Biographie

Sternberg, Kaspar Maria Graf

Herkunft: Sudeten (Böhmen u. Mähren, österr. Schlesien)
Beruf: Priester, Botaniker, Mäzen und Goethefreund
* 6. Januar 1761 in Prag
† 20. Dezember 1828 in Brzezina/Böhmen

Der 1761 in Prag geborene jüngste Sohn des Grafen Johann von Sternberg war Theologe, Freund Goethes, Botaniker und Gründer und Präsident des Vaterländischen Museums des Königreiches Böhmen, des heutigen Nationalmuseums am oberen Ende des Prager Wenzelplatzes. In Fachkreisen gilt er als Begründer der modernen Paläobotanik.

Als jüngster von drei Söhnen bestimmten ihn seine Eltern früh für den geistlichen Stand und so begann Kaspar Sternberg schon als 17-Jähriger das Theologiestudium am Collegium Germanicum in Rom, nach dessen Abschluss er 1783 nach Regensburg ging, wo er bereits mit 24 Jahren Domkapitular wurde. Damals hatte er auch Kontakt zur Regensburger Freimaurerloge, der trotz des Verbotes des Papstes viele Priester, ja sogar Bischöfe angehörten. Unter dem Fürstprimas Karl Theodor von Dalberg wurde Sternberg 1802 als Stellvertreter des Fürsten Thurn und Taxis Vorsitzender des Landesdirektoriums in Regensburg und bis zum Ende des Heiligen Römischen Reiches 1806 auch Gesandter am Immerwährenden Reichstags und dort Vertreter des Hochstiftes Freising beim Reichsdeputationshauptschluss 1803. Durch die Umwälzungen infolge der von Napoleon angezettelten Kriege verschlechterte sich das Verhältnis Sternbergs zu Dalberg. 1804 war Sternberg noch einer der Begleiter Dalbergs bei der Kaiserkrönung Napoleons in Paris. Er verhandelte damals mit Talleyrand, um die Vereinigung der Bistümer Mainz und Regensburg zu erreichen, aber während Dalberg klar auf der Seite Napoleons stand, wollte Sternberg ein einiges Deutschland verteidigen. Als sich manche deutsche Staaten im Rheinbund auf die französische Seite stellten und das Reich verrieten, legte Kaiser Franz II. 1806 die Römische Kaiserkrone nieder. Die Haltung Bayerns schmerzte Sternberg sehr. Damals verrieten auch die Bayern das Reich, was Napoleon dem bayrischen Kurfürsten dankte und ihm die Königskrone zugestand. Erst einen Tag vor der Völkerschlacht bei Leipzig wechselte Bayern wieder die Fronten, nachdem es 30.000 Soldaten für Napoleon im russischen Winter vor Moskau 1812/13 verloren hatte. Durch diese Haltung Bayerns fasste Sternberg den Entschluss, auf seine öffentlichen Ämter zu verzichten, sich in seine böhmische Heimat zurückzuziehen und sich dort ganz den Naturwissenschaften zu widmen.

Mit der Botanik hatte er sich schon früh beschäftigt, denn er war seit 1799 Mitglied der Regensburger Botanischen Gesellschaft, für die er 1804 einen botanischen Garten eingerichtet hatte. 1806 hatte Sternberg sogar eine Regensburger Akademie der Naturwissenschaften gegründet, deren erster Präsident er war. 1810 wurde auch Regensburg bayrisch und da sein Bruder gestorben war, ging Sternberg endgültig nach Böhmen, um dort die Güter seiner Familie zu verwalten und weiterzuführen. Es waren zwölf Dörfer, über die er das Patronat hatte, mit 3.000 Einwohnern, die in der Landwirtschaft, aber auch in der Sternbergschen Eisenhütte, in Kohlengruben und in der Forstwirtschaft tätig waren. Er selber betreute das Gut in Brzezina, wo er in der Erforschung und Urbarmachung der Natur auch seinen Forschungen nachgehen konnte. Er korrespondierte mit Fachleuten weit über Böhmen hinaus, legte botanische und mineralogische Sammlungen an und führte seit 1820 darüber auch Briefwechsel mit Goethe, den er 1822 persönlich in Marienbad kennenlernte und mit dem er bis zu dessen Tod 1832 verbunden war. Mit seinem Vetter Franz Graf Sternberg-Manderscheid und anderer Adligen, darunter dem Oberstburggrafen Franz Anton Kolowrat-Liebsteinsky rief Sternberg das Vaterländische Museum in Böhmen ins Leben, zu dessen Ehrenmitglied auch Goethe gehörte. Er gründete dafür eine Gesellschaft, deren Zeitschrift Monatsschrift der Gesellschaft des Vaterländischen Museums auch im Ausland beachtet wurde. Weitere Aktivitäten für seine böhmische Heimat waren seine Arbeit im Vorsitz der Patriotisch-ökonomischen Gesellschaft in Böhmen, seine Bemühungen um die Eisenbahn von Prag nach Pilsen und für den Bau der Kettenbrücke über die Moldau, die den heutigen Stadtteil Smichov mit Prag verband.

Mit Goethe traf Sternberg nach 1822 mehrmals zusammen und als Goethe nach seiner unglücklichen Liebe zu Ulrike Levet-zow in Marienbad nicht mehr nach Böhmen kam, besuchte ihn Sternberg 1824, 1829 und 1830 in Weimar.

Am 28. Dezember 1838 starb Sternberg nach einem Schlaganfall und wurde in der Familiengruft begraben. Er hinterließ über 70 Arbeiten zur Botanik und vor allem der Paläobotanik, Schriften zum Ausbau der böhmischen Bodenschätze und zur Flora der Urwelt. Eine Pflanzengattung aus der Familie der Amaryllis-Gewächse ist ebenso nach ihm benannt wie auch das Mineral Sternbergit. In Prag trägt ein Saal im Nationalmuseum am Wenzelplatz seinen Namen.

Sternberg war ein echter Böhme und Landespatriot. Er sprach auch tschechisch fließend und schrieb auch tschechische Briefe. In einem Brief an Goethe nennt er die böhmische Sprache „unsere“ Sprache. Goethe schreibt in einem Brief „vom großen Gewinn“, dass er Sternberg kennenlernte. Gegenüber seinem Herzog spricht Goethe, wie wichtig es gewesen sei, einen Mann „von solcher menschlichen, welt- und wissenschaftlichen Bildung anzutreffen“. 1830 traf Sternberg Goethe in Weimar zum letzten Mal. Goethe fühlte dabei das „seltene Glück der Jugendkraft“ und schrieb:

Schöner stets wird ihm die Welt.
Schätze der Natur ergründen,
Geist mit Element verbünden
Ist’s, was ewig jung erhält.“

In seinem Buch Goethe in Böhmen hebt Johannes Urzidil die Wahlverwandtschaft Goethes mit Sternberg hervor, die nach 1822 bis zu Goethes Tod andauerte und die für Goethe seine Reisen nach Böhmen ersetzte. „Und wie Goethe zu seiner Zeit der gewichtigste Verkünder böhmischer Werte jenseits der böhmischen Grenzen war, so blieb Sternberg auch nach Goethes Hingang der bedeutendste Exponent des Goetheanismus in Böhmen.“ (Johannes Urzidil)

Bild: Zeichnung von Johann Joseph Schmeller, Weimar 1824.

Rudolf Grulich