Biographie

Stansel, Valentin

Herkunft: Sudeten (Böhmen u. Mähren, österr. Schlesien)
Beruf: Missionar, Mathematiker und Astronom
* 1. Januar 1621 in Olmütz/ Mähren
† 18. Dezember 1705 in Salvador/ Brasilien

Noch ehe seit 1678 mit Erlaubnis der spanischen Krone zahlreiche Jesuiten der böhmischen Ordensprovinz über Mexiko in verschiedene spanische Kolonien bis zu den Philippinen gingen, war mit Valentin Stansel schon fünfzehn Jahre früher ein mährischer Jesuit in Brasilien: Valentin Stansel, der nach dem Chinamissionar Wenzel Pantaleon Kirwitze aus Kaaden der zweite Jesuitenmissionar aus Böhmen und Mähren war.

„Natione Germanus, gente Moravus“ ist Stansel 1621 in Olmütz geboren. Er wurde mit sechzehn Jahren am 1. Oktober 1637 in den Jesuitenorden aufgenommen und war bis 1639 in Brünn im Noviziat. Philosophie studierte er 1640 bis 1642 in Prag, wo er dann auch vier Jahre am Kolleg unterrichtete und von 1647 bis 1650 sein Theologiestudium absolvierte. 1652 finden wir ihn als Lehrer am Jesuiten-Kolleg Krummau. Nach dem Terziat 1653 in Jitschin lehrte er 1654 in Olmütz und 1655 in Prag Mathematik. Am 24. Februar 1652 (von Prag aus) und am 20. März 1655 (von Olmütz aus) bat er um Erlaubnis, in die Mission gehen zu dürfen, was ihm 1656 gewährt wurde. Im Zentralarchiv der Gesellschaft Jesu in Rom ist in den Briefen der „Indipetae“ sein Bittbrief an den Orden erhalten, denn nur der Ordensgeneral bestimmte darüber. Stansel war eigentlich für China bestimmt und reiste 1656 nach Portugal, um sich vorzubereiten und Sprachkenntnisse anzueignen. Lange fand sich aber keine Gelegenheit für ihn, nach China zu kommen, so dass er 1663 nach Brasilien ging. In der Zwischenzeit lehrte er Mathematik und Militärarchitektur in Lissabon und Astronomie in Evora. Seine in Portugal entstandenen wissenschaftlichen Werke und Abhandlungen publizierte er nun unter dem Namen Estancel. In Brasilien lehrte Stansel, der sich nun auch de Castro nannte, nach ersten Monaten der Seelsorge im Landesinnern am Kolleg von Salvador (Baía) Moraltheologie und war seit 1694 auch Rektor dieses Kollegs. Er starb am 18. Dezember 1705.

Stansels besonderes Forschungsinteresse gehörte der Astronomie, was sich vor allem in der intensiven Beobachtung von Himmelskörpern niederschlug. Seine zahlreichen wissenschaftlichen Untersuchungen sandte er zur Veröffentlichung nach Europa. Am 5. März 1668 entdeckte er einen (später auch nach ihm benannten) leuchtenden Kometen, was auch Isaac Newton in seinem 1687 erschienenen Hauptwerk Philosophiae Naturalis Principia Mathematica erwähnt. Stansel hat eine Reihe von gedruckten Werken hinterlassen. Zu seinen Lebzeiten sind bereits gedruckt worden:

  1. Dioptra geodaetica, Prag 1653.
  2. Propositiones selenographicae seu de luna, Olmütz 1665.
  3. Orbe Alfonsio ou Horoscopio universal, Evora 1658.
  4. Mercurius Brasilicus Coeli et soli Brasiliensis oeconomia, Evora 1664.
  5. Zodiacus Divini Doloris, Evora 1675.
  6. Legatus Uranicus ex Orbe Novo in Veterem i.e. observationes Americanae Cometae 1664, Prag 1683
  7. Uranophilus coelesti peregrinus, Gent 1685.

Er hinterließ folgende ungedruckten Werke:

  1. Tiphus Lustiano ou Regimento Nautico Novo o qual ensina tomar as alturas, descubis os meridianos e demarcar as variacoens da agulha a qualquer hora do dia e noite. Com hum discuso practico sobre a navegacao de l’este a Oeste. Zwei Kapitel daraus hat Joaquim de Cavalho 1949 in der Zeitschrift „Biblos“ in Coimbra ediert.
  2. Vulcanus Mathematicus.
  3. Novum Phaenomen Coeleste.
  4. Tiphus Spiritualis.
  5. Clavis Regia Triplicis Paradisii nempe Terrestris, Allegorici et Coelestis.
  6. Discurso astronomico sobre o Cometa aparecido em Pernambuco no dia 6 de Dezembre de 1689.

Sein aus Komotau stammender Landsmann Johann Gintzel, der nach Brasilien kam, erwähnt in seinem Brief aus Baía, dass Stansel bisher nie in seine Heimat geschrieben habe. Er tat dies aber nach Rom, wo eine Vielzahl seiner Briefe erhalten ist.

Im Archivum Romanum Societatis Jesu befinden sich folgende Briefe an den Ordensgeneral:

  1. Vom 12. November 1661 aus Baía. Er verteidigt darin P. Jakob Roland und dessen Missionen.
  2. Vom 18. Juli 1692 aus Baía. In ihm widmet er sein Werk Tiphus Spiritualis dem General und bittet um Druckerlaubnis dafür.
  3. Vom 30. Juni 1696 aus Baía. In diesem Brief geht es um die Ablösung des P. Socius der brasilianischen Provinz „propter infirmitatem“.
  4. Vom 27. Juli 1697 aus Baía. Stansel bittet um Druckerlaubnis zweier früher übersandter opuscula.
  5. Vom 25. Juni 1698 aus Baía. Der Brief ist eine Stellungnahme gegen das Werk Clavis Prophetarum des P. Vieira.
  6. Vom 21. August 1700 aus Baía.

Neben diesen auch von Serafim Leite aufgezählten Briefen sind Stansels Briefe an den berühmten Gelehrten Athanasius Kircher zu nennen, die sich in dem immensen Corpus der Kircher-Korrespondenz im Archiv der Gregoriana befinden und auf deren Missionalia Josef Wicki aufmerksam gemacht hat.

Stansel schrieb an Kircher folgende Briefe:

  1. Aus Lissabon vom 26. März 1659. Stansel berichtet von zweimaliger Krankheit, vom Krieg zwischen Spanien und Portugal und dass er in Lissabon Militärarchitektur und Geometrie vorgetragen habe.
  2. Aus Lissabon vom 25. Juni 1660. In diesem Antwortbrief schildert er, dass er mit Beichthören und mathematischen Studien beschäftigt sei.
  3. Aus Baía vom 21. Juli 1664. Stansel meldet Kircher, dass er statt nach China nach Brasilien gesandt sei und zunächst im Landesinneren Portugiesen und Schwarze aus Angola seelsorglich betreut habe, dann aber als Professor für Moral ins Kolleg nach Baía berufen worden sei. Er hoffe, dass sein Werk Coeli Brasiliensis Oeconomia bald in Flandern gedruckt werde.
  4. Aus Baía vom 4. August 1664. In Bezugnahme auf den vorigen Brief schickt er die Widmung des Werkes Coeli Brasiliensis Oeconomia für den General und ein Prooemium eiusdem operis ad lectorem. Stansel gibt auch Angaben über die Indianermission, die am Maranhao zusammengebrochen war.
  5. Aus Baía vom 10. August 1664. Er schildert die Indianermission, berichtet vom Krieg gegen die Holländer und die Mondfinsternis in Baía vom 6. August des Jahres.
  6. Aus Baía vom 10. August 1666. Von diesem Brief erhalten ist nur der Schluss bezüglich der Mondfinsternis 1664.
  7. Aus Baía vom Juni 1669. Stansel will zwei Bücher drucken lassen, darunter das Regimen nauticum. Die Holländer kämpfen immer noch in Brasilien.
  8. Aus Baía vom 9. Juni 1670. Sein Buch über den Kometen ist fertiggestellt. In Europa bestellte Büchersendungen hat er noch nicht erhalten.
  9. Aus Baía vom 20. April 1676. Stansel wartet seit Jahren auf Kirchers Antwort. Er habe den Mercurius Brasilicus dem Ordensgeneral geschickt, aber keine Antwort oder Nachricht, ob er gedruckt sei.

Lit.: Anton Huonder, Deutsche Jesuitenmissionare des 17. und 18. Jahrhunderts. Ein Beitrag zur Missionsgeschichte und zur deutschen Biographie. Ergänzungshefte zu den Stimmen aus Maria Laach, Bd. 74, Freiburg i. Breisgau 1899. – Rudolf Grulich, Der Beitrag der böhmi­schen Länder zur Weltmission des 17. und 18. Jahrhunderts, Königstein 1981.

Rudolf Grulich