Biographie

Stürmer, Viktor

Herkunft: Banat
Beruf: Maler, Graphiker
* 6. April 1914 in Karansebesch/Banat
† 6. Oktober 1990 in Ebermannstadt

Die Vorfahren Viktor Stürmers dienten über Generationen hinweg als Offiziere in den Regimentern der Banater Militärgrenze. Stürmers Vater war bis zum Ende des Ersten Weltkrieges Offizier in einem früheren Österreichischen Grenz-Infanterie-Regiment. So wurden das Leben und wohl auch das gesamte Wesen Viktor Stürmers wesentlich mitgeprägt von jenen festen Tugenden, die für das Ethos jenes Soldatentums kennzeichnend waren.

Viktor Stürmer besuchte die Volksschule in Karansebesch und anschließend das dortige rumänische Gymnasium. Hierüber berichtet er: „Unbemittelt – unser Vater hatte sich nach dem Kriege in der rumänischen Armee nicht mehr aktivieren lassen – konnte ich nicht die deutschen Schulen in Temeschburg oder Hermannstadt besuchen und lernte in einer fremden Schule den Druck, dem die nationalen Minderheiten in Rumänien ausgesetzt waren, unmittelbar kennen. Das Resultat dieser Wechselwirkung von Druck und Gegendruck ist meine nationale Einstellung, nach der sich mein ganzes Leben richtete.“

Im Anschluß an das Abitur im Jahre 1931 studierte Stürmer zwei Semester an der juristischen Fakultät in Klausenburg. Da dieses Studium seinen Neigungen in keiner Weise entsprach, besuchte er ein Jahr lang die Kurse der Kunstakademie in Bukarest und ging mit Hilfe eines Stipendiums 1934 an die Kunstakademie nach Berlin. Im Jahre 1939 kehrte er nach Rumänien zurück, absolvierte das pädagogische Seminar in Bukarest und fand im darauffolgenden Jahr eine Anstellung an der größten deutschen Schule in Südosteuropa, der „Banatia“ in Temeschburg. Im gleichen Jahr heiratete er.

Bei Ausbruch des Krieges mit Rußland wurde Viktor Stürmer zum rumänischen Heer eingezogen und nahm im Rahmen der 1. rumänischen Infanteriedivision als VB (vorgeschobener Beobachter) am Ostfeldzug bis Stalingrad teil, wo seine Einheit eingeschlossen wurde. Kurz vor der Kapitulation noch ausgeflogen, kam er in das deutsche Kriegslazarett von Saporosche. 1943 kehrte er nach Temeschburg zurück und unterrichtete wieder an der „Banatia“, die unterdessen in „Prinz-Eugen-Schule“ umgetauft worden war. Neben seiner Lehrtätigkeit vertrat er den Leiter des großen Schulinternats.

Im September 1944, beim Einmarsch der Russen in Temeschburg, fiel Viktor Stürmer die Aufgabe zu, diesen den gesamten Gebäudekomplex zu übergeben. Kurz darauf wurde er von der NKWD zum erstenmal verhaftet, konnte aber, nach qualvollen Verhören, fliehen. Er tauchte unter falschem Namen in Kronstadt unter und beteiligte sich intensiv an der Betreuung versteckter Wehrmachtsangehöriger. Anfang 1947 zum zweitenmal von der NKWD verhaftet und nach Konstanza am Schwarzen Meer gebracht, wurde er dort zum Tode verurteilt und schließlich nach 25 Jahren Zwangsarbeit begnadigt. In den folgenden acht Jahren – bis 1955 – lernte Viktor Stürmer eine ansehnliche Zahl Zwangsarbeitslager der Sowjetunion, vom Nördlichen Eismeer bis hin zur mongolischen Grenze und dem Stillen Ozean, kennen. Von den Spuren zahlreicher schwerer Krankheiten gekennzeichnet, kehrte er 1955 nach Kronstadt zurück. Der Unterricht an Schulen wurde ihm kategorisch untersagt. So suchte er seinen Weg in der Kunst.

Zwischen 1956 und 1968 illustrierte Stürmer ungefähr 30 Bücher, darunter deutscher Autoren wie Schuster, Dutz, Erwin Wittstock, Hans Bergel, Georg Scherg, Alexander Tietz und Hans Liebhardt, sowie für die beiden rumänischen Schriftsteller Alexandru Mitru und Victor Eftimiu. Diese Arbeit machte dem Künstler Freude und wurde – den Umständen entsprechend – anerkannt. Zur selben Zeit arbeitete er als Bühnenbildner am Staatstheater in  Kronstadt und erhielt schließlich auch die Genehmigung zum Unterricht an der Volksschule in der gleichen Stadt. Als Mitglied der Künstlergilde in Rumänien stellte er seine Arbeiten bei den Jahresausstellungen in Kronstadt und den Landesausstellungen in Bukarest einer breiten Öffentlichkeit vor. Obwohl Stürmer auf der Kunstakademie die Malerei studiert hatte, faszinierte ihn immer wieder der schwarze Strich der Graphik, in deren Schwarz-Weiß er sich am besten seinen Träumen und Phantasien überlassen konnte. Aber auch das eigene schwere Erleben 1941 und 1971 findet in den geschwungenen schwarzen Linien beredten Ausdruck. So wirken seine Bilder und Graphiken eher düster und stimmen den Betrachter nachdenklich. Der systemimmanenten Methode von Zuckerbrot und Peitsche von Anbeginn überdrüssig, hoffte der Künstler auf Befreiung von der seelischen Not durch die Umsiedlung nach Deutschland, was ihm schließlich – nach zwölfjähriger Wartezeit – im Jahre 1971 gelang. Viktor Stürmer lebt heute (1983) in Freilassing. Trotz seiner schwer angeschlagenen Gesundheit – er ist Schwerkriegsbeschädigter – arbeitet er in seiner neuen Heimat weiter und hat sich auf dem Gebiet der bildenden Kunst noch einige feste Ziele gesetzt, die er verwirklichen möchte. Neben einigen Illustrationswerken erschien im Herbst 1982 eine Mappe mit 30 Graphiken, die „Donauschwäbische Passion“ genannt. Dieser erschütternde Zyklus, entwachsen aus eigenem Erleiden, zeugt von dem großen Einfühlungsvermögen des Künstlers in das Schicksal seiner Zeitgenossen. Weitere Zyklen sind in Vorbereitung. Eigene Ausstellungen: Salzburger Residenz, Straßburg, Kempten, Memmingen, Sindelfingen, Traunstein. Sammelausstellungen: Haus der Kunst München, Wien, Wels, Gruppe 58 in Traunstein.