Biographie

Starke, Gotthold

Herkunft: Pommern
Beruf: Redakteur, Schriftsteller, Diplomat
* 27. Januar 1896 in Runowo/Kr. Wirsitz
† 27. November 1968 in Bonn

Sein Herkommen aus dem evangelischen Pfarrhaus hat den vielseitig begabten Gotthold Starke in allen Lebenslagen geprägt. Sein Vater war Pfarrer, seit 1907 Superintendent in Czarnikau, seine Mutter die jüngste Tochter des Generalsuperintendenten der Provinz Posen, Johannes Hesekiel. Die Schulzeit am Auguste-Victoria-Gymnasium in Posen endete 1914 mit dem Kriegsabitur. Aus dem Heeresdienst wurde er schon nach wenigen Wochen entlassen, nachdem er im Gefecht bei Brzeziny als Meldereiter unter sein stürzendes Pferd geraten war und sich eine Lungenquetschung zugezogen hatte. Er nahm das Rechtsstudium auf und legte nach dem Besuch der Universitäten Heidelberg, Berün und Göttingen 1918 das Referendarexamen ab. Die erste Ausbildungszeit konnte er am Amtsgericht Czarnikau absolvieren, geriet aber 1919 in die Abwehrkämpfe gegen den großpolnischen Aufstand und mußte seine Heimat verlassen. Er setzte sein Studium in Berlin fort und erhielt dort im sog. Juniklub seine politische Ausrichtung. Diese nach dem im Juni 1919 unterzeichneten Friedensvertrag benannte Vereinigung national-konservativer Politiker, Schriftsteller und Publizisten brachte ihn mit bekannten Persönlichkeiten dieser Zeit zusammen. Da Starke seine polnische Staatsangehörigkeit beibehalten hatte, fand seine Beschäftigung bei der preußischen Justiz 1922 ein Ende. Er kehrte in seine Heimat zurück. Als ihm die Zulassung zum polnischen Assessor-Examen verwehrt wurde, erreichte ihn das Angebot des Verlages A. Dittmann in Bromberg, die Leitung der „Deutschen Rundschau in Polen" zu übernehmen. Als Chefredakteur hat er in allen politischen Bedrängnissen mit Diplomatie und Verantwortungsbewußtsein das Blatt zum führenden Organ der deutschen Minderheit in Polen gemacht. Er war vordringlich um die Sicherung des vertraglich garantierten Minderheitenschutzes bemüht, stand allen deutschen Zusammenschlüssen beratend und fördernd nahe, so auch dem „Deutschtumsbund zur Wahrung der Minderheitenrechte", der „Deutschen Vereinigung im Sejm und im Senat für Posen, Netzegau und Pommerellen", in politischen Ehrenämtern und zuletzt der 1934 neu gegründeten „Deutschen Vereinigung". Der Landessynode der Evangelisch-unierten Kirche in Posen hat er im Vorstand bis 1939 angehört. Schon frühzeitig erkannte Starke die Notwendigkeit, für akademischen Nachwuchs der deutschen Minderheit zu sorgen. Mit Landrat Naumann und Studienrat Heidelck gründete er am 22. April 1924, dem 200. Geburtstag Immanuel Kants, den „Kant-Verein zur Förderung der akademischen Berufsausbildung", als dessen Schriftführer er die einzelnen „Vereine deutscher Hochschüler" (VDH) an polnischen Universitäten betreute. Es sollte im Verlauf der Jahre der anerkannte Erfolg seines Weitblicks sein, wenn immer mehr Deutsche polnische Examina an polnischen Universitäten als Voraussetzung für eine berufliche Tätigkeit als Lehrer, Arzt oder Jurist erwarben. Besonders in Verbindung mit dem Deutschen Schulverein unter Dr. Schoenbeck wurden deutsche Philologen mit staatlicher Lehrbefugnis den deutschen Schulen zugeführt. Die Stellung der im In- und Ausland angesehenen „Deutschen Rundschau in Polen" wurde schwieriger, als durch Austritt Deutschlands aus dem Völkerbund und Lahmlegung des Minderheitenschutzes durch Polen die politische Lage sich verschlechterte, zusätzlich noch durch Parteienstreit innerhalb der deutschen Volksgruppe. Starke hat dem am 1. September 1939 veröffentlichten Aufruf des Staatspräsidenten im Augenblick des Kriegsausbruchs die oft zitierten Worte hinzugefügt: „Unser Gewissen und unsere Hände sind rein!" Er wurde am selben Tag interniert und dem Verschleppungsmarsch nach Lowicz zugeteilt. Nach seiner glücklichen Rückkehr wurde ihm die Wiederaufnahmeseiner Arbeit verwehrt. Die neuen Machthaber brauchten Propagandisten. Es war wohl als Entschädigung gedacht, wenn man ihn in den Auswärtigen Dienst berief, im November 1939 als Gesandschaftsrat an die Deutsche Botschaft in Moskau. Nach Ausbruch des Krieges gegen die Sowjetunion 1941 wurde Starke mit dem Botschaftspersonal ordnungsmäßig ausgetauscht. Er leitete dann bis 1945 das Osteuropa-Referat der Presse- und Nachrichtenabteilung des Auswärtigen Amtes in Berlin, zuletzt noch in Mühlhausen (Thüringen), wo er von politischen Organen der Roten Armee verhaftet und nach Moskau gebracht wurde. Nur weil er der letzten Deutschen Botschaft in Moskau angehört hatte, wurde Starke ohne gerichtliches Urteil zu zehn Jahren Haft verurteilt, die er bis zum letzten Tag erleiden mußte. Am 25. September 1955 kam er als Spätheimkehrer in die Bundesrepublik. Das Auswärtige Amt berief ihn am 1. April 1956 als Legationsrat I. Klasse zur Leitung des Referats für Ostfragen, das er bis zu seiner Pensionierung 1962 führte, zuletzt als Vortragender Legationsrat I. Klasse.

Gotthold Starke hat dann bis zu seinem Tode allen Organisationen der Vertriebenen seine Kenntnisse und Erfahrungen vermittelt. Er war in der Landsmannschaft Westpreußen, im Göttinger Arbeitskreis und mit besonderem Anteil in den Heimatkreisen der Bromberger tätig. Von ihm stammen die eindrucksvollen Worte auf dem Gedenkstein für die Kriegsopfer auf dem Ehrenfriedhof in Wilhelmshaven:

Sie sind an Brahe und Weichsel
in heimischer Erde geborgen,
in Krieg und Vertreibung
durch blinden Wahn schuldlos gefallen;
oder sie schlafen fern ihrer Heimat,
entgegen dem ewigen Morgen.
Herr über Leben und Tod,
gib Gnade und Heimat uns allen!

Lit.: Zum 70. Geburtstag. Der Westpreuße Nr. 3/1966, S. 3 (Hepke). Nachrufe: Jahrbuch der Albertus-Universität in Königsberg 20. 1970, S. 5-11 (Frh. v. Braun). – Jahrbuch Weichsel-Warthe 16. 1970, S. 53-61 (Breyer). – Der Westpreuße Nr. 23/1968 (Steffani). – Posener Stimmen 16. 1969, l S. 7 (Steffani). -Bromberg 29. 1969 (Ohlhoff). – Danrig-Westp. Kirchenbrief Nr. 131/1981 (H.K.).