Biographie

Stenzler, Adolf Friedrich

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Herkunft: Pommern
Beruf: Indologe
* 9. Juli 1807 in Wolgast/Pommern
† 27. Februar 1887 in Breslau

Fünfzehn oder mehr Generationen von Indologen haben nach seinem Lehrbuch Sanskrit gelernt: Das „Elementarbuch der Sanskrit-Sprache“, kurz „der Stenzler“ genannt, kennt jeder, der sich sprachwissenschaftlich oder indologisch mit dem Altindischen beschäftigt. 1868 zum erstenmal erschienen, wurde es 1974 zum 17. Mal aufgelegt.

Adolf Friedrich Stenzler stammte aus Wolgast (Pommern), wo er am 9. Juli 1807 geboren wurde. 1826 nahm er an der Universität Greifswald das Studium der Theologie, Arabistik und Iranistik auf, wechselte dann aber zur Universität Berlin über, um bei dem berühmten Franz Bopp, dem Begründer der Vergleichenden Sprachwissenschaft, Sanskrit und Vergleichende Grammatik zu studieren. Die Begegnung bestimmte Stenzlers wissenschaftliche Richtung: Er wurde Sanskritist und Indologe. Nach einem Zwischenjahr an der Universität Bonn promovierte er 1829 in Berlin mit einer Dissertation über das Brahma Vaivarta Purana – eine der ersten Arbeiten zur hinduistischen Mythologie. Die Folgejahre nutzte der junge Gelehrte, sich in Frankreich und England umzusehen, den Ländern, die damals in der Sanskrit- und literarischen Indienforschung führend waren. In Paris fertigte er eine Übersetzung der Savitri-Episode aus dem Sanskrit-Epos Hahabharata an (1841 publiziert), in London, wo er sich am East India House mit altindischen Handschriften vertraut machte, eine Sanskrit-Textausgabe und (lateinische) Übersetzung des Versepos Raghuvamsa des Kalidasa (erschienen 1832). Kalidasa (5. Jh.), Indiens größter klassischer Dichter, als Dramatiker bereits durch Georg Forster entdeckt, war damit auch als Epiker erschlossen.

Die Textausgabe des Raghuvamsa beeindruckte in ihrer philologischen Präzision so sehr, daß Stenzler 1833 einen Ruf als Apl. Professor an die Universität Breslau erhielt. 1847 wurde er dort zum Ordentlichen Professor ernannt. Völlige Sicherung des Lebensunterhaltes war mit der Professur wohl nicht verbunden, denn nebenbei arbeitete er als Bibliothekar an der Universitätsbibliothek. Eine Reise nach Indien, damals kaum erschwinglich und ungemein beschwerlich, hat Stenzler nie unternommen, zumal solche Reisen von der frühen Indologie, die sich als Textwissenschaft verstand, als wenig förderlich angesehen wurden. Er führte ein stilles Gelehrtenleben in Breslau, und seine „Abenteuer“ vollzogen sich als Erkenntniserlebnisse am Schreibtisch. Eine eindrucksvolle Reihe von Publikationen zeugt von Stenzlers mehrspurigen wissenschaftlichen Interessen und seinem Fleiß.

1838 edierte er den Sanskrittext von Kalidasas Kumarasambhava, 1847 den Text des König Sudraka (6. Jh.) zugeschriebenen Dramas Mrcchakatika, 1874 den Urtext von Kalidasas Gedichtepos Meghaduta, „der Wolkenbote“. Da er schon bei den frühen Texteditionen den Wert der einheimisch-indischen Wörterbücher kennengelernt hatte, brachte er 1847 eine Schrift (in Latein) über den Ursprung der Sanskrit-Lexikographie heraus.

Ein zweites Arbeitsfeld fand Stenzler im indischen Recht. Einem Buch über das altindische Strafrecht (1842) folgte die Herausgabe und Übersetzung von Yajnavalkyas Gesetzbuch (1849) und, in verschiedenen gelehrten Zeitschriften, eine Darstellung der altindischen Rechtsliteratur. Später (1864) begann er, die „Indischen Hausregeln“ (Grhyasutrani) herauszugeben und (ins Deutsche) zu übersetzen. Auch der Geschichte der altindischen Medizin widmete er einen längeren Aufsatz.

Stenzlers dauerhaftester Erfolg indes war das schon erwähnte Sanskrit-Lehrbuch (1868). Die bescheidenen Honorare aus diesem Werk widmete er der Gründung eines Fonds, aus dem bedürftige Studenten des Sanskrit unterstützt wurden – ein Zeichen des sozialen Mitgefühls des Autors, der selbst nie mit Reichtum gesegnet war. Am 27. Februar 1887 starb Stenzler, fast achtzig Jahre alt, in Breslau, seiner schlesischen Wahlheimat, wo er vier Jahrzehnte gewirkt hatte.

Lit.: W. Rau: Bilder hundert deutscher Indologen (Verzeichnis der orientalischen Handschriften in Deutschland, Supplementband 4), Wiesbaden 1965 – Abbildung Stenzlers auf S. 15; V. Stache-Rosen: German Indologists – Biographies of Scholars in Indian Studies writing in German, New Delhi (Max Mueller Bhavan) 1981 – Biographie Stenzlers S. 32f.