Biographie

Steenke, Georg Jakob

Herkunft: Westpreußen
Beruf: Ingenieur, Erbauer des "Oberländischen Kanals"
* 30. Juni 1801 in Königsberg i.Pr.
† 22. April 1884 in Elbing

Das Denkmal für den Erbauer des Oberländischen Kanals, das am 15. Juli 1872 von dankbaren Landwirten errichtet, nach dem Zweiten Weltkrieg von polnischer Seite abgebaut und in einem Schuppen versteckt wurde, ist 1986 wieder am alten Platz auf der Ebene Buchwalde aufgestellt worden. Der Sockel erhielt zusätzlich eine Tafel mit polnischer und holländischer Aufschrift, obwohl die Familie Steenke kein holländisches, sondern ein altes Königsberger Geschlecht war. Jakob Steenkes Vater war Handelskaufmann und der Großvater Kanallotse.

Durch den frühen Tod seines Vaters musste Jakob die Pläne des Jurastudiums aufgeben. Nach einer Zimmermannsausbildung besuchte er die Bauakademie in Berlin, wurde 1822 Bauconducteur und erwarb später den Titel des königlichen Baurats. Sein erstes Kanalprojekt war 1833 in Ostpreußen der Bau des Seckemburger Kanals in der Memelebene, der die Gilge mit dem Großen Friedrich-Graben verbindet. Als Deichinspektor in Elbing beschäftigte er sich mit weiteren Kanalproblemen, besuchte daher Bayern, die Niederlande und auch Amerika.

Die Höhenlandschaft des Oberlandes mit seinen reichen Wald- und Seenbeständen wurde seit dem 16. Jahrhundert auch als Höckerland bezeichnet. Da die Wegeverhältnisse sehr schlecht waren – die erste Kunststraße Osterode-Saalfeld sollte erst 1851 freigegeben werden – nutzte man stets so weit möglich die Gegebenheiten der Wasserverbindungen. Schon im 14. Jahrhundert wurde ein Kanal zwischen dem Ewing- und dem Geserichsee angelegt, um von Saalfeld nach Deutsch Eylau zu gelangen. 1788 befasste sich in Osterode eine Kommission mit der Frage, die Drewenz zu begradigen und auszubauen, um über Thorn die Ostsee zu erreichen, was jedoch einen erheblichen Umweg bedingt hätte. In den 1820er Jahren griff eine Kommission diesen Plan auf, gleichfalls erfolglos. Die ostpreußischen Landstände forderten dagegen im Jahre 1825, den Wasserweg im Oberland auszubauen.

Im Jahre 1837 begann Baurat Steenke mit den Planungen. Da die Drewenz zur Weichsel nur bis zum mittleren Bereich schiffbar war, sah Steenke für ein Kanalsystem den kürzeren Weg von Osterode nach Elbing und damit zum Frischen Haff mit einem Abzweig bei Liebemühl nach Deutsch Eylau vor. Mit Einschluss der Seen war dieses System etwa 116 km lang, davon 44 km reine Kanallänge. Da zum Ausgleich des Höhenunterschieds eine Unzahl von Schleusen notwendig geworden wäre, entschloss er sich zum Bau von „Geneigten Ebenen“ oder „Rollbergen“ nach dem Vorbild des Morriskanals in den USA, der den Fluss Legigh mit New York verbindet. Dort überwand man den Höhenunterschied mit Geneigten Ebenen, auf denen die Schiffe über Land transportiert wurden. Für diese geniale, gleichwohl kostspielige Idee gelang es ihm, König Friedrich Wilhelm IV. unter dem Hinweis auf die Einzigartigkeit einer solchen Anlage in Europa zu überzeugen. Am 28. Oktober 1844 erfolgte der erste Spatenstich für den Bau des Oberländischen Kanals.

Zuerst waren vier Geneigte Ebenen und eine Schleuse vorgesehen. Dazu kamen zwei weitere bei Liebemühl. Um den Höhenunterschied von 104 m auf einer Länge von 9,5 km zu überwinden, erweiterte Steenke seinen Plan um eine fünfte Ebene. Da der Wasserstand der Seen in den verschiedenen Jahreszeiten nur geringe Schwankungen ausweist, musste zunächst der Wasserspiegel einiger Seen abgesenkt werden, um so den erforderlichen Ausgleich zu schaffen. Auf einer Länge von 9,6 km unterbrechen Landflächen die Wasserstraße in Dachform in einer kurzen An- und einer längeren Ablauffläche. Auf dieser sind zwei Gleise mit einer 3,14 m Spurbreite verlegt, auf denen Gitterwagen im Gegenverkehr durch ein Endlos-Seil über die Ebene gezogen werden. Jede Höhe hat ein eigenes Maschinenhaus. Der Antrieb erfolgt ausschließlich mit Wasserkraft: Fließwasser aus dem oberen Becken setzt ein großes Schaufelrad in Gang, das mit einer Kraftübertragung von 60 PS die Große Trommel in Bewegung hält. Über diese ist das Endlos-Seil gewickelt, das über Gleitrollen mit den beiden 20 m langen Gitterwagen verbunden ist. Diese beiden Loren haben keine Achsen sondern Doppelkranzräder in festen Gestellen. Die Wagen fahren ins Wasser, damit das Schiff auflaufen kann. Die Fahrt über eine Geneigte Ebene dauert auf diese Weise etwa eine Viertelstunde.

Für den Kanal wurden speziell dimensionierte Holzkähne, sog. „Oberländer“, konstruiert. Auf den Seen konnten sie bei günstigem Wind Segel setzen, auf dem Kanal jedoch durfte nicht gesegelt werden. Auf 50 Tonnen war das Fassungsvermögen der Schiffe bemessen. Die Schiffe wurden auf dem Kanal gestakt, also mit Hilfe langer Stangen von Bord aus geschoben, oder vom Ufer aus getreidelt, und zwar durch Pferde – falls bezahlbar – oder durch menschliche Kraft. In Gurte eingespannt zogen meist Männer über ein Seil das Schiff. Die Frau oder Kinder bedienten dann das Ruder.

Ab 1852 verkehrten die Schiffe zwischen Deutsch Eylau und Elbing auf dem Oberländischen Kanal. 1860 wurde die Strecke von Liebemühl nach Osterode offiziell eröffnet. Den letzten Abschnitt des Kanalsystems von Osterode bis Alt Jablonken über den Pausensee hat man erst 1873 dem Verkehr übergeben. 1872 bis 1876 wurde der Kanal nochmals aufwendig verbreitert. Die direkte Verbindung von Osterode oder Dt. Eylau bis Elbing zum Frischen Haff und somit auf die Ostsee verkürzte die Transportzeit für das zum Schiffbau und für Segelschiffe gesuchte Holz aus den Ostpreußischen Wäldern, aber auch für Getreide immens. Die 5,5 Millionen Mark, die der Kanal den preußischen Staat kostete, erschienen somit als sinnvolle Investition in die Infrastruktur der Region.

Bei der endgültigen Fertigstellung 1873 war der Oberländische Kanal jedoch bereits technisch durch den Aufschwung des Eisenbahnsystems überholt. Der Verkehr auf dieser Wasserstraße kam allmählich zum Erliegen. Güter wurden auf ihm schließlich nicht mehr transportiert. Wegen seiner technischen Besonderheiten und der idyllischen Landschaft mit vielfältig belebter Tierwelt, durch die er führt, erlangte der Kanal indes bereits frühzeitig Bekanntheit als Ausflugsziel. Nach Kriegsbeschädigungen wiederhergestellt, bildet er – nicht erst seit der Aufnahme in die Liste der technischen Denkmäler 1978 – eine touristische Attraktion, nutzen ihn in regem Maße Ausflugsdampfer und Sportboote.

An den königlichen Baurat Jakob Steenke, den genialen Ingenieur des Oberländischen Kanals, erinnert neben dem erwähnten Denkmal eine am Verkehrsbüro des Schiffsdienstes Osterode/ Ostroda angebrachte Tafel. Das Haus mit schönem Park, das Steenke sich in Zölp am Röthloffsee erbaute, ist dagegen leider völlig zerstört. Inwieweit er seine Ideen hier entwickelte, kann nicht ermittelt werden, gingen durch die Plünderung am Ende des Zweiten Weltkriegs doch all seine Aufzeichnungen verloren. Zu Ehren des Ingenieurs erhielt ein kleiner Ort am Röthloffsee in der Gemarkung Venedien bereits 1851 den Namen „Steenkenwalde“.

Bild: Archiv der Kulturstiftung.