August Steffen wurde als Sohn des Geheimen Medizinalrates Dr. August Wilhelm Steffen und seiner Ehefrau Juliane Böhmer geboren. Mit sieben Geschwistern wuchs er in einem gastfreien, angesehenen und wohlhabenden Hause auf. Das Abitur legte er 1844 am Marienstiftsgymnasium zu Stettin ab und hielt als bester Schüler seines Jahrgangs die Abschiedsrede in englischer Sprache, wie es zu damaliger Zeit üblich war. Da an dieser Schule Englisch nicht Lehrfach war, hatte sich Steffen die Kenntnisse in Privatstudien angeeignet.
Die Neigung zum ärztlichen Beruf zeigte sich schon früh. Steffen studierte Medizin in Bonn, Heidelberg und Halle. Während seiner Assistentenzeit an einer Heidelberger Klinik infizierte er sich mit Flecktyphus. Nur durch die aufopfernde Pflege seines Schweizer Studienfreundes Dr. Kayser konnte Steffen gerettet werden, eine lebenslange Freundschaft sollte diese beiden Ärzte verbinden. An der Universität Halle wurde Steffen 1848 mit einer DissertationDe endesmosi zum Dr. med. promoviert. Auf die Approbation folgte ein längerer Aufenthalt in Paris zur weiteren Ausbildung im Beruf und zur Erlernung der französischen Sprache, die Steffen bis an sein Lebensende beherrschte. Zahlreiche spätere Fachartikel publizierte er sowohl in dieser als auch in englischer Sprache.
1850 kehrte August Steffen mit neuen medizinischen Erkenntnissen und großem ärztlichen Elan nach Stettin zurück und heiratete 1853 Johanna Emilie Ulrich, die Adoptivtochter einer Stettiner Beamtenwitwe. Seine Frau starb jedoch nach der Geburt einer Tochter nur elf Monate später. Eine zweite Ehe schloß er 1856 mit Pauline Böttcher, der Tochter des Stettiner Kaufmanns Wilhelm Böttcher und seiner Ehefrau Johanna Thilo. Aus dieser Ehe gingen ein Sohn und zwei Töchter hervor.
In der sogenannten „Neustadt“ Stettins wurde 1856 ein breites zweistöckiges Eckhaus als „Kinderheil- und Diakonissenanstalt“ eingerichtet. Der Vater von August Steffen hatte diese 1851 in der Pladrinstraße auf der Lastadie gegründete Institution ärztlich betreut und den Neubau in der Mühlenbergstraße mit initiiert. Der junge Dr. med. August Steffen wurde dort als Oberarzt und Leiter des neuen Kinderhospitals eingesetzt und machte diese Klinik aus kleinsten Anfängen heraus durch großen Einsatz, Fleiß und ärztliche Fachkenntnis auch zu einer Stätte wissenschaftlicher Forschung und Lehre, die weit über die Grenzen seiner Vaterstadt hinaus bekannt wurde und internationales Ansehen erwarb.
Gerade zu dieser Zeit (1848!) vollzog sich ein tiefgreifender Wandel auch innerhalb der Medizin: Anstelle philosophischer Spekulation trat die exakte naturwissenschaftliche Beobachtung, die sowohl durch die Anwendung des Mikroskops und des Augenspiegels, als auch durch genaue Anamnese und Sektion bessere Voraussetzungen für Diagnose und Therapie bot. Aufgrund zahlreicher Konflikte zwischen den Ärztegenerationen wurde der „Stettiner Ärzte-Verein“ gegründet, der beide Parteien harmonisch verband. August Steffen übernahm nach seinem Vater dort den Vorsitz.
Die Kinderheilanstalt war, nach dem Vorbild des Kinderhospitals in Stuttgart erbaut, zu damaliger Zeit das einzige moderne Krankenhaus in Stettin. Leider waren die Mittel immer sehr knapp, obwohl bei der Gründung 1856 der damalige preußische König, Friedrich Wilhelm IV., 8.000 Taler beigesteuert und der Magistrat einen zinsfreien Kredit von 12.000 Talern und eine Hypothek zur Verfügung gestellt hatte. Ansonsten lebte die Institution, vor allem die Forschung, von Vermächtnissen, Stiftungen, milden Gaben, Bazaren und Kollekten. Das Kinderhospital war gleichzeitig Diakonissenmutterhaus und beherbergte die Schwesternschaft. Im Erdgeschoß wurde auf Betreiben von Steffen 1859 eine Polyklinik eingerichtet, in der Kinder unbemittelter Eltern ärztliche Fürsorge und Arzneimittel ohne Entgelt erhielten. Steffen behandelte kranke Kinder auch in seiner Wohnung.
Sein Forschergeist wollte aber mehr als die Arbeit in diesem Kinderhospital. Nach langwierigen Verhandlungen wurde ihm 1860 das Recht auf Leichensektion bewilligt, ein Recht, das sonst nur eine gerichtliche Sektion kannte. Diese Bewilligung war damals einmalig in Deutschland. August Steffen ist es aufgrund seiner Tüchtigkeit und seines Forschergeistes zu verdanken, daß Stettin, ohne Universitätsstadt zu sein, bereits in diesem Krankenhaus erste klinische Ferienkurse für ältere Semester und junge Kollegen abhalten konnte: Die Einrichtung erfreute sich so großen Zuspruches und Ansehens, daß Steffen von einigen deutschen und auch ausländischen Universitäten angeschrieben wurde, um seine Forschungstätigkeit dort weiterzuführen. Es war schon etwas Außergewöhnliches, daß ein junger Arzt in einer Stadt von damals rund 70.000 Einwohnern hochschulgemäß experimentierte.
1889 gab Steffen in Stettin sein erstes Werk, und zwar dieKlinik der Kinderkrankheiten, heraus, wo im dritten. Band Herzkrankheiten von Kindern beschrieben wurden. Schon damals machte ihm der Krebs bei Kindern große Sorgen. Noch als 80jähriger beschrieb Steffen die „Malignen Geschwülste im Kindesalter“. Hier faßte er alle je von ihm sowohl als auch von anderen Kinderärzten beobachteten und festgehaltenen Fälle von krebsartigen Geschwülsten bei Kindern zusammen. Das war nicht nur ein Auszug aus der allgemeinen Medizin in Deutschland, das war eine Sensation in allen europäischen Ländern und auch in den USA.
Steffen war lange Jahre hindurch Vorsitzender der Gesellschaft für Kinderheilkunde und Vorstandsmitglied der „Leopoldina“, der Gesellschaft für Naturforscher und Ärzte, beides gab er erst 75jährig auf.
Zunächst unterstand Steffen das Kinderhospital in der Stettiner Neustadt allein, doch bald wurde ihm die Versorgung bei akut steigender Zahl von kranken Kindern zu umfangreich, er stellte deshalb zwei weitere Ärzte ein, wobei einer von ihnen sein Sohn Dr. med. Wilhelm Steffen war. So war hier die dritte Generation einer Stettiner Arztfamilie in einem Unternehmen tätig.
Der Geheime Sanitätsrat Dr. med. August Steffen mußte im späten Alter nochmals schwere Schicksalsschläge hinnehmen, von denen er sich kaum wieder erholte: Sein hoffnungsvoller Sohn und Nachfolger starb im Alter von 42 Jahren an einer Lungenentzündung, acht Wochen später verlor er auch seine als Geigerin berühmte Tochter Hedwig mit 36 Jahren an derselben Krankheit. Er selbst arbeitete im Ruhestand noch über das 80. Lebensjahr hinaus unermüdlich an seinen wissenschaftlichen Forschungen auf dem Gebiet der Kinderheilkunde. Zwar schmächtig von Gestalt, war er ein zäher, unermüdlicher Arbeiter und Einzelkämpfer auf seinem Gebiet.