Biographie

Seliger, Max

Herkunft: Pommern
Beruf: Maler, Kunstgewerbler, Akademiedirektor
* 12. Mai 1865 in Bublitz/ Pommern
† 10. Mai 1920 in Leipzig

Max Seliger wuchs im Kreis von fünf Geschwistern auf, die zum Teil auch künstlerisch tätig waren. Nach der Grundschule kam er 1878 an das Realgymnasium nach Posen. 1885-1886 besuchte er die Kgl. Kunstschule in Berlin und trat dann 1885 in die Unter­richtsanstalt des Kunstgewerbemuseums Berlin ein, wo er bis 1889 u.a. bei dem aner­kannten Entwurfszeichner Emil Doepler und dem erfolgreichen, vor allem als Dekora­tionsmaler bekannten Max Friedrich Koch studierte. Seit 1894 unterrichtete er selbst in dem Fach figürlich-dekorative Wandmalerei an diesem Institut, wo auch zwei seiner Schwestern, Emma Derburg-Seliger und danach Ida Seliger die Fachklasse für Kunst­stickerei leiteten. Max Seliger wurde 1899 zum Professor ernannt und Nachfolger seines Lehrers M. F. Koch. Die Bedeutung der floralen Formensprache und der pflanz­lichen Ornamentik wurde ihm durch Moritz Meurer vermittelt, welchen er wohl vor dessen Übersiedlung nach Rom kennengelernt hatte. Im Jahre 1889/90 machte Max Seliger eine Italienreise. Zunehmend bekannt wurde er mit Entwürfen und verschiedenen Ausführ­ungen baugebundener Arbeiten in Berlin. Damals entstand manches in Zusammen­arbeit mit seiner Schwester Ida Seliger.

1901 wurde Max Seliger zum Direktor der „Kgl. Akademie für graphische Künste und Buchgewerbe“ in Leipzig berufen. Der Gründungsgedanke der Leipziger Akademie 1764 war eine Bindung an das Leipziger Gewerbe und die Buchherstellung, der dann im Laufe der Jahrzehnte verblasste. Da 1868 nur noch 27 Schüler unterrichtet wurden und 1871 nur noch ein Lehrer tätig war, wurde im Landtag ein Antrag zur Auflösung der Akademie gestellt. Durch Rückbesinnung auf die Gründungsaufgaben, mit Reorgani­sation und konsequentem Eingehen auf die Anforderungen der Zeit, bei einem breiten Ausbil­dungs­angebot, konnte die Schließung verhindert werden.

In der Zeit der Direktion von Max Seliger bis zu seinem Tod 1920 erfolgten weitere bedeutungsvolle Maßnahmen, welche der Akademie zu großem Ansehen verhalfen. Sei­ne Reformen bildeten eine Vorreiterrolle, auch im Sinne der späteren Werkbund-Be­we­gung. Dazu verfaßte er auch mehrere Schriften, u.a. Grundsätze für den Unterricht (Lpz. 1904), Die technischen Kurse der Vorschule der Kgl. Akademie für graphische Künste und Buchgewerbe (Lpz. 1921), Die schulgemäße Pflege der Technik zur Förde­rung un­serer Gewerbe- und Industriekunst (1913f), Die Schulwerkstätte und die Reform der kunstgewerblichen Erziehung (Lpz. 1919). „Außerdem untersuchte er die Verbin­dung von Schreibduktus mit künstlerischer Linie“ (J. Blume). Seine über das Pädago­gi­sche hinausgehende erkenntnistheoretische Schrift zu diesem Thema erschien posthum 1924. Entsprechend der weltweiten Bedeutung Leipzigs als Verlagsstadt, zu nennen seien in diesem Zusammenhang auch zahlreiche Musikverlage, erfolgte eine konse­quente An­passung des Lehrstoffes an die Anforderungen der modernen, sich rasch entwickelnden Buchindustrie in Bezug auf neue Entwicklungen von Druckverfahren bei einer quali­tät­vollen Buchgestaltung.

1905 wurden die ersten Frauen immatrikuliert; bereits 1913 studierten 134 Frauen gegenüber 178 Männern an der Akademie. 1907 erfolgte die Einrichtung einer eigenen Abteilung für Reproduktionsphotographie. Mit dem in der Akademie gegründeten „Ver­ein Deutscher Buchgewerbekünstler“ gewann das Institut weitere überregionale Bedeu­tung für den gesamten deutschen Sprachraum. Max Seliger sorgte 1912 auch für die ge­sellschaftliche Bedeutung der Akademie in der Stadt mit dem ersten Akademiefest, das in der Folge als Faschingsball zu einem gesellschaftlichen, ja kulturellen Ereignis wur­de. Zum 150-jährigen Jubiläum der Akademie 1914 begründete er die Leipziger Ausstel­lung für Buchgewerbe und Graphik (Bugra). Auch die „Mitteilungen der Kgl. Akademie für Graphische Künste und Buchgewerbe zu Leipzig“ wurden von Max Seliger einge­führt, welche zu einer besseren Wahrnehmung des Instituts beitrugen. Zwar wurde der Höhenflug der Akademie durch den Ersten Weltkrieg beendet, doch ergab sich dann besonders für die ersten Jahre danach noch einmal eine günstige Entwicklung in Folge der Inflation. Damals wurde der Geldentwertung wegen allgemein in Kunst und in künstlerisch gestaltete Druckerzeugnisse investiert, wodurch sich für die Künstlerschaft ein gewisser Erfolg durch Nachfrage einstellte und Absolventen der Akademie ihren Platz fanden.

Das künstlerische Schaffen von Max Seliger zeigt sowohl bezüglich des Stilistischen als auch im breiten Spektrum der von ihm bearbeiteten verschiedenen Gattungen und Gen­res große Vielseitigkeit: Gemälde, Zeichnungen, künstlerische Druckgraphik (V. Jahres­gabe der Freunde graphischer Kunst e.V. Leipzig), gebrauchsgraphische Ent­würfe, Vorlagen für Buch- und Textilgestaltung, Plakate, aber auch Entwürfe für groß­formatige, baugebundene Arbeiten wie Mosaiken, Wandgemälde und für Glas­fenster, u.a. im Zusammenarbeit mit den Werkstätten Puhl & Wagner, wie z. B. für die Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche in Berlin das Wandgemälde Barbarossa, Glasfenster und Mosaiken (1902), Gestaltung eines Sitzungszimmers im Berliner Reichstag, Wand­bilder in der Golgathakirche der Oranienburger Vorstadt und Mosaiken im Eingangs­bereich der Deutschen Bücherei in Leipzig (1916). Stilistisch gehören diese Arbeiten einer Ent­wicklung an, die verschiedene Elemente verbindet, herausgearbeitet aus grün­derzeit­lichem Bezug ohne besondere Seccesionsverbindungen zu einem Jugendstil von eher Ber­liner Prägung, zum Deutschen Idealismus tendierend, teils mit symbolistischer Aussage.

Für die Ausgestaltung des Deutschen Hauses auf der Weltausstellung 1893 in Chicago erhielt er Silberne Medaillen in „Fine Arts und Liberal Arts“. 1900 folgte eine Silber­me­daille der Bauhaus­ausstellung in Dresden und 1904 eine Goldene Medaille der Welt­ausstellung in St. Louis. Ein großer Erfolg war 1910 der Grand Prix bei der Weltausstel­lung in Brüssel und 1913 erhielt er die Goldene Medaille der Internationalen Buchausstellung Leipzig. Max Seliger besuchte immer wieder Pommern und die Ostsee und war auch in Ahrenshoop tätig. Dort entstanden besonders freie Arbeiten, wie Aquarelle (Landschaftsstudien, u.a. Kolberg, Rostock) und Zeichnungen (Figürli­ches, Porträts, Akte), mit welchen er „zu einem freieren Umgang mit Form und Farbe gefunden hat“ (J. Blume). Anläßlich seines Todes fand 1920 in der Akademie für graphische Künste und Buchgewerbe Leipzig eine Gedenkausstellung statt.

Max Seliger war Mitglied im Deutschen Künstlerbund, im Verein Deutscher Buchge­werbekünstler und im Deutschen Werkbund. Ein größerer Teil seines Nachlasses findet sich im Museum für Bildende Künste in Leipzig.

Lit.: Thieme-Becker. – J. Blume, Max Seliger, in: Allg. Künstler-Lexikon, Bd. 103 2019 S. 25. – Otto Schulze-Köln, Max Seliger, in: Deutsche Kunst und Dekoration 1899 S. 81-89. – Katalog Von Chodowiecki bis Liebermann. Katalog der Zeichnungen, Aquarelle, Pastelle und Gouachen des 18. und 19. Jahrhunderts, Berlin Museum 1990, S. 399. – Katalog der Gemälde. – Museum der Bildenden Künste Leipzig, Stuttgart 1995, S. 175.

Bild: Wikipedia gemeinfrei.

Helmut Scheunchen