Biographie

Swoboda, Karl Maria

Herkunft: Sudeten (Böhmen u. Mähren, österr. Schlesien)
Beruf: Kunsthistoriker
* 28. Januar 1889 in Prag
† 11. Juli 1977 in Rekawinkel

Am 21. Januar 1889 wurde Karl Maria Swoboda als ältester Sohn von Berta und Karl Swoboda, einem österreichischen Staatsbeamten tschechischer Herkunft, in Prag geboren. Während der Vater von Karl Maria Swoboda wohl eher zum Deutschnationalismus tendierte, scheinen sowohl sein Großvater, der bekannte Leitmeritzer Arzt Vaclav Swoboda, als auch sein Urgroßvater, der Prager Gymnasialprofessor Frantisek Swoboda, tschechische Patrioten gewesen zu sein.

Im Jahre 1909, der Zeit, in der Karl Maria Swoboda das deutsche Staatsgymnasium auf der Kleinseite in Prag besuchte, wurde sein Vater in die österreichische Stadt Graz versetzt. Dort lernte Karl Maria bald Josef Strzygowski kennen, einen bekannten Kunsthistoriker der Wiener Schule, der kurz darauf den ersten kunstgeschichtlichen Lehrstuhl in Wien erhielt. Auch Swoboda studierte dann am zweiten kunsthistorischen Institut in Wien bei Julius von Schlosser und Max Dvořák. Im Jahre 1913 promovierte Swoboda bei letzterem über das Baptisterium in Florenz.

In diesem Jahr absolvierte er die Staatsprüfung am Institut für Österreichische Geschichtsforschung. Außerdem heiratete Swo­boda die südböhmische Kamilla Rabl, die in Wien ein Hutmacheratelier führte und zwei Jahre später ihren gemeinsamen ersten Sohn Michael zur Welt brachte.

Im Jahre 1912 fertigte Swobodas Freund Oskar Kokoschka ein Kreideportrait von Swoboda an. Des Weiteren schuf Kokoschka mindestens zwanzig Zeichnungen und Portraits von Kamilla Swoboda, die dem Klavierspiel ihres Mannes bei Hauskonzerten intensiv lauschte. Im Jahre 1921 erschien eine Reihe dieser Bildnisse mit dem Titel Variationen über ein Thema, zu dem der genannte Kunsthistoriker Max Dvořák ein kunstgeschichtlich bedeutendes Vorwort publizierte.

Swoboda wurde im Februar des Jahres 1914 der Assistent von Dvořák und arbeitete dort sieben Jahre lang in dieser beruflichen kunsthistorischen Position. Im Jahre 1916 habilitierte sich Karl Maria Swoboda mit dem Titel Römische und romanische Paläste, das fortan zu den kunstgeschichtlichen Standardwerken zählte, bei Julius von Schlosser. 1930 erhielt Swoboda den Grad eines außerordentlichen Professors und wurde vier Jahre später an die Universität in Prag gerufen.

Swoboda hatte nicht nur tschechische Vorfahren, sondern er beherrschte sowohl die tschechische als auch die deutsche Sprache ausgezeichnet. Seine Antrittsvorlesung mit der Überschrift Neue Aufgaben der Kunstgeschichte entwickelte sich zu seinem bedeutendsten methodischen literarischen Werk.

Im Jahr seiner Berufung an die deutsche Karlsuniversität in Prag ließen sich Kamilla und Karl Maria Swoboda scheiden. Während er in Prag lehrte und unterrichtete, verblieb Kamilla zunächst in Wien, bis sie vier Jahre später, im Sommer 1938, ebenfalls nach Prag zog. Im Jahre 1940 heiratete Swoboda die aus Österreich stammende Hermine Hein, die immer wieder versucht hatte, Kamilla wegen ihrer Nationalität zum Auswandern zu bewegen. Glücklicherweise war der gemeinsame Sohn Michael bereits in Sicherheit im Ausland. Kamilla hingegen wurde im Mai 1942 nach Theresienstadt deportiert und kam dann mit dem Todestransport nach Lublin, wo sich ihre Spuren verliefen.

Swobodas Lehrtätigkeit in Prag wurde kurz vor Beendigung des Zweiten Weltkrieges abgebrochen. Während Swoboda von den Nationalsozialisten verhaftet wurde, befreiten ihn seine tschechischen Kollegen auf Anraten seiner Frau aus dem Gefängnis. Sie versicherten, dass er während seines Ordinariats in Prag als Gegner der Nationalsozialisten aufgetreten sei und sich dessen auch nicht geschämt habe. Außerdem habe er sich persönlich für die Begnadigung von zum Tode verurteilten Bekannten tschechischer Herkunft ausgesprochen.

Bis zum Jahre 1946 blieben Swoboda und seine Frau in Prag. Ende Juni wurde Swoboda zum ordentlichen Professor an der Wiener Lehrkanzel ernannt und damit zum Nachfolger von Hans Sedlmayr, der im Jahre 1945 im den vorzeitigen Ruhestand versetzt worden war.

Das erste, am Ende des Zweiten Weltkrieges herausgegebene Werk Swóbodas war ein kurzer Aufsatz, nämlich die im Jahre 1947 publizierte Arbeit: Rubens und Europa. In diesem Aufsatz werden der Norden Europas und dessen Bevorzugung der Naturwissenschaften sowie der technischen Erfindungen und Errungenschaften und gleichzeitig die in Fragestellung aller religiösen Ideen und Glaubensfragen in Verbindung mit dem zunehmenden Materialismus kritisiert.

Die Gegensätze zwischen Barock und Klassizismus faszinierten Swoboda und brachten ihn dazu, diese weiter zu bearbeiten. Der Aufsatz Gotik und Vorzeit ist ein Ausdruck seines Zwiespaltes zwischen Barock und Klassizismus, zwischen Rubens, dem Maler des Barock schlechthin, und den Malern des Klassizismus wie Ingres und Delacroix oder auch den Nazarenern, etwa Overbeck und Cornelius. In den kommenden Jahren verfolgte Swoboda die Idee dieser wechselseitig aufeinander treffenden Weltbilder und kehrte mit ihnen bis an ihre zeitlichen Wurzeln zu Beginn der Menschheitsgeschichte zurück.

Karl Maria Swoboda fügte seinen kunsthistorischen Vorlesungen in Wien seit 1946 meist auch ethnologische, völkerkundliche und früh- und vorgeschichtliche Aspekte und Fragestellungen hinzu. So beruhten die historischen und kunstgeschichtlichen Belange nach Swoboda vor allem auf prähistorischen Parabeln und hätten dort ihre Ursprünge begründet. Swoboda unterschied hierbei präzise zwischen Urkulturen mit animalischem, totemistischem und mit magischem Verhalten. Die politischen Fragestellungen und Folgen, die Swoboda in seinen vor allem völkerkundlich orientierten Wiener Vorlesungen nach 1946 thematisierte, wurden jedoch kaum analysiert und reflektiert.

Nicht zuletzt übte Josef Strzygowsks Die europäische Kunst von 1924 großen Einfluss auf Swoboda aus. So verband Swoboda die Tradition der Wiener Schule mit den Interpretationen und Fragestellungen Josef Strzygowskis.

Im Juli 1977 starb Karl Maria Swoboda in Rekawinkel bei Wien.

Lit.: Otto Benesch/Otto Demus/Renate Wagner Rieger/Gerhardt Schmidt (Hrsg.), Festschrift Karl Maria Swoboda zum 28. Jänner 1959, 1959. – Karl Maria Swoboda, Kunst und Geschichte. Vorträge und Ansätze, 1969. – Reinhold Graf Bethusy-Huc (Hrsg.), Oskar Kokoschka. Das Konzert. Variationen über ein Thema. Hommage à Kamilla Swoboda, Salzburg 1988. – Sigrid Canz, Karl Maria Swoboda (1889-1977) Kunsthistoriker: Wissenschaftler zwischen Wien und Prag, in: Monika Gettler/Alena Miskova (Hrsg.), Prager Professoren 1938-1948, Essen 2001, S. 175-195. – Hans H. Aurenhammer, Zäsur oder Kontinuität? Das Wiener Kunsthistorische Institut im Ständestaat und im Nationalsozialismus, in: Wiener Jahrbuch für Kunstgeschichte 2004, S. 11-54. – Hans H. Aurenhammer, Das Wiener Kunsthistorische Institut nach 1945, in: Margarete Grandner (Hrsg.), Zukunft mit Altlasten. Die Universität Wien 1945 bis 1955, 2005, S. 174-188.

Bild: Institut für Kunstgeschichte der Universität Wien.

Ulrike Gentz