Biographie

Strutius, Thomas

Herkunft: Danzig, Pommern
Beruf: Komponist, Organist
* 1. Januar 1621 in Stargard/ Pommern
† 1. Oktober 1678 in DAnig

Thomas Strutius entstammte einer weitverzweigten Musikerfamilie, die in Ostpreußen ansässig war, in Thorn, in der Mark und auch in Pommern wirkte, wie der Geburtsort Stargard in Hinterpommern von Thomas Strutius belegt. Strutius ist die Latinisierung des Namens Strutz, wohl auch Strauß. Diese zeigt, dass die Familie dem gelehrten Musikerstand angehörte. Bei spärlicher Überlieferung ist das genaue Geburtsdatum von Thomas Stru­tius nicht bekannt. Wahrscheinlich war er der Sohn je­nes gleichnamigen Organisten, der 1603 in Stargard seine Stelle angetreten hatte. Anzunehmen ist, dass Thomas Strutius vom Vater erste musikalische Ausbildung erhielt. 1642 wurde er Kan­tor und Organist an der Gymnasialkirche St. Trinitatis in Danzig. Das Danziger Bürger­recht konnte er dann 1647 erwerben. Als Nachfolger des Sweelinck-Schülers Paul Sie­fert, welcher die Stelle über 40 Jahre innehatte, und von Ewald Hinz wurde Thomas Strutius 1668 die bedeuten­de Organistenstelle an St. Marien zu Danzig übertragen.

Strutius, ein „außerordentlich gewandter Kontrapunktiker“ (Eitner), gehört zu den wich­tigen Repräsentanten der besonders in der Mitte des 17. Jahr­hunderts in hoher Blüte ste­henden Danziger Musikkultur. Zu nennen wären Christoph Werner, Kantor an St. Ka­tharinen bis 1650 und Crato Büthner, seit 1654 Kantor und Musikdirektor an St. Katha­rinen, die Kapellmeister an der Marienkirche Kaspar Förster der Ältere und Jüngere so­wie Balthasar Erben, seit 1658 Kapellmeister an der Marien­kirche, sodann der 1686 an die Marienkirche berufene Johann Valentin Meder. Da Danzig durch die staatlich-politi­sche Bindung an die polnische Krone vom 30-jährigen Krieg weitgehend verschont blieb, konnte sich das Musikleben der Stadt im 17. Jahrhundert in vollem Reichtum mit weiter Ausstrahlung entfalten.

Mit einem für die damalige Zeit üblichen Gelegenheitswerk, einer 1655 im Druck er­schienenen Hochzeitsmusik Musikalisches Freudengedicht ist Strutius nachzuweisen. Sie besteht aus drei Teilen: einer instrumentalen Einleitung in kanonischer Form, der Vertonung des für den Anlass gedichteten Hochzeitslieds Nichts lobt man mehr als Früh­lingszeit und zwei Brauttänzen, letztere zum Übergang in das allgemeine Tanzver­gnügen. Das Schaffen von Thomas Strutius galt zunächst, entsprechend seiner Stellung an St. Trinitatis, der gymnasialen Schulandacht. Es waren Stücke der kleineren Form, geistliche Lieder, meist in Mehrstimmigkeit, sowie solche in der Art des klei­neren geist­lichen Konzerts, teils mit instrumentaler Begleitung. Auf Texte des Gymnasial­direktors Professor Johannes Maukisch erschien 1656 die Sammlung Lobsingende Hertzens-An­dacht über die Evan­gelia mit 76 vier- bis fünfstimmigen Liedern für den sonn- und fest­täglichen Gottes­dienst. Zu nennen sei darüber hinaus die Geistliche Sing- und Betstunde, welche 1657 ebenfalls bei Rhetti in Danzig gedruckt wurde, eine Samm­lung von 34 so­li­stischen Generalbaßliedern nach Bibeltexten. Titel wie Morgen-Gesang/ Aus schönen Sprüchen Göttlichen Wortes zu­sammengesetzet/ darinnen ein Student vor alle Wolthäter bittet/ und sich Gott gantz ergiebet oder Abend-Gesang/ Darinnen ein Student sich mit seinem Gott zur Ruhe niederleget/ und alles seinen Händen befiehlet mit seinem beweg­ten Mittelteil, zeigen, dass sie als Andachtslieder für Schule und Haus bestimmt waren. Aber es ist in der Samm­lung auch z.B. das fröhliche Hochzeitslied, bezeichnet als Aria, enthalten, das zu dem von Hein­rich Albert kultivierten Typus des monodischen Lieds Ähnlichkeiten aufweist. Eben­falls 1657 er­schienen seine musikali­schen Dialoge Vierfa­che Musicalische Dienstwillig­keit und spä­ter Einfältige Abbildung des himmlischen Freuden-Leben und Höllen-Angst. In den Sie­ben Worten des Erlösers am Kreuz lässt sich im Wechsel zwischen Arie und Choral schon gewisse dramatische Ambition erkennen, die in dem Christlich wolmeynende Weynachts Gedanken in einem Musikalischen Ge­spräch von 1664 zwar noch aus volks­tümlicher Tradition und von schlichtem Ausdruck sind, aber doch schon oratorische Züge erkennen lassen, ebenso seine 1664 veröffent­lichte Passions­musik Abriß der Musi­calischen Passionsandacht nach dem Matthäus-Evangelium. Im Gespräch vom reichen Mann und armen Lazarus hatte Strutius dann bereits die Richtung zur frühdeutschen Oper eingeschlagen. Diese Entwicklung ergab sich wohl mit zunehmendem Ansehen und dann aus seiner bedeutenden Stellung an der Marienkirche, wo die großbesetzten Festkonzerte statt­fanden, wie sie an St. Trinitatis nicht möglich waren.

Leider ist ein großer Teil seiner Werke verloren gegangen. Von der Matthäus-Passion, welche den Höhepunkt seines Schaffens darstellte, hat sich auch nur das Text­buch er­hal­ten. Aus diesem ist jedoch zu erkennen, dass das Werk als eines der frühesten Zeug­nisse der oratorischen Passion zu bewerten ist. Die dramatische Gestaltung der Matthä­us-Passion im Wechsel von Soliloquenten (Einzelpersonen), Rezitativ, Turba (Volks­szenen), Aria und Choral (Martin Geck MGG). Das Werk stellt einen Markstein in der Entwicklung dieser Gattung dar, die bis in die Gegenwart ihre kompositorische Aus­deu­tung erfährt und mit den Passionen J. S. Bachs ihren ewigen Gipfelpunkt erreichte.

Beachtung fand Thomas Strutius in den letzten Jahren bei musikwissenschaftlichen Konferenzen in Polen und in Deutschland, welche der Musikgeschichte Danzigs gewid­met waren, ebenso ergeben sich durch einige Notendrucke (Bärenreiter, Carus) immer wieder Aufführungen.

Lit.: Div. Musiklexika. – Robert Eitner ADB, Bd. 36 1893, S. 671. – Hermann Rauschning Ge­schichte der Musik u. Musikpflege in Danzig, in: Quellen u. Darstellungen zur Geschichte West­preußens Bd. 15, hrsg. Westpr. Ge­schichtsverein, Danzig 1931, S. 254-270. – Hans Joachim Moser, Die Musik der deutschen Stämme, Wien/Stuttgart 1957, S. 228f., 276. – Franz Kessler, Danzi­ger Kir­chenmusik (enthält zwei Werke), Neuhausen b. Stgt. 1973. – Ders., Musikgeschichte West­preußens in Werner Schwarz, Franz Kessler, Helmut Scheunchen, Musikgeschichte Pommerns, West­preu­ßens, Ostpreußens u. d. baltischen Lande, Dülmen 1989 S. 74-76. – Ders., Die Musik­entwick­lung in Danzig vom 16. bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts in Deutsche Musik in: Ost- u. Südosteu­ropa, Kommission für das Studium der deutschen Geschichte u. Kultur im Osten an der Rheini­schen Friedrich-Wilhelm-Universität Bonn, H. 28, Köln usw. 1997, S. 115.

Bild: St. Johannes und St. Marien in Danzig, nach Merian 1643.

Helmut Scheunchen