Biographie

Suttner, Bertha von

Herkunft: Sudeten (Böhmen u. Mähren, österr. Schlesien)
Beruf: Schriftstellerin, Pazifistin
* 9. Juni 1843 in Prag
† 21. Juni 1914 in Wien

Ein Buch gegen ihre Zeit, eine Zeit der Kriegsverherrlichung und des hemmungslosen Wettrüstens, hat Bertha von Suttner berühmtgemacht, und sein Titel ist noch heute, ein Jahrhundert nach seiner Erstpublikation, ein geflügeltes Wort: Die Waffen nieder! Die Lebens- und Leidensgeschichte der Martha Althaus, einer Wiener Hocharistokratin und Generalstochter, die in den vier mitteleuropäischen Kriegen von 1859 bis 1870/71 ihre nächsten Angehörigen auf dem Schlachtfeld, durch Seuchen sowie, während der Pariser Kommuneherrschaft, durch einen grundlosen Spionageverdacht verlor und sich zu einer entschiedenen Kriegsgegnerin entwickelte, erschien 1889. Es war nicht, wie Stefan Zweig in einem 1917 gehaltenen Vortrag über die Friedensnobelpreisträgerin von 1905 irrtümlich annahm, ihr erstes Buch, sondern bereits ihr neuntes, und es ist mit seiner milieuechten, in den Seuchen- und Lazarettszenen naturalistisch schockierenden Darstellungskunst, die sein Anliegen, die radikale Kriegsächtung, wirkungsvoll zur Geltung bringt, wahrhaftig nicht das Buch einer Anfängerin. Sechsjährige schriftstellerische Bemühungen und sechsundvierzigjährige, in jeder Hinsicht außergewöhnliche Lebenserfahrungen waren ihm vorangegangen und kamen ihm zugute. Den unmittelbaren Anstoß zu ihrem Welterfolgsroman, dessen Auflagenhöhe noch zu ihren Lebzeiten das zweite Hunderttausend überschritt, gaben ihr erste, im Winter 1886/87 angeknüpfte Verbindungen mit der internationalen Friedensbewegung.

„Ich hatte das Buch geschrieben", so erinnerte sich die Autorin in ihren 1909 erschienenen Memoiren, „um der Friedensbewegung, von deren beginnender Organisation ich erfahren hatte, einen Dienst zu leisten in meiner Art – und die Beziehungen und Erfahrungen, die mir aus dem Buche erwachsen sind, haben mich in die Bewegung immer mehr hineingerissen, so sehr, daß ich schließlich nicht nur, wie ich anfangs gewollt, mit meiner Feder, sondern mit meiner ganzen Person dafür eintreten mußte." Daß die noch während des Zeitalters der Metternichschen Restauration in der Hauptstadt des damaligen österreichischen Kronlandes Böhmen als postume Tochter des Grafen Kinsky von Chinic und Tettau, eines pensionierten k. k. Feldmarschalleutnants, geborene und eine Woche vor den weltkriegsauslösenden Schüssen von Sarajewo gestorbene Gräfin Bertha Sophia Felicita das letzte Drittel ihres Lebens als die von wenigen zwar verehrte, von der Menge hingegen bestenfalls milde belächelte „Friedensbertha" verbringen würde, hätte sie in ihren frühen Jahren selber am allerwenigsten für mehr denn eine absurde Fabelei gehalten. Normalerweise wäreihr, einem ungemein schönen und klugen jungen Mädchen aus bestem Vaterhause, eine beneidete Salonexistenz an der Seite eines namhaften Hocharistokraten zuteil geworden. Doch ihre Lebensbahn verlief exzentrischer.

Schon die Eheverbindung des dem böhmischen Uradel angehörenden Grafen Kinsky mit Sophia Wilhelmine von Körner, einer Adligen der niedersten Rangstufe, der ihre Verwandtschaft mit dem Dichter Theodor Körner jedenfalls keine irgendwie herausgehobene gesellschaftliche Stellung sichern konnte, verschloß Bertha die exklusive Wiener Gesellschaft. Trotzdem hätte sie, wenn auch keinen österreichischen, so doch einen veritablen Prinzen ehelichen können, den Fürsten Adolf Sayn-Wittgenstein-Hohenstein, wenn der ihr Verlobte nicht auf der Überfahrt nach Amerika, wo er eine Sängerkarriere antreten wollte, ganz unvermutet gestorben wäre. Auch ihre eigenen Hoffnungen auf eine Sängerinnenlaufbahn zerschlugen sich; die Mutter verspielte ihrer beider Vermögen, und so sah sich die mittlerweile Dreißigjährige gezwungen, eine Erzieherinnen-Position im Hause des Barons von Suttner in Wien anzunehmen.

Drei Jahre später versuchte sie vergeblich, die Liebe, die sie inzwischen zu Suttners Sohn Artur Gundaccar gefaßt hatte, über einer Beschäftigung als Sekretärin bei dem in Paris lebenden Dynamit-Krösus Alfred Nobel zu vergessen. Nach wenigen Tagen schon kehrte sie nach Wien zurück, ließ sich heimlich, da sie keine Zustimmung zu einer Heirat seitens seiner Familie erhoffen durfte, mit dem Geliebten trauen und floh mit ihm nach dem Kaukasus, wo sie die Fürstin von Mingrelien, eine alte Freundin aus Homburger Spielbank- und Pariser Gesangsstudienzeiten, gastlich aufnahm. In ihrem Refugium begann sie, nach dem Vorbild ihres Gatten, um des Gelderwerbs willen zu schriftstellern. Seit 1885 lebte Bertha von Suttner, versöhnt mit den Schwiegereltern, wieder in ihrer Heimat, wo sie 1891 die österreichische Friedensgesellschaft gründete, deren Präsidentin sie bis zu ihrem Todesjahre blieb. Seit Die Waffen nieder! gehörte ihr ganzes Sinnen und Trachten der Propagierung der Friedensidee. Alfred Nobel konnte sie als Mäzen gewinnen, und seine Stiftung des Friedenspreises war somit auch ihr Werk.

Der Tod Artur Gundaccars im Dezember 1902 ließ die kinderlos Gebliebene vereinsamen. Den letzten Höhepunkt ihres Lebens bildete ihr Vortrag vor dem Nobel-Comitee des Storthing zu Christiania am 18. April 1906 anläßlich der Entgegennahme des ihr zuerkannten Friedenspreises. Ungebrochen blieb ihr Glaube an eine bessere und friedlichere Zukunft. „Das Gewesene und Seiende", so faßte sie in Christiania ihre in einem langen, hellwachen, intensiv gelebten Dasein gewonnene Einsicht in ein Bild, „flieht am Zeitstrome zurück wie die Landschaft des Ufers; und das auf dem Strom getragene, mit der Menschheit befrachtete Schiff treibt unablässig den neuen Gestaden dessen zu, was wird. Daß das Werdende, das Erzielte immer um einen Grad besser, höher, glücklicher sich gestaltet als das Gewesene, das Überwundene, das ist die Überzeugung derer, die das Entwicklungsgesetz erkannt haben und die an seiner Betätigung mit zu helfen sich bemühen." Bertha von Suttner starb mitten in den Vorbereitungen für einen Weltfriedenskongreß in Wien. Zuletzt, von Krankheit gezeichnet, war sie bisweilen doch müde geworden und sehnte sich nach Ruhe in einem von ihr erworbenen Landhaus in der Südsteiermark. „Gras riechen. Besonders eigenes Gras wird gut duften und der eigene Kuckuck lieblich rufen", so lautete eine ihrer letzten Tagebuchaufzeichnungen. Die ersehnte Ruhe fand sie auf dem Urnenfriedhof in Gotha.

Werke: Bertha von Suttners gesammelte Schriften in 12 Bdn., Dresden: E. Pierson 1906. – Memoiren, Stuttgart: Deutsche Verlags-Anstalt 1909. – Die Waffen nieder! Eine Lebensgeschichte, hrsg. u. mit einem Nachwort von Sigrid u. Helmut Bock, Berlin: Verlag der Nation 1990.

Lit.: Beatrix Kempf: Bertha von Suttner. Das Lebensbild einer großen Frau. Schriftstellerin, Politikerin, Journalistin, 2., unveränd. Aufl., Wien: österreichischer Bundesverlag 1965. – Kämpferin für den Frieden: Bertha von Suttner. Lebenserinnerungen, Reden und Schriften. Eine Auswahl, hrsg. u. eingel. von Gisela Brinker-Gabler, Frankfurt am Main: Fischer Taschenbuch-Verlag 1982 (= Die Frau in der Gesellschaft. Texte und Lebensgeschichten. Hrsg. v. Gisela Brinker-Gabler).

Bild: Bildnis Bertha von Suttners aus dem Jahre 1886, reproduziert aus: B. v. Suttner: Memoiren. Stuttgart: Deutsche Verlags-Anstalt 1909, neben Seite 176.