Biographie

Strahil-Sauer, Gustav

Herkunft: Sudeten (Böhmen u. Mähren, österr. Schlesien)
Beruf: Geograph und Forschungsreisender
* 26. Mai 1894 in Fulnek/ Mähren
† 25. November 1975 in Klosterneuburg

Gustav Stratil wurde im mährischen Fulnek als Sohn des dortigen Bürgerschuldirektors Domitius Stratil und seiner Ehefrau Luise, geb. Jung, geboren, die beide auch schriftstellerisch tätig waren. Nach dem Besuch des deutschen Gymnasiums in Mährisch Weißkirchen ging er 1913 an die Universität in Wien, um Jura und Musik zu studieren. Den jungen Studenten rissen die Schüsse von Sarajevo aus dem Hörsaal und zwangen ihn, den Studienplatz über vier Jahre mit der Front zu vertauschen. Bis zum Ende des Ersten Weltkrieges war er Soldat der Artillerie und Kommandant des Infanterie-Begleitschutzes. Er erlebte die Hölle aller zwölf Isonzo-Schlachten, wurde zweimal verwundet und verlor ein Auge. Als er später in Trabzon an der türkischen Schwarzmeerküste schwer krank darniederlag und fürchten musste, auch das zweite Auge zu verlieren, schilderte er seinem türkischen Freund Louthy die Stunden des Krieges. Ein Dutzend militärischer Auszeichnungen zeugen von seinem Einsatz. Stra­til-Sauer hatte neben silbernen und bronzenen Tapferkeitsmedaillen als Oberleutnant die goldene Tapferkeitsmedaille für Offiziere erhalten, zweimal die Silberne Militärverdienstmedaille (Signum Laudis) mit den Schwertern, dazu den Orden der Eisernen Krone und andere Auszeichnungen mehr. In den Monaten des Volkstumskampfes war er Sonderbeauftragter des Landeshauptmannes Lodgman von Auen und Mitbegründer der damals größten Schutzorganisation für die Sudetendeutschen, des „Hilfsvereins Deutschböhmen und Sudetenland“.

Ende 1919 konnte er sein Studium der Geographie, Geologie, Mineralogie und Geschichte an der Universität Breslau fortsetzen, wo er 1921 Assistent am Geographischen Institut war und 1922 promoviert wurde. Nach der Dissertation ging er als wissenschaftlicher Assistent nach Leipzig, wo er den Namen Stratil-Sauer annahm und von wo er 1924 seine erste Studien- und Forschungsreise nach Afghanistan unternehmen konnte. Mit dem Motorrad brach er von Leipzig auf, fuhr donauabwärts zum Schwarzen Meer bis Trabzon, dem alten Trapezunt, in dessen gebirgigem Hinterland er geographische Untersuchungen vornahm. Auf den Spuren Xenophons und des Zuges der Zehntausend der „Anabasis“ überquerte er den Ziganapass, um dann über Erzurum und Kars nach Erivan und Täbris und zuletzt nach Teheran zu gelangen. In seinem Buch Fahrt und Fessel hat Stratil-Sauer diese Fahrt geschildert, die ihn über Bagdad und Karachi bis nach Afghanistan in die Hauptstadt Kabul führte. Dort aber wurde die Fahrt nach 12.000 Kilometern jäh unterbrochen und Kabul zur potentiell tödlichen Falle, die sein Leben „lange Zeit zwischen Himmel und Erde schweben ließ, fremden und unheilvollen Mächten zum Spiele“. Nach einem Handgemenge hatte Stratil-Sauer in Notwehr einen Einheimischen erschossen und kam durch falsche Zeugenaussagen und eine korrupte Justiz ins Gefängnis. Monatelang wartete er auf seinen Todestag, bis es der deutschen Vertretung in Kabul endlich gelang, seine Ausweisung aus dem mittelalterlich verfassten Feudalstaat und Königreich zu erreichen.

1926 endlich heimgekehrt, heiratete Stratil-Sauer 1927 Lotte Buchheim. Bereits 1928 reiste er über Polen und Russland bis zur Wolga, ein Jahr später nach Ungarn, Jugoslawien und Albanien. 1931 bis 1933 führte ihn eine Forschungsreise durch den Balkan in die Türkei und in den Iran bis in die Wüste Lut. Den Reisebericht verfasste er gemeinsam mit seiner Frau unter dem Titel Kampf um die Wüste. In der Zeit des Zweiten Weltkrieges waren ihm Forschungsreisen in die Türkei, nach Mazedonien und Albanien möglich. 1937 hatte er sich an der Universität Leipzig habilitiert und 1939 in Wien, wo er an der Universität einen Lehrauftrag erhielt und im Krieg bei der Luftwaffe diente.

1949 gründete Stratil-Sauer in Wien den „Notring der wissenschaftlichen Verbände Österreichs“, den er bis 1957 als Generalsekretär führte und der heute als „Verband der wissenschaftlichen Gesellschaften Österreichs“ weiterbesteht. 1954 wurde er zum Professor ernannt. Der Musik, der er sich zunächst als junger Student verschrieben hatte, blieb Stratil-Sauer treu, indem er Messen und Stücke komponierte, von denen einige auch aufgeführt wurden.

Neben seinen militärischen Auszeichnungen erhielt er 1960 das Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst, 1964 die Ehrenmedaille der Stadt Wien in Gold sowie das Große Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich (1967) und das Große Verdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland (1964). Die Sudetendeutsche Landsmannschaft ehrte ihn 1975 mit dem Großen Sudetendeutschen Kulturpreis. Stratil-Sauer starb 1975 in Klosterneuburg und ist auf dem Weidlinger Friedhof begraben.

Werke (in Auswahl): Fahrt und Fessel. Mit dem Motorrad von Leipzig nach Afghanistan, Berlin 1927. – Erlebnisse längs russischer Landstraßen, Leipzig 1931. – Umbruch im Morgenland, Leipzig 1935. – Meschhed – Eine Stadt baut am Vaterland Iran, Leipzig 1937. – An wissenschaftlichen Arbeiten zählen die Bibliographen über 25 Titel auf, sowie etwa 800 Artikel in Fachzeitschriften.

Bild: Cover Fahrt und Fessel. Mit dem Motorrad von Leipzig nach Afghanistan, Berlin 1927.

Rudolf Grulich