Biographie

Strehlke, Friedrich

Herkunft: Danzig
Beruf: Naturwissenschaftler, Pädagoge
* 11. Dezember 1797 in Funkenmühle, Kr. Konitz/Westpreußen
† 25. Februar 1886 in Danzig

Friedrich Strehlke hat als Naturwissenschaftler und Pädagoge in Berlin und in Danzig gewirkt. Nach Simson wurden an einen Gelehrten in damaliger Zeit die Forderungen gestellt, gleichermaßen Lehrer und Wissenschaftler zu sein; diesem Leitbild hat Strehlke durchaus entsprochen. In sehr zahlreichen Veröffentlichungen hat er zu Fragen der Mathematik und der Physik – hier vor allem auf den Gebieten der Akustik und der Meteorologie – Stellung genommen und auch einige Beiträge zur Geographie geleistet. Ihm gelang es als Erstem, von den sogenannten Daguerreotypen Kopien auf galvanoplastischer Grundlage zu erstellen. Als Pädagoge ist er nicht nur ein erfolgreicher Lehrer in Berlin, sondern vor allem auch für die unverhältnismäßig lange Zeit von 33 Jahren ein sehr geschätzter Schulleiter an der Danziger St. Petrischule gewesen. In dieser Zeit hat er zur Entwicklung seiner Schule sowie zu den Bestrebungen, die Gleichstellung der Bildung durch Realgymnasien mit der durch humanistische Gymnasien zu erreichen, erheblich beigetragen.

Zur Zeit der Geburt Strehlkes gehörte sein Geburtsort bereits 25 Jahre zu Preußen. Sein Studium absolvierte er von 1818 bis 1823 in der Nachbarprovinz, in Königsberg. Einer seiner akademischen Lehrer dort war der weit über Deutschlands Grenzen hinaus bekannte Astronom Friedrich Wilhelm Bessel. Nach Abschluß seines Studiums wurde er 1823 als Oberlehrer und zweiter Lehrer für Mathematik am Gymnasium in Danzig angestellt, der Hauptstadt seiner Heimatprovinz Westpreußen. Nach Erscheinen seiner ersten wissenschaftlichen Beiträge erreichte ihn im Jahre 1831 ein Ruf an das spätere Cöllnische Realgymnasium in Berlin, dem er folgte; hier wurde er im Jahre 1834 auf Grund seiner Fähigkeiten zum Professor ernannt.

Als in Danzig an der damaligen höheren Bürgerschule zu St. Petri, einer der ältesten Schulen der Stadt, die Schulleiterstelle neu zu besetzen war, wählte der Danziger Rat den anerkannten Gelehrten zum Direktor. Am 1. Mai 1838 trat Strehlke diese Stellung mit knapp 41 Jahren an. Sie erforderte seinen ganzen Einsatz, dennoch blieb er weiterhin wissenschaftlich mit großem Erfolg tätig – und führte mit Bessel, Alexander von Humboldt, Kirchhoff und Franz Neumann einen regen Briefwechsel –, so daß er 1844 mit der Ehrendoktorwürde der Universität Königsberg ausgezeichnet wurde. Erst Ostern 1871, mit 74 Jahren also, trat er auf eigenen Antrag in den Ruhestand, den er noch 15 Jahre in geistiger Rüstigkeit verleben durfte.

Strehlkes wissenschaftliche Arbeit ist mit der bereits im Jahre 1743 gegründeten Naturforschenden Gesellschaft in Danzig eng verbunden, obwohl er merkwürdigerweise offenbar niemals in den Schriften dieser Gesellschaft eine Abhandlung veröffentlicht hat (dagegen aber in mehreren anderen renommierten Zeitschriften). Schon 1823, als junger Mann, wurde er das 140. Mitglied der Gesellschaft, der er mit zahlreichen Vorträgen oft herausragenden Inhalts diente, so daß am 12. Oktober 1873 zur Feier seiner 50jährigen Mitgliedschaft eine Festsitzung (durchaus selten aus diesem Anlaß) mit einem Vortrag des Astronoms der Gesellschaft, Dr. Kayser, sowie wissenschaftlichen Mitteilungen des Jubilars stattfand, dem sich ein Festessen gemeinsam mit den Mitgliedern der "Litteraria" anschloß, einer Danziger Vereinigung, in der Strehlke ebenfalls langjähriges Mitglied war. Ein Jahr später wurde er Ehrenmitglied der Naturforschenden Gesellschaft in Danzig, obwohl er niemals ihr Direktor gewesen war.

Strehlkes erste Arbeiten in Danzig waren astronomischen Inhalts, schon bald aber wandte er sich meteorologischen Beobachtungen und Überlegungen zu. In Danzig waren bereits seit 1722 – also sehr früh – fortlaufend Wetterbeobachtungen durchgeführt und aufgezeichnet worden. Diese Tradition setzte Strehlke mindestens bis 1880 äußerst systematisch fort, wobei er über einige Jahre hinweg alle zwei Stunden Beobachtungen und Messungen notierte, dadurch aber auch ständig an den Ort gebunden war. In der wald- und hügelreichen Umgebung Danzigs führte er auch barometrische Höhenmessungen durch. Die Beobachtungsergebnisse bis 1850 hat Neumann in den Schriften der Naturforschenden Gesellschaft in Danzig, Neue Folge Band II und III, herausgegeben; die späteren wurden vom Statistischen Bureau in Berlin ausgewertet.

Nach seiner Rückkehr aus Berlin war Strehlke der maßgebliche Physiker in der Naturforschenden Gesellschaft, der sich vor allem darum bemühte, die neuesten Entdeckungen der Physik auch in Danzig experimentell vorzustellen und weiterzuentwickeln. Das galt zunächst für die Darstellung und gründliche Untersuchung der Chladnischen Klangfiguren (stehende Wellen in elastisch schwingenden Stäben und Scheiben) und deren "wahre Entdecker" (mehrere Veröffentlichungen in Poggendorffs Annalen der Physik). Es folgten elektro-magnetische Versuche und Experimente zur Galvanoplastik, und als im Jahre 1851 der Foucault’sche Pendelversuch zum Nachweis der Erddrehung veröffentlicht wurde, wiederholten ihn Strehlke und Anger, der Astronom der Naturforschenden Gesellschaft, unmittelbar darauf in Danzig. Nach der Entdeckung der Spektralanalyse schaffte Strehlke für seine Schule einen Spektralapparat an und zeigte schon 1853 im Hotel de Berlin die hellen Spektrallinien und auch das elektrische Licht.

Aber auch zu verschiedenen mathematischen Themen hat Strehlke Abhandlungen in wissenschaftlichen Zeitschriften beigesteuert. Außerdem trug er einiges zum Fortschritt der Photographie und zur Forster-Forschung bei. Im Jahre 1837 war es Daguerre in Frankreich erstmals gelungen, Abbildungen der Natur durch ein chemisches Verfahren zu fixieren und dauerhaft zu erhalten. Zwei Jahre später kaufte die französische Regierung diese Erfindung und gab sie zur Benutzung frei. Schon 1840 schenkten 25 Danziger Kaufleute auf Bitten Strehlkes der Petrischule ein Daguerreotype von Pistor für 240 Mark, und er führte die sensationell wirkenden ersten Lichtbilder, von denen man aber noch keine Kopien oder Abzüge herstellen konnte, in Danzig vor. Im Zusammenhang mit seinen Forschungen zur Galvanoplastik gelang es ihm dann, erstmals galvanoplastische Kopien der Daguerreschen Lichtbilder herzustellen (Poggendorffs Annalen, Band 43). Ein frühes Lichtbild unbekannter Herkunft zeigt das Geburtshaus des Weltumseglers, Naturforschers und Revolutionärs Georg Forster in Nassenhuben bei Danzig. Dieses Bild könnte gut von Friedrich Strehlke stammen, der im August 1859 erstmals mit zweien seiner Söhne von Danzig nach Nassenhuben wanderte, um Forsters Geburtshaus zu suchen und zu beschreiben. Er ist später noch mehrmals in Nassenhuben gewesen und hat einen Plan der Dorfanlage mit Schloß und Schulhaus zeichnen lassen und veröffentlicht. Bei seinen Kenntnissen über die Daguerreotypien und über die Lage des Pfarrhauses, in dem Georg Forster 1754 geboren wurde, kommt Strehlke vor anderen als Photograph des fraglichen Bildes in Betracht.

Als Strehlke die im Jahre 1436 erstmals urkundlich erwähnte Petrischule als Direktor übernahm, galt diese als höhere Bürgerschule, in der Französisch und Latein nahezu gleichberechtigt unterrichtet wurden, daneben Schreiben und Deutsch, Rechnen und Mathematik mit hoher Wochenstundenzahl und einige der noch heute als Nebenfächer bezeichnete Schulfächer, so daß die Summe der Stunden pro Woche im Durchschnitt für die Schüler etwa 33 betrug. Schon in seinem ersten Amtsjahr wurde auf Strehlkes Antrag hin zu Michaelis 1838 die Einführung des Faches Englisch als dritte Fremdsprache vom Rat genehmigt, allerdings zunächst lediglich mit je zwei Wochenstunden in den beiden obersten Klassen. Zudem gelang es Strehlke schnell, die physikalische Sammlung der Schule gut auszubauen und beträchtliche Erfolge in den naturwissenschaftlichen Fächern zu erzielen. Durch briefliche Beratungen mit Bessel und dem Oberpräsidenten von Schön in Königsberg (West- und Ostpreußen waren zwischen 1824 und 1878 zu einer Provinz vereinigt) und dem Ministerium in Berlin sowie durch Erstellung pädagogischer Gutachten und Verhandlungen mit den Danziger Behörden wurden Strehlke und die Petrischule in Danzig für die Einrichtung der ersten Hohen Volksschule, des späteren Realgymnasiums, in Preußen ausgewählt – eine hohe Auszeichnung für die pädagogische Arbeit ihres Leiters. Nach dem Tod des Unterrichtsministers Freiherr von Altenstein und König Friedrich Wilhelms III. im Jahre 1840 konnten diese Pläne nicht mehr verwirklicht werden. Erst wesentlich später, im Jahre 1882, wurde in Preußen dann das Realgymnasium eingeführt und dadurch die Bildung durch die modernen Fremdsprachen und die Naturwissenschaften der Bildung und den Berechtigungen des humanistischen Gymnasiums gleichgestellt, lediglich der Zugang zur Universität blieb eingeschränkt.

Strehlke muß ein hervorragender Lehrer für die Fächer Mathematik und Physik gewesen sein, denn immer wieder wurde er anläßlich von Revisionen oder Abiturprüfungen von den vorgesetzten Dienststellen in Danzig, Königsberg und Berlin gelobt; seine Schule galt als die führende Anstalt für Mathematik und Naturwissenschaften in Ost- und Westpreußen. Gleiches bezeugen seine Schüler, die Strehlke gelegentlich auch in Latein und deutscher Literatur unterrichtete. Dennoch litt er unter den gleichen Problemen, die heutige Schulen beklagen: Die Ausstattung mit Lehrmitteln, die bauliche Unterhaltung der Schule und die Bezahlung der Lehrer waren seine ständige Sorge. Erst als sechs Schülern die Hände erfroren und einer durch den erneuerungsbedürftigen Fußboden brach, setzte ein mehrjähriger Streit mit den Vertretern der Stadt und der reformierten Gemeinde, die für das Schulhaus zuständig war, um einen Aus- oder Neubau ein, der dann allerdings mit der Übergabe der Schule an die Stadt am 1. Januar 1848 und der Einweihung eines neuen Schulgebäudes am Dielenmarkt, der Verlängerung der Straße Poggenpfuhl, am 15. Oktober 1850 endete.

Nach 210 Jahren im alten Schulgebäude erhielt die Petrischule nun sieben Klassenräume, einige Fachräume und sogar erstmals ein Lehrerzimmer. Die Schule war einzügig, hatte also keine Parallelklassen, und sieben Klassenstufen, die aber äußerst unterschiedlich besetzt waren: Unter Strehlkes Direktorium schwankte die Schülerzahl etwa zwischen 400 und 500 Schülern, nur eine geringe Anzahl besuchte die beiden obersten Klassen, dafür wuchsen die Unter- und Mittelstufenklassen schon öfter auf über 100 Schüler pro Klasse an. Etwa 10 Lehrer unterschiedlicher Qualifikation standen Strehlke zur Verfügung. Während der Sommerferien 1857, am 8. August, brannte das neue Schulgebäude bis auf das Erdgeschoß aus, Strehlke mußte den Unterricht provisorisch im Grünen Tor durchführen lassen, bis im Februar 1858 die Schule erneuert und auch erweitert, sogar mit einem Observatorium auf dem Turm der Schule versehen worden war. Nach Bereinigung formaler Mängel wurde die Petrischule am 9. Februar 1860 nachträglich zur Realschule 1. Ordnung erhoben und unterstand nun dem Provinzialschulkollegium in Königsberg. Ab 1870 wurden die Schüler dieser Schulart dann zum Studium an der Universität zugelassen, allerdings beschränkt auf die Philosophische Fakultät (Mathematik, Naturwissenschaften und moderne Fremdsprachen). Auch das pädagogische Lebenswerk Strehlkes hat hohe Anerkennung gefunden: Anläßlich der Feier zu seinem 25jährigen Direktorenjubiläum am 1. Mai 1863 wurde er zum Ehrenmitglied der Geographischen Gesellschaft in Berlin ernannt, und zu seiner Pensionierung 1871 verlieh ihm König Wilhelm I. den Roten Adlerorden 3. Klasse mit Schleife.

Schriften: Aufgaben über das geradlinige Dreieck. Königsberg 1826. – Über die Krümmungshalbmesser der Kegelschnitte. Crelles Journal 1827. – Über den mittleren Barometerstand im Niveau der Ostsee. Progr. d. Cölln. Realgy. 1832. – Analytische Behandlung der Aufgabe von den drei Kreisen, die von einem vierten berührt werden. Crelles Journal 1834. – Über die Auflösung der Gleichungen vierten Grades. Crelles Journal 1835. – Über einige die Gestalt der Erde betreffende Stellen bei Aristoteles und Tacitus. Festschrift zum 300jährigen Jubiläum des Danziger Gymnasiums. Danzig 1858. – Georg Forster’s Geburtsort. Neue Preußische Provinzialblätter, 3. Folge 8, 1861. – Gedanken und Themata für Aufsätze. 1864. – Einige Resultate aus Danziger meteorologischen Beobachtungen. 1871.

Lit.: F. Neumann: Ein Lebensbild Friedrich Strehlkes. In: Schriften der Naturforschenden Gesellschaft in Danzig, Neue Folge Band VI, Heft 4, Danzig 1887. – E. Schumann: Geschichte der Naturforschenden Gesellschaft in Danzig. Danzig 1893. – A. Momber: Zur Erinnerung an den 100jährigen Geburtstag Friedrich Strehlkes. In: Schriften der Naturforschenden Gesellschaft in Danzig, Neue Folge Band IX, Heft 3/4, Danzig 1898. – P. Simson: Geschichte der Schule zu St. Petri und Pauli in Danzig. Danzig 1904. – H. Lingenberg: Danzig als Schulstadt bis zum Ende des 19. Jahrhunderts. In: Zur Bildungs- und Schulgeschichte Preußens. Hrsg. von Udo Arnold. Lüneburg 1988.

 

  H.-J. Kämpfert