Biographie

Staeger, Ferdinand

Herkunft: Sudeten (Böhmen u. Mähren, österr. Schlesien)
Beruf: Maler, Graphiker
* 3. März 1880 in Trebitsch/Mähren
† 11. September 1976 in Waldkraiburg

Zum 125. Geburtstag von Ferdinand Staeger fand eine umfassende Ausstellung in Waldkraiburg statt, der letzten Lebensstation des Künstlers. Das Besondere dieser Ausstellung bestand darin, daß sie ausschließlich mit Leihgaben Waldkraiburger Bürger und der Stadt durchgeführt wurde. Mehrere hundert Personen besuchten die Ausstellungseröffnung, ein Andrang, vergleichbar den Vernissagen großer Kunstmuseen.

Es war eine umfassende Werkschau, die den weiten Bogen über 80 Jahre künstlerischen Schaffens von hohem Rang in tiefer Geistigkeit eines sich treu bleibenden, unabhängigen Wirkens spannte. Bereits die Arbeiten aus der Studienzeit der 1890er Jahren weisen auf einen genialen Künstler. Die Werke seiner zwölf Prager und des Wiener Jahres belegen, daß Betrachtungen zum Jugendstil der k.u.k.-Monarchie ohne Staeger inkomplett sind. Die Münchner Zeit vor dem Ersten Weltkrieg zeigt Staeger als einen herausragenden Mitarbeiter an Zeitschriften wie „Jugend“ oder „Meggendorfer Blätter“, dessen Ideenreichtum ein Begriff war. Seine Kriegszeichnungen aus dem Ersten Weltkrieg sind von Humanität geprägt. Zahlreiche Arbeiten aus der hohen Zeit der Druckgraphik nach dem Ersten Weltkrieg spiegeln großen Erfolg wieder, besonders zu nennen die Zyklen und Illustrationen zu Eichendorff, Mörike und Stifter sowie Mappenwerke: „Ein Sommernachtstraum“, „Gerhart Hauptmann“, „Meistersinger“ oder „Mozart-Opern“. Nach 1924 traten die druckgraphischen Arbeiten in den Hintergrund, da mit der Einführung der Reichsmark Kunstkäufe stark zurückgingen. Hauptsächlich Porträts und Landschaften entstanden in diesen Jahren. Nach dem Zweiten Weltkrieg schuf er besonders Gemälde mit symbolistischen Inhalten, die für sein Schaffen immer wesentlich waren. Als letzte Radierung entstand 1960 „Der alte Harfner“.

Ferdinand Staeger hatte mehrere Maler als Vorfahren, die in Iglau ansässig gewesen waren. Seine Begabung wurde früh erkannt und so kam er vierzehnjährig zur Ausbildung als Textilzeichner auf die Lehranstalt für Textilindustrie nach Brünn und 1896 an die Prager Kunstgewerbeschule zu Georg Stiebral und Jakob Schikaneder. Staeger blieb zwölf Jahre in Prag, nur das Jahr 1903 verbrachte er in Wien. 1904 schloß er sich dem „Verein deutscher bildender Künstler in Böhmen“ an. Er war ein geschätzter Illustrator bei Prager Zeitschriften deutscher aber auch tschechischer Sprache, wie „Swanda Dudak“ und „Zlatá Praha. Gewonnene Wettbewerbe des Brünner Erzherzog-Rainer-Museums brachten ihm die Förderung dessen Direktors Julius Leisching, der 1906 im Brünner Museum die erste Einzelausstellung Staegers zeigte. 1913 erschien die „Leisching-Mappe“ mit 10 Radierungen samt umfassenderer Monographie, welche den Auftakt zu einem riesigen Radier-Œuvre bildeten.

Die Prager Verhältnisse waren durch „das Aufleben des tschechischen Nationalismus verschärft … in den Národní Listy, der führenden Tageszeitung erschien eine Notiz: ,Der Verlag Topic beabsichtigt, Nerudas Kleinseitner Geschichten, unseren nationalen Schatz, von dem Burschak Ferdinand Staeger reich illustriert, herauszugeben. Wenn dieses Buch erscheint, muß es boykottiert werden.‘“ (Staeger/Mein Leben). 1908 verließ er Prag  mit seiner Frau, der Malerin Sidonie Springer, um in München bessere Existenzmöglichkeiten zu finden. Georg Hirth, der Herausgeber der Zeitschrift „Jugend“ wurde ihm zum Förderer, wodurch sich auch Aufträge führender Architekten wie Max Littmann oder Theodor Fischer ergaben. So hatte er 1908 Fresken in der Thomaskirche in Neuern im Böhmerwald gestaltet und mit 14 großen Tafeln die Musikfesthalle Fischers auf der Münchner Theresienwiese für die Gustav-Mahler-Festkonzerte 1908 ausgeschmückt. Anzumerken wäre, daß Staegers künstlerische Intention sich in vielerlei Bezügen mit den musikalischen Bestrebungen seines „kronländischen“ Landsmannes Gustav Mahler decken – seine Inhalte und die symbolhafte Verschlüsselung scheinen geradezu die Musik Mahlers zu illustrieren. In diesem Zusammenhang sei auch auf Staegers berühmtes Ölbild „Lied der Erde“ von 1904 hingewiesen – Mahlers „Lied von der Erde“ entstand 1908. Leider ließ sich ein Architekturauftrag nicht durchführen: die Ausmalung der Halle im „Wiesenstein“. Gerhart Hauptmann hätte gerne die Umsetzung des „Florian-Geyer-Blattes“ realisiert, aber die Wände waren bereits von Johannes Avenarius gestaltet.

Erfolgreich war die erste Hälfte der 1920er Jahre, mit repräsentativen Einzelausstellungen in vielen deutschen Städten und im Ausland (Österreich, Schweiz 1924, Spanien 1924, Niederlande). Letztere lassen die Wirksamkeit seines Schaffens in europäischer Dimension erkennen. 1934 wurde er von der tschechischen Künstlervereinigung „Myslbek“ nach Prag eingeladen, wo 167 Arbeiten gezeigt wurden. 1938 erhielt er eine Medaille bei der Pariser Weltausstellung.

„Zwangsläufig habe auch ich meinen Beitrag für die Kunst des ‚Dritten Reiches‘ geleistet. Im Grunde habe ich mich nie um Politik gekümmert, denn meine Tage und oft auch die Nächte waren von jeher nur der Kunst gewidmet und unausgesetzt von Arbeit erfüllt.“ (Mein Leben). 1939 wurden Künstlervereinigungen zwangsaufgelöst, auch die Münchner Künstlergenossenschaft. Im überfüllten Saal des Künstlerhauses meldete sich nur Staeger mit Protest zu Wort – bei der schriftlichen Abstimmung gab es nur eine Gegenstimme – seine. Durch seine religiösen Inhalte, durch eine „verweichlichte Ausstrahlung“ und das Trauernde der von ihm abgepressten „Kolonnenbilder“ hatte Staeger in diesen Jahren auch seine Widersacher, denn „Meinem ganzen Wesen nach muß ich Krieg und Gewalt verabscheuen.“ (Mein Leben). Einundsechzigjährig wurde er noch an die Ostfront geschickt. 1943 verlor er sein Münchner Heim im alliierten Bombenhagel. Viele Gemälde, Zeichnungen, Radierplatten und die persönliche Habe gingen zugrunde. Ein Teil des Schaffens hatte sich im Landstudio auf dem Rettenberghof erhalten, doch wurde auch dieses in den letzten Kriegstagen in Brand geschossen, so blieb ihm nur ein im Steigenberghof ausgelagerter Rest. „In bedrückender Enge“ lebte er dort 14 Jahre, bis ihm Freunde 1957, nach dem Tod von Frau Marie, zu einer anständigen Bleibe in Waldkraiburg verhalfen. Dort konnte er sich noch 20 Jahre seinem gedankenreichen Schaffen hingeben.

„Infolge der seit einigen Jahren eingetretenen hohen Wertschätzung und Rehabilitierung des Jugendstils kam auch mein Werk aus einer jahrelangen Isolierung wieder zu Ansehen“. (Mein Leben). 1965 wurde in seiner mährischen Heimatstadt Trebic/Trebitsch eine Straße nach ihm benannt. Übrigens fand auch dort 2005 eine Staeger-Gedenkausstellung statt. Weitere Auszeichnungen waren das Bundesverdienstkreuz, die Adalbert-Stifter-Medaille, der Ehrenbrief der Sudetendeutschen Landsmannschaft und der Große Sudetendeutsche Kulturpreis. Zum 95. Geburtstag erschien Herbert Wesselys Monographie, die Staegers autobiographische Skizze „Mein Leben“ enthält.

Werke Staegers finden sich in mehreren deutschen, österreichischen und tschechischen Museen sowie weltweit in graphischen Kabinetten. Nach seinem Tod fanden wiederholt Einzelausstellungen statt, ebenso sind heute seine Werke bei Auktionen sehr geschätzt. Begegnungen mit dem graphischen Werk ergeben sich häufig bei Ausstellungen zur Literatur (G. Hauptmann, J. v. Eichendorff, E. Mörike, A. Stifter u. a.).

Die für das 20. Jahrhundert dominante Kunstbewertung ist dem Außenseiter Staegers nicht verbunden, aber mit größerem Abstand verliert das einseitige Bewertungsraster „Modernität“ zunehmend an Bedeutung. Staegers Kunst wird noch für mehrere Stilepochen und Gattungen als bedeutend erkannt werden, nicht nur für den Jugendstil, sondern auch für den Symbolismus, die Neuromantik, die zeitkritische und phantastische Kunst, den Surrealismus sowie für die Radierung, Buchillustration und das Exlibris – abgesehen von der Dimension der Aussage zum ewig Menschlichen in seinem Werk, denn diese sollte als Hauptbewertungsmerkmal gelten. Immer staunenswert ist die Virtuosität und Präzision, deren sich Staegers große künstlerische Intention sicher sein konnte.

Lit.: Div. Lexika. – Katalog der Farbigen Kunstblätter aus der Münchner Jugend, München 1913. – Julius Leisching, F. Staeger, Mappe mit 10 Radierungen und Beiheft, Wien 1913. – Max Hayek, F. Staeger, Donauland Wien 1918/1919, H. 9, S. 1049ff. – Richard Braungart, Neuere Graphik von F. Staeger, Dekorative Kunst Apr. 1920, S. 205ff. – Reinhold Conrad Muschler, F. Staeger. Eine Monographie, Leipzig/Berlin 1925. – R. C. Muschler, F. Staegers Kunst, Augsburg 1931. – Szenam del souborne vystavy Ferdinanda Staegera, Kat. Prag 1934. – Fritz Stüber, Der Maler-Radierer F. Staeger, Kunst ins Volk, H. I/II Wien 1959 S. 23ff. – Liselotte Kopelka, F. Staeger. Zeichnungen aus dem I. Weltkrieg. Katalog Heeresgeschichtliches Museum Wien 1970. – Kat. Prof. F. Staeger. Kunstausstellung zum 95. Geburtstag, Haus d. Deutschen Ostens München 1975. – Herbert Wessely, F. Staeger. Mystischer Realismus, München 1975. – F. Staeger gestorben, Süddeutsche Zeitung 16.9.1976. – H. Wessely, Besuch b. F. Staeger, in: Begegnungen und Erkundungen, München 1982, S. 21ff. – Ders.: Frühe und letzte Jahre. F. Staeger, Mühldorfer Jahrbuch 1988, S. 41ff.

Helmut Scheunchen