Biographie

Strobl, Karl Hans

Herkunft: Sudeten (Böhmen u. Mähren, österr. Schlesien)
Beruf: Redakteur, Schriftsteller
* 18. Januar 1877 in Iglau/Mähren
† 10. März 1946 in Perchtoldsdorf bei Wien

Karl Hans Strobl gehört zu jener literarisch recht produktiven Gruppe deutschnational eingestellter Schriftsteller, die den Kampf der deutschen Bewohner in den Grenzgebieten der Länder der böhmischen Krone zur Abwehr einer tschechischen Überfremdung darzustellen wußten –  lange vor einer unmittelbaren Einflußnahme durch die NS-Ideologie des Dritten Reiches. Bereits als Gymnasiast war Strobl Mitglied der deutschnationalen Verbindung "Teutonia", als Student in Prag beteiligte er sich an den Unruhen gegen den österreichischen Ministerpräsidenten Badeni (wegen dessen Sprachenverordnungen). Strobls Eintreten für die sudetendeutschen Grenzlande kommt vor allem in seinen historischen und den zeitgeschichtlichen Romanen, Novellen und Erzählungen, zum Teil auch in seinen Memoiren zum Ausdruck, weniger in seinen Schauspielen.

Überwiegend eigenes Erleben aus seiner Prager Studentenzeit einbeziehend, wandte sich Strobl in mehreren Romanen (Die Vaclavbude,Der Schipkapaß = Der Flamänder von Prag,Das Wirtshaus Zum König Przemysl) der Situation der in den Burschenschaften organisierten Couleurstudenten zu und charakterisierte darin deren Konfrontationen und Handgreiflichkeiten mit den tschechischen "Widersachern" nicht minder treffend als ihre Trinkfestigkeit. Über die Burschenschaften fand Strobl seinen literarischen Weg zu Bismarck (Bismarck-Trilogie), wobei er für sich das Recht des Romanciers in Anspruch nahm, von der historischen Wahrheit in Richtung eigener Zielsetzungen abzuweichen.

Ein Denkmal liebevollen Erinnerns an seine Heimatstadt Iglau stellt die sogenannte Wünschelruten-Trilogie dar, in der er ebenso Biographisches verarbeitet wie in seiner memoirenhaften Trilogie (1938-1944) aus der Schlußphase seines Schaffens. Mit einer geradezu eigenwilligen Komponente seines literarischen Werkes nähert sich Strobl in seinen phantastischen Romanen und Spukgeschichten E.A. Poe oder E.T.A. Hoffmann. Als beinahe visionär ist der Kampf gegen die Macht des Urbösen in dem Roman Eleagabal Kuperus zu bezeichnen.

Karl Hans Strobl, Sohn eines Kaufmanns, aus einer Ahnenreihe, die bis ins 14. Jahrhundert zurückverfolgt bzw. in Iglau, der einst bedeutenden Bergbau- und Meistersingerstadt, nachgewiesen werden konnte, besuchte in seiner Heimatstadt das Gymnasium und maturierte dort (Matura = Abitur). An der Universität in Prag studierte er Philosophie und Jura und schloß das Studium 1900 mit der Promotion zum Dr. jur. ab. Er war von 1898 bis 1913 im Staatsdienst tätig, zunächst im Kreisgericht Iglau, sodann vor allem im Finanzwesen in Iglau und Brünn (1901 in Brünn Finanzkommissär). Wegen seiner Schwierigkeiten mit tschechischen Vorgesetzten schied er aus dem Staatsdienst aus. Ausgedehnte Reisen führten ihn durch viele Länder Europas, nach Nordafrika und in die Levante.

Ab 1913 arbeitete Strobl in Leipzig freischaffend als Schriftsteller und Redakteur der ZeitschriftDer Turmhahn, letzteres aufgrund eines Angebots des Leipziger Verlegers Staackmann. Während des Ersten Weltkriegs war Strobl als Offizier im Kriegspressequartier bzw. als Kriegsberichterstatter an fast allen Fronten eingesetzt. Als der Sitz des Kriegspressequartiers nach Rodaun bei Wien verlegt wurde, lernte Strobl die benachbarte Gemeinde Perchtoldsdorf kennen und erkor sie 1918 zu seiner Wahlheimat. In seinem Dichterdomizil entfaltete sich sein Schaffen zu voller Reife. Strobl wurde Präsident des österreichischen Schriftstellerverbandes, Ende 1938 Landesleiter der Reichsschrifttumskammer Wien und erhielt später in Würdigung seiner literarischen Leistungen die Goethemedaille.

Das Ende des Zweiten Weltkriegs erlebte Strobl mit seiner Frau in Iglau, so daß er zusammen mit seinen Landsleuten das Schicksal der Vertreibung erlitt. In den Kriegswirren von 1945 wurde sein Perchtoldsdorfer Heim, das "Igelhaus" seiner autobiographischen Trilogie, verwüstet und beschlagnahmt. Strobl zog in ein Altersheim, wo er in Armut starb. Sein Grab auf dem Perchtoldsdorfer Friedhof hat sich erhalten. Sein literarisches Erbe wird vom Iglauer Archiv und im Heimatmuseum auf Schloß Hellestein in Heidenheim an der Brenz verwahrt.

Werke: Und sieh, so erwarte ich dich (Skizzenbuch, 1901).  –  Aus Gründen und Abgründen (phantast. Novellen, 1901). –  Arno Holz und die jüngste deutsche Bewegung (Essay, 1902). –  Die Vaclavbude (Roman, 1902). SYMBOL 150 f "Times New Roman CE" Der Fenriswolf (R., 1903).  –  Die Starken (Schauspiel, 1903).  –  Die Eingebungen des Arphaxat (Novellen, 1904). –  Alfred Mombert. Von Gott und vom Dichter (Essays, 1905). –  Die gefährlichen Strahlen (R., 1906). –  Bettina von Arnim (Essay, 1906). –  Die Nibelungen an der Donau (Festspiel, 1907).  –  Bedenksame Historien (Novellen, 1907).  –  Der Kessel (unter dem Pseudonym Andrejanoff, Drama, Uraufführung 1908 in Brünn). –  Die unfehlbare Wissenschaft (Einakter, 1908). – Der Schipkapaß (R., 1908), neuer Titel: Die Flamänder von Prag (1932). – Mährische Wanderungen (1908).  –  Der brennende Berg (R., 1909).  –  Romantische Reise im Orient (1910).  – Eleagabal Kuperus (R., 1910). –  Die knöcherne Hand und anderes (Novellen, 1911).  – Das Frauenhaus von Brescia (Novelle, 1911).  –  Isgard Gestettner (R., 1911), neuer Titel: Sturm am Bosporus (1929).  – Die Streiche der schlimmen Paulette (R., 1912), neuer Titel: Die Insel der Enttäuschung (1927).  –  Die vier Ehen des Matthias Merenus (R., 1913).  – Das Wirtshaus Zum König Przemysl (R., 1913). –  Die drei Gesellen (R., 1914), neuer Titel: Drei Gesellen erobern die Stadt (1938).  –  Bismarck-Trilogie: Der wilde Bismarck (R., 1915), Eisen und Blut (R., 1915), neuer Titel: Mächte und Menschen, Die Runen Gottes (R., 1919). –  Eine gute Wehr und Waffen (Kriegstagebuch in Versen, 1915). SYMBOL 150 f "Times New Roman CE" Zwischen Weichsel und Karpaten (Erzählung, 1915).  –  Madame Blaubart (R., 1916).  –  Der Krieg im Alpenrot (ein "Kriegsbüchl", 1916).  –  Unheimliche Geschichten (1917). –  Lemuria (Erzählungen, 1917). – Seide Borowitz (R., 1918).  –  Die Kristallkugel (Novellen, 1919). –  Umsturz im Jenseits (R., 1920) –  Gespenster im Sumpf (R., 1920).  – Der Attentäter (R., 1920).  –  Verlorene Heimat (biogr. Erinnerungen, 1920), neuer Titel: Heimat im frühen Licht.  –  Rest weg! (Novellen, 1. Bd. 1920, 2. Bd. 1921). –  Wünschelruten-Trilogie: Die alten Türme (R., 1921); Wir hatten gebauet (R., 1923); Erasmus mit der Wünschelrute (R., 1927). –  Der dunkle Strom (R., 1922).  – Der Zauberkäfer (Erzählung, 1923).  –  Mit Dolch und Regenschirm (Novellen, 1923).  – Der verrückte Schwerpunkt (Novellen, 1923).  – Seltsame Grotesken (1923).  –  Glückhafte Wanderschaft (biogr. Erinnerungen, 1924). –  Der betrogene Tod (Erzählung, 1924).  – Die Wunderlaube (Erzählungen, 1924). – Beelzebubs Meerschaumkopf (Novellen, 1924).  – Das große Abenteuer und andere Geschichten zwischen Sonne und Schatten (1924).  – Holzschnitte (Gedichte, 1924).  – Rex (Tiergeschichte, 1924). –  Geschichten um Mitternacht (6 Bände, 1924).  – Das Geheimnis der blauen Schwerter (R., 1925).  –  Das steinerne Herz (Oper, Musik von Anton Tomaschek, Erstaufführung 1925 in Brünn).  –  Der Goldberg (R., 1926).  –  Sand (Schauspiel, Uraufführung 1926 in Graz). – Die Eier des Basilisken (Erzählungen, 1926).  –  Der Schatz (Schauspiel, 1926).  –  Der Häuptling Sisanda (Novelle, 1927).  –  Heerkönig Ariovist (R., 1927). –  K.P.Q. (Geschichten aus dem Österreichischen Kriegspressequartier = K.P.Q., 1928). –  Zwei Saltzenbrod (R.,1928).  –  Weihnachtsgeschichten (1928).  –  Die Fackel des Hus (R., 1929).  –  Das Grab des weißen Königs (R., 1930).  – Od (R., 1930).  –  Prag (Essay, 1931). –  Goya und das Löwengesicht (R., 1932). –  Die Madonna mit der Armbanduhr (Novellen, 1932).  –  Kamerad Viktoria (R., 1933). –  Prozeß Borowska (R., 1934).  –  Kaiser Rotbart (R., 1935). –  Das Dorf im Kaukasus (R., 1936). –  Die Runen und das Marterholz (R., 1936). – Hunzaches, der Räuber (Novelle, 1937). –  Aber Innozenz (R., 1938); Titel der Verfilmung: Der schüchterne Casanova). –  Feuer im Nachbarhaus (R.,1938). –  Das blaue Wunder (Erzählungen, 1939). –  Totenhorn Südwand (R., 1939). –  Prag, Schicksal, Gestalt und Seele einer Stadt (1939). –  Das beschwipste Karussell (Erzählungn, 1940). –  Bismarck (R., 1940). –  Ein Schicksalstag Ferdinand Raimunds (Novelle, 1942). –  Glas und Glück (R., 1942), neuer Titel: Böhmisches Glas (1969). –  Die Weltgeschichte und das Igelhaus (R., 1944, letzter Band der autobiographischen Trilogie zu: Heimat im frühen Licht, 1920, und Glückhafte Wanderschaft, 1924). – Das verrückte Karussell (Erzählungen, 1961).

Mehrere (weniger bedeutende) Schauspiele und Opernlibretti.

Herausgebertätigkeit: Die Geschichten der Bettina von Arnim (Auswahl, 1905). –  Poe-Brevier (Aussprüche und Aphorismen, 1906).  –  Der Turmhahn (Halbmonatszeitschrift, 1914). –  Franz Ferdinands Lebensroman (Geleitwort von K.H. Strobl, 1919). –  Ludwig Anzengrubers Werke in drei Bänden (1922). – … es wird ein Wein sein (Aufzeichnungen des Weinbauers Berndl Poldl, 1939).

Lit.: Anton Altrichter: Karl Hans Strobl. Ein Lebens- und Schaffensbild, 1927. – R.A. Thalhammer: Karl Hans Strobl, 1938. –  Walter Killy: Literaturlexikon, Band 11, 1981. – J.W. König: Vor 50 Jahren starb Karl Hans Strobl; in: Nordmährisches Heimatbuch 1996.

 

Josef Walter König