Sie sprach nicht die hier übliche siebenbürgisch-sächsische Mundart, sondern hochdeutsch. Dazu vermerkt von Libloy 1857 in einem Brief an den Direktor des Germanischen Nationalmuseums in Nürnberg: „Obwohl ich noch sehr viele Sympathien für dies verbrüderte [ungarische] Volksthum habe…, fühle ich mich doch ganz als Deutscher und gehöre mit vollster Liebe einer Nation an, welcher ich meine Bildung verdanke.“

Friedrich Schuler von Libloy studierte nach Abschluß des Hermannstädter deutschen Gymnasiums an der dortigen siebenbürgisch-sächsischen Rechtsakademie, später in Wien und Graz Rechtswissenschaften. In seine Vaterstadt zurückgekehrt, wurde er 1851 an der nunmehr k. und k. Rechtsakademie zunächst als Supplent und dann als Professor für siebenbürgische Rechtsgeschichte und sächsisches Statutarrecht, nachher für protestantisches Kirchenrecht und Nationalökonomie angestellt.

Für die Siebenbürger Sachsen war dies die Zeit gewaltiger rechtlicher und politischer Umwälzungen. Seit 1848 bildeten sie nicht mehr eine privilegierte Standesnation, und im Jahre 1851, als Libloy seine Lehrtätigkeit aufnahm, wurde die Selbstverwaltung des Sachsenbodens aufgelöst und demzufolge 1853 das seit 270 Jahren geltende sogenannte siebenbürgisch-sächsische „Eigenlandrecht“, nach dem im Sachsenland Recht gesprochen wurde, aufgehoben und durch das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch Österreichs ersetzt. Der Sachsenboden wurde zwar für 15 Jahre (1861-1876) wieder hergestellt, ohne jedoch die vorherige Verwaltungsautonomie zu besitzen. Die Sachsen mußten sich nach dem Verlust ihrer Privilegien nach einer neuen „Wehrburg“ zum Schutz ihrer ethnischen Existenz umsehen. Sie fanden diese in der evangelisch-sächsischen Volkskirche und in einer verstärkten Hinwendung zum deutschen Mutterland.

Die siebenbürgische Rechtsgeschichte und das sächsische Statutarrecht, mit denen von Libloy seine Vorlesungen begann, fanden, wie gezeigt, schon nach zwei Jahren keine praktische Anwendung mehr, da das moderne österreichische Recht in der gesamten Monarchie eingeführt wurde. So ergab sich für ihn als neues Unterrichtsfach evangelisches Kirchenrecht. Nichtsdestoweniger hat sich Libloy gerade dadurch wissenschaftliche Verdienste erworben, daß er 1853 die Statuta oder das Eigenlandrecht der Siebenbürger Sachsen von 1583, in der lateinischen Fassung überarbeitet, glossiert und um verschiedene Novellen ergänzt, im Druck herausgab. Der Wert dieser Ausgabe besteht bis heute vornehmlich darin, daß sie die Quellen der Statuta vielfach nachweist, neben den deutsch-rechtlichen vor allem die des römischen Corpus iuris Justinianus. Ein Jahr später gab Libloy einen Leitfaden der Siebenbürgischen Rechtsgeschichte heraus. In den folgenden Jahren veröffentlichte er verschiedene Rechtsdenkmäler, vor allem Munizipalverfassungen von Städten und Statuten, von Stühlen, Nachbarschaftsordnungen und anderes. 1863 erschien von ihm eine Deutsche Rechtsgeschichte. 1871 gab er seine Vorlesungen über politische Ökonomie und protestantisches Kirchenrecht in Druck. Er wurde durch diese Veröffentlichungen zum bedeutendsten Rechtshistoriker der Siebenbürger Sachsen.

Schuler von Libloy war aber keinesfalls ein zurückgezogener Stubengelehrter, sondern äußerst aktiv im öffentlich-politischen, ökonomischen und kulturellen Leben. So gehörte er von 1863 bis 1864 als Abgeordneter der Stadt Sächsisch-Reen dem siebenbürgischen Landtag, seit 1865 dem österreichischen Reichstagund seit 1868 der Nationsuniversität, also dem höchsten Forum des Sachsenbodens, an. Auf kirchlichem Gebiet war von Libloy viele Jahre in den höchsten Gremien vertreten: als Referent im evangelisch-sächsischen Oberkonsistorium und nach dessen Umwandlung in ein Landeskonsistorium als dessen Mitglied. Dem Hermannstädter Presbyterium gehörte er natürlich auch an. Die evangelisch-sächsische Kirche konstituierte sich damals als eine Volkskirche, die nach der Auflösung der Nationsuniversität zum guten Teil deren Aufgaben übernahm. Im Jahre 1869 wurde von Libloy in die Hermannstädter Stadtvertretung (Kommunität) und 1868 in den Vorstand des Hermannstädter Gewerbevereins gewählt. In der letztgenannten Funktion hat er sich um eine würdige Vertretung der siebenbürgischen Industrie auf der Wiener Weltausstellung von 1873 bemüht. Daß ein Mann wie Schuler von Libloy auch in den Vorstand des Vereins für siebenbürgische Landeskunde und Naturwissenschaften berufen wurde, muß nicht besonders erklärt werden.

Dem Einsatz von Libloy ist es sodann zu verdanken, daß die Siebenbürger Sachsen unter allen Deutschen außerhalb der damaligen Reichsgrenzen zu den eifrigsten Förderern des im Jahre 1852 gegründeten „Germanischen Museums“ von Nürnberg gehörten. In einer Werbung für diese gesamtdeutsche Anstalt schrieb er 1857 im Siebenbürger Boten: „Wieder bietet sich Uns die Gelegenheit, das geistige Band, welches alle deutschen Stämme verbindet, auch um unseren Volksteil zu schlingen. Das germanische Nationalmuseum zu Nürnberg ist auch für den Siebenbürger Deutschen ein Mittelpunkt geschichtlicher Kunde seiner Vorzeit… Möchten die Deutschen im Karpathenlande dieses Werk des Friedens und der Ehre mitauferbauen helfen, damit der Genius des nationalen Fortschritts auch hier den seltsamen Rahmen einer gemeinschaftlichen Tat feiere und in weit auseinander liegenden Ländern geborene Söhne einer großen Nation sich als Glieder derselben erkennen.“ Aus diesem Bekenntnis zum Gesamtdeutschtum setzte sich Schuler von Libloy für die Zielsetzungen der Nationalanstalt in Nürnberg ein. Dank seiner Werbetätigkeit entstanden in Hermannstadt, Kronstadt, Schäßburg, Sächsisch-Reen, Mediasch und Bistritz sogenannte Pflegschaften des Nürnberger Hauses mit zahlenden Mitgliedern. Allein in Hermannstadt gab es im Jahre 1859 82 Mitglieder, in den anderen Städten durchschnittlich 15. Obwohl die Zahl der Mitglieder in den folgenden Jahrzehnten zurückging, haben die Pflegschaften von Hermannstadt und Kronstadt bis 1944 bestanden. Für seine Verdienste wurde ihr Initiator in den Gelehrtenausschuß des Germanischen Museums gewählt.

1875 wurde Libloy an die neu gegründete Universität von Czernowitz berufen, an der ihm der Lehrstuhl für deutsches Recht und Völkerrecht zugewiesen wurde. Gelegentlich übernahm er auch andere Fächer. Zweimal wurde er zum Rektor der Universität und fünfmal zum Dekan der Rechtsfakultät gewählt. Auf sein Ansuchen erfolgte 1895 die Versetzung in den Ruhestand unter gleichzeitiger Verleihung des Titels eines Hofrats. Er übersiedelte daraufhin nach Wien, wo er bis zu seinem Tode lebte. Auch während seiner Czernowitzer Zeit war Libloy weiterhin wissenschaftlich und schriftstellerisch tätig.

Werke: Statuta jurium municipalium Saxonum in Transilvania. Das Eigen Landrecht der Siebenbürger Sachsen bearbeitet nach seiner legalen Ausbildung als Grundriß für akademische Vorlesungen. Hermannstadt 1853. – Siebenbürgische Rechtsgeschichte. Ein Leitfaden für Vorlesungen über I. Geschichte der siebenbürgischen Rechtsquellen; II. Geschichte der siebenbürgischen Rechts-Institute. Hermannstadt 1854 (2. Aufl. 1867). – Kurzer Überblick der Literaturgeschichte Siebenbürgens von der ältesten Zeit bis Ende des vorigen Jahrhunderts. Hermannstadt 1857. – Volkszustände und Dorfeinrichtungen im deutschen Siebenbürgen. In: Anzeiger des Germanischen Museums. Nürnberg, 1857, S. 285-288, 327-329, 367-369, 401-402. – Merkwürdige Munizipal-Konstitutionen der Siebenbürger Szekler und Sachsen. Hermannstadt 1862. – Deutsche Rechtsgeschichte. Wien 1863. – Über das Verhältniß der Klein- und Großgewerbe mit Beziehung auf das Volksleben. Hermannstadt 1869. – Das ungarische Staatsrecht. Wien 1870. – Politische Ökonomie. Volkswirtschaftliche Hauptbegriffe und Grundlehren mit Rücksicht auf das gewerbliche Bedürfnis. Hermannstadt 1871. – Protestantisches Kirchenrecht vornehmlich das des evangelischen Augsburger Bekenntnisses in Siebenbürgen. Hermannstadt 1871. – Abriß der europäischen Staats- und Rechtsgeschichte. Berlin 1873/74.

Lit.: Joseph Trausch: Schriftstellerlexikon der Siebenbürger Deutschen. Bd. III, Kronstadt 1875, S. 229-240. – Friedrich Schuller: ebenda. Bd. IV, Hermannstadt 1902. S. 390-391 (Reprint, Köln-Wien, 1983). – Konstantin von Wurzbach: Biographisches Lexikon des Kaisertums Österreich… Bd. 32, S. 149-152. – Rotraut Sutter: Siebenbürger Sachsen in Österreichs Vergangenheit und Gegenwart. Innsbruck 1976, S. 143-144. – Michael Kroner: Das Germanische Nationalmuseum von Nürnberg und die Siebenbürger Sachsen. In: Zeitschrift für Siebenbürgische Landeskunde. Köln-Wien, Heft 1, 1981, S. 48-60.

 Michael Kroner