Im schlesischen Hermsdorf unterm Kynast, am Fuße des Riesengebirges, wurde Schwarz geboren – seine Heimat soll ihm einen unverwechselbaren Charakter verliehen haben. Ab 1860 studierte er an der Gewerbeakademie in Berlin, wo er das Examen als Gewerbelehrer ablegte. Er promovierte sodann 1864, ebenfalls in Berlin, im Fach Mathematik und habilitierte sich dort zwei Jahre später. Kurz wirkte er als Privatdozent und Lehrer, bis er 1867 Extraordinarius in Halle und 1869 Ordinarius am Eidgenössischen Polytechnikum in Zürich wurde. Von Zürich, der Stätte seiner fruchtbarsten Epoche, kam er 1875 nach Göttingen und 1892 als Nachfolger von Karl Weierstraß nach Berlin zurück. Als Schwarz 1921 starb, war er der letzte Gründer des Mathematischen Vereins Berlin, dem er 60 Jahre die Treue gehalten hatte. Schwarz war ein starker, kräftiger Mann von scheinbar unzerstörbarer Gesundheit, ein hochverehrter Lehrer bedeutender Mathematiker wie Const. Carathéodory u.a., ein Mensch von Ehrlichkeit, Hilfsbereitschaft und Klarheit. Sein polterndes Gebaren und sein naives, ungekünsteltes Wesen, das so manches aussprach, das andere ängstlich verborgen hätten, fand bei einigen Gemütern nicht immer volle Zustimmung. Als vorrangige Aufgabe sah es Schwarz an, den mit seinem Lehrer Weierstraß erreichten Stand der Exaktheit in der Mathematik aufrechtzuerhalten und weiterzuführen. In seiner Antrittsrede vor der Preußischen Akademie der Wissenschaften am 29. Juni 1893 nannte er selbst seine beiden Hauptarbeitsgebiete: die konforme Abbildungund die Theorie der Minimalflächen. Die Lehre von der konformen (d.h. winkeltreuen) Abbildung bereicherte Schwarz durch mehrere Sätze; ein dort gebräuchliches „alternierendes Verfahren" und der Nachweis, daß sich jedes ebene, einfach zusammenhänge Gebiet auf das Innere des Kreises abbilden läßt, gehen auf ihn zurück. Anwendung erfährt die konforme Abbildung in der Kartographie und vor allem in der Luftfahrt.
Die Erforschung der Minimalflächen, also jener Flächen kleinsten Inhalts zwischen vorgegebenen Berandungen, erreichte mit Schwarz einen gewissen Abschluß. Er stellte solche Flächen auch experimentell her, indem er etwa das Kantenmodell eines Tetraeders, seines Lieblingsbeispiels, in Seifenwasser tauchte und die sich bildenden Flächen beobachtete. Ganze 13 Jahre hat Schwarz sich solchen kleinstmöglichen Flächen gewidmet, dabei Differenzialgleichungen aufgestellt und diese mit seinen neuartigen Näherungsverfahren gelöst – heute kann man mit den leistungsstarken Rechnern die Zahlenwerte in jedem gewünschten Umfang schnell ermitteln, was ja auch selbst in Schulen gern betrieben wird. Die häufig verwendete „Schwarzsche Ungleichung", der „Satz von Schwarz über partielle Ableitungen", die Schwarzsehe Arcussinus-Formel, das „Schwarzsche Lemma", der „Große Schwarzsche Spiegelungssatz", seine Arbeiten zu den elliptischen Integralen und sein vollständiger Beweis für die isoperimetrische Eigenschaft der Kugel sind allen Mathematikern geläufig. Den von Schwarz in einem Brief von 1870 erstmals bewiesenen Satz, daß eine Kurve mit überall verschwindender Steigung eine horizontale Gerade ist, kennt heute jeder Abiturient. Jener Satz von 1875, daß es stetige Funktionen gibt, die in jedem Intervall unendlich oft differenzierbar sind und doch keine konstanten Funktionen darstellen, ist nicht so einfach nachzuvollziehen.
Gerade die kurzen Abhandlungen Schwarzens sind Juwelen, die mathematisch erzieherisch und wegweisend für seine Studenten waren und lehrreich für uns sind. Wenn Schwarz auch durchweg „reiner Mathematiker" war, gingen seine Überlegungen immer vom konkreten Problem aus. Zeitgeschichtliche Bedeutung erwarb sich Schwarz durch die von ihm fest verteidigte Klarheit, die in seinenTagen (und auch danach) den Deutschen abgesprochen wurde, weil sie begannen, sich zur Romantik zurückzuwenden und „falschen Göttern" nachzulaufen – was einzelne Zeitgenossen damals schon erkannten und wie es auch in der Gedächtnisrede auf Schwarz von Georg Hamel anklingt.
Werke: Schwarz, Hermann Amandus: Gesammelte Mathematische Abhandlungen. Berlin 1890.
Lit.: Baunbach Eckhard und Hoffmann Bernd: Seifenhautflächen in verschiedenen regelmäßigen Körpern, in: Praxis der Mathematik 30 (1988). – Hamel, Georg: Zum Gedächtnis an Hermann Amandus Schwarz. Jahresber. der Dt. Math. Vereinigung 32 (1923). – Meschkowski, Herbert: Denkweisen großer Mathematiker. Braunschweig 1961. – Sarton, George, The Study of the History of Mathematics. Cambridge (Mass.) 1936.