Biographie

Splett, Carl Maria

Herkunft: Westpreußen
Beruf: Bischof von Danzig
* 17. Januar 1898 in Zoppot/Westpr.
† 5. März 1964 in Düsseldorf

Carl Maria Spletts Vater Franz Splett wirkte als Lehrer an der katholischen Volksschule in Zoppot, wurde in späteren Jahren deren Rektor und war als Mitglied der Zentrumspartei auch politisch aktiv, unter anderem 1920 bis 1926 als Abgeordneter und Vizepräsident des Danziger Volkstages. Von ihm erhielt Carl Maria seine erste Schulbildung. Danach besuchte er zusammen mit seinem jüngeren Bruder Alois vier Jahre das bischöfliche Konvikt in Konitz. Eine Erkrankung des Bruders führte zur Umschulung in das näher bei Zoppot gelegene Neustadt. 1914 setzten die Brüder ihre Schulbildung am königlichen Gymnasium in Danzig fort.

Nach dem Abitur trat Carl Maria Splett im Herbst des Jahres 1917 in das Priesterseminar der Diözese Kulm zu Pelplin ein. Als Studienschwerpunkt wählte er das Kanonische Recht; auch erlernte er im Seminar die polnische Sprache. Am 10. Juli 1921 empfing Splett im Dom zu Pelplin die Priesterweihe aus der Hand von Bischof Augustinus Rosentreter. Nach der Primiz in seiner Zoppoter Heimatpfarrei reiste Splett im Herbst 1921 nach Rom, um an der Gregoriana das Studium der Kanonistik aufzunehmen. Zu seinen Studienkollegen zählten Albert Stohr, der spätere Bischof von Mainz, und Andreas Rohracher, nachmals Erzbischof von Salzburg. Die Studienabschlüsse folgten rasch aufeinander: Juni 1922 Bakkalaureat, Februar 1923 Lizentiat, Juli 1923 Doktorat im Kanonischen Recht. Daran schlossen sich weitere Studien der Moraltheologie an der Gregoriana und des Römischen Rechts am Apollinare sowie ein Praktikum an der Sacra Romana Rota, dem päpstlichen Gerichtshof, an.

Noch während seines Romaufenthalts wechselte Splett aus dem Bistum Kulm in den Dienst der neu errichteten Diözese Danzig über. Nach der Rückkehr ernannte ihn Bischof Eduard O’Rourke zum Vikar an der Pfarrei Sankt Brigitten in Danzig, wo er von 1925 bis 1927 wirkte. Daran schlossen sich eine kurze Seelsorgetätigkeit als Vikar in der Landpfarrei Prangenau (Oktober 1927 bis März 1928) sowie ein Vikariat an Sankt Nikolai in Danzig an (April 1928 bis März 1935). Gleichzeitig war Splett Vizepräsident der Kolpingsfamilie, Diözesanvorsitzender der Borromäus-Gesellschaft und Notar am geistlichen Gericht des Bistums. Da er Bischof O’Rourke oft bei Visitationen begleitete, wurde er rasch in der ganzen Diözese bekannt und gewann Einblick in alle Bereiche der kirchlichen Verwaltung. Am 1. April 1935 berief ihn der Ordinarius zum Domkapitular und Dompfarrer an der Kathedrale zu Oliva. Unter anderem ließ Splett dort die berühmte Orgel restaurieren. Im Oktober 1936 übernahm er zusätzlich die Seelsorge bei der Kapelle von Glettkau.

Die Machtübernahme der NSDAP im Deutschen Reich hatte auch Auswirkungen auf die Freie Stadt Danzig. Bereits 1933 errangen die Nationalsozialisten im Danziger Senat eine knappe Mehrheit. Nach dem Rücktritt von Hermann Rauschning übernahm 1934 der Nationalsozialist Arthur Greiser das Amt des Senatspräsidenten. Die eigentliche Macht lag jedoch bei dem Gauleiter von Danzig, Albert Forster, wodurch die Innenpolitik der Freien Stadt seit Mitte der dreißiger Jahre faktisch von Berlin gelenkt wurde. Die katholische Kirche geriet unterimmer stärkeren Druck (Einschränkung des Vereinslebens,Verbot des Zentrums 1937), so daß Bischof O’Rourke, der auch persönlich angefeindet wurde, Anfang 1938 sein Amt niederlegte. Als Nachfolger war zunächst der Kulmer Domherr Franz Sawicki vorgesehen, doch sah sich der Heilige Stuhl veranlaßt, aufgrund massiven Drucks aus Berlin die schon vollzogene Ernennung zurückzunehmen. Auf Vorschlag des Warschauer Nuntius Cortesi ernannte Papst Pius XI. am 13. Juni 1938 Carl Maria Splett zum Bischof von Danzig. Die Bischofsweihe vollzog sein ehemaliger Kommilitone Albert Stohr am 24. August 1938 in der Kathedrale zu Oliva.

Obwohl mit den Danziger Verhältnissen bestens vertraut, trat Bischof Splett ein schweres Erbe an, zumal sich gerade im ersten Jahr seines Episkopats die politischen Spannungen in Danzig sowie zwischen dem Deutschen Reich und Polen verschärften. Davon besonders betroffen war die polnische Minderheit in Danzig, die fast ausnahmslos der katholischen Kirche angehörte. Der neue Oberhirte ließ es sich nicht nehmen, diesen Diözesanen im Herbst 1938 seine besondere Verbundenheit zu bekunden und sich anläßlich des Christkönigsfestes in polnischer Sprache an sie zu wenden. In zwei Hirtenbriefen (Oktober 1938 und Februar 1939) verurteilte er die Beschränkungen des schulischen Religionsunterrichtes und die Angriffe gegen kirchliche Würdenträger. Bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkrieges fanden in einigen Danziger Kirchen regelmäßig Gottesdienste in polnischer Sprache statt.

Mit Kriegsbeginn trat schlagartig ein völliger Wandel ein. Das Gebiet der Freien Stadt Danzig wurde Teil des Deutschen Reiches und mit dem zuvor polnischen Teil Westpreußens sowie dem Regierungsbezirk Westpreußen (Marienwerder) zum „Reichsgau Danzig-Westpreußen“ vereinigt. Am 6. September 1939 sah sich Bischof Splett zu der Anweisung gezwungen, bis auf weiteres alle polnischsprachigen Gottesdienste ausfallen zu lassen. Sieben der zwölf polnischen Priester seiner Diözese wurden ermordet, außerdem vier deutsche Geistliche. Bedeutete dies schon eine schwere Belastung für die bischöfliche Amtsführung, so kamen noch größere Probleme auf Splett zu, als ihn Papst Pius XII. am 6. Dezember 1939 zum Apostolischen Administrator der Diözese Kulm ernannte, wo die kirchliche Verwaltung völlig zusammengebrochen war und von 700 Priestern nur noch etwa 20 ihr Amt versehen konnten. In den folgenden Jahren gelang es Splett, in seinem Sprengel, der noch durch Teile anderer Diözesen erweitert worden war, wenigstens eine notdürftig funktionierende Seelsorge sicherzustellen. Allerdings war auch er machtlos gegenüber der nationalsozialistischen Besatzungspolitik. So mußte er im April/Mai 1940 den Gebrauch des Polnischen im Gottesdienst verbieten und die Entfernung polnischer Aufschriften, Kirchenfahnen usw. anordnen. Besonders zur Last gelegt wurde ihm später, daß er das Sprachverbot auch auf die Beichte ausdehnte. Wie mehrere Zeugen glaubhaft versicherten, bemühte sich der Bischof jedoch – teilweise in unmittelbarer Vorsprache bei der Gestapo –  die schlimmsten Auswüchse des Terrors zu mildern. Dadurch gestaltete sich das kirchliche Leben in Westpreußen erträglicher als im benachbarten „Warthegau“, wo Behörden und Partei eine brutale Vernichtungstaktik verfolgten.

Als sich im Februar 1945 die Rote Armee Danzig näherte, weigerte sich Splett, seine Diözese zu verlassen. Am 25. März 1945 wurde er in Oliva von sowjetischen Soldaten gefangengenommen, nach mehreren Verhören durch den sowjetischen Geheimdienst jedoch wieder auf freien Fuß gesetzt. Im Frühsommer 1945 führte er erste Schritte zum Wiederaufbau einer geordneten geistlichen Verwaltung in den Diözesen Danzig und Kulm durch. Auf Veranlassung des polnischen Justizministeriums wurde er am 9. August 1945 erneut verhaftet und nach einem Schauprozeß in Danzig am 1. Februar 1946 wegen Kollaboration mit dem nationalsozialistischen Regime und Unterdrückung des polnischen Volkes zu acht Jahren Haft verurteilt. Von 1946 bis 1953 war Splett im Zuchthaus Wronki bei Posen inhaftiert, wo er schwere Mißhandlungen erlitt. Auf die Haft folgte eine dreijährige Internierung im Kloster Dukla in den Beskiden. Das politische „Tauwetter“, das im Herbst 1956 in Polen einsetzte, brachte für Bischof Splett das Ende seiner Leidenszeit. Nachdem sich Kardinalprimas Stefan Wyszynski persönlich für seine Freilassung eingesetzt hatte, reiste Splett Ende 1956 in die Bundesrepublik Deutschland aus. Im März 1957 empfing ihn Papst Pius XII. in Privataudienz im Vatikan. Danach war Splett unermüdlich für die vertriebenen Danziger Katholiken tätig. Erst 66jährig, erlag er einem Herzleiden. In der Lambertuskirche in Düsseldorf wurde er beigesetzt.

Leben und Wirken Carl Maria Spletts entbehren nicht einer gewissen Tragik. Unter äußerst schwierigen Verhältnissen versuchte er, den ihm anvertrauten deutschen wie polnischen Katholiken ein guter Oberhirte zu sein und noch größeren Schaden von ihnen abzuwenden. Diese ‘Realpolitik’ wurde ihm nach dem Krieg als Kollaboration mit den Nationalsozialisten angelastet. Seine offizielle Rehabilitation steht noch aus.

Lit.: Franz Josef Wothe: Carl Maria Splett. Bischof von Danzig. Leben und Dokumente, Hildesheim 1965. –  Manfred Clauss: Der Danziger Bischof Carl Maria Splett als Apostolischer Administrator des Bistums Kulm, in: Zeitschrift für die Geschichte und Altertumskunde Ermlands 39 (1979), S. 129-144. – Ders.: Art. Splett, Karl Maria, in: Die Bischöfe der deutschsprachigen Länder 1785/1803 bis 1945. Ein biographisches Lexikon, hrsg. v. Erwin Gatz, Berlin 1983, S. 721-723. –  Stefan Samerski: Art. Splett, Carl Maria, in: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon, hrsg. v. Traugott Bautz, Bd. 10, Herzberg 1995, Sp. 1043-1046 (Bibliogr.). – Stanisaw Bogdanowicz: Carl Maria Antonius Splett. Danziger Bischof der Kriegszeit, Sondergefangener der VRP [Volksrepublik Polen], Danzig 1996.

Bild: Die Photographie wurde freundlicherweise vom Apostolischen Visitator der Danziger Katholiken, Johannes Bieler, Bremen, zur Verfügung gestellt, dem dafür an dieser Stelle herzlich gedankt sei.

 

  Barbara Wolf-Dahm