Biographie

Tau, Max

Herkunft: Schlesien (Ober- u. Niederschlesien)
Beruf: Verlagsdirektor, Schriftsteller
* 19. Januar 1897 in Beuthen/Oberschlesien
† 13. März 1976 in Oslo

Max Tau entstammte einer jüdischen Kaufmannsfamilie. Seine Eltern waren Nathan Tau und Julie, geb Julius. 1899 wurde seine Schwester Friedel geboren, sein Bruder Fritz kam 1902 zur Welt. In der oberschlesischen Industriestadt Beuthen herrschte seit jeher ein tolerantes Klima zwischen den Konfessionen, und eine jüdische Gemeinde gab es dort bereits seit dem 17. Jahrhundert. Mitten im Winter, am 19. Januar 1897, wurde Max geboren. Er war kaum lebensfähig und kränklich. Die Tage nach seiner Geburt beschrieb er in einigen seiner Bücher wie folgt: „Der kleine, schwach atmende Körper wurde in eine Zigarrenkiste gelegt und in den Backofen geschoben. Man war um die Mutter besorgt. Als ich schließlich zu atmen begann, schien es beinahe ein Wunder zu sein. Aber noch lange war mir der Tod näher als das Leben…“

In seiner Kindheit blieb Max über Jahre hin schmächtig, er lernte nur mühsam und stotternd das Sprechen. Gern verbrachte er lange Wochen in der frischen und sauberen Luft auf dem Hofgut seiner Großeltern in Ostpreußen. Auch als Grundschulkind konnte er über längere Zeit noch nicht alle Buchstaben richtig aussprechen.

Glücklicherweise hatte er kameradschaftliche Mitschüler und verständnisvolle Lehrer. Gut gefördert wechselte er auf das Humanistische Gymnasium. Hier erwies er sich, was niemand hatte voraussehen können, gerade auf sprachlichem Gebiet als hochbegabt, so dass sein Deutschlehrer zunächst vermutete, er könne seine Aufsätze nicht selbst verfasst haben.

Allerdings zeigte Max für Mathematik keinerlei Eignung. Nach heutigem Wissensstand litt er wahrscheinlich an Dyskalkulie. Da seine Lehrer jedoch von seiner überdurchschnittlichen sprach­lichen Begabung überzeugt waren, sorgten sie beim preußischen Kultusministerium in Berlin dafür, dass ihr ungewöhnlicher Schüler durch eine Sonderregelung das Abitur ablegen und studieren konnte. Zum Studium der Literaturwissenschaft, der Philosophie und der Psychologie begab sich Max Tau nach Berlin und nach Hamburg. 1927 promovierte er in Kiel.

Bereits neben seinem Studium her schrieb er Artikel für bedeutende große Zeitungen und arbeitete als Lektor bei verschiedenen Verlagen. Sein Landsmann und Berliner Verleger, Bruno Cassirer, erkannte den untrüglichen Spürsinn des jungen Mannes für literarische Talente, vertraute dessen sicherem Urteil und überließ ihm daraufhin das Cheflektorat.

Eine Reihe später berühmt gewordener Autoren aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts verdanken Max Tau ihre Entdeckung, darunter die junge Marie-Luise Kaschnitz und Wolfgang Koeppen. Auch Dichtern seiner Heimat verhalf er auf ihren Weg, zum Beispiel August Scholtis und Horst Lange. Die skandinavische Literatur wurde durch ihn den deutschen Lesern nahegebracht und erschien in deutschen Übersetzungen.

Das Jahr 1938 brachte auch ihm einen tiefen Einschnitt in sein bisher erfolgreiches Leben und Wirken und änderte brutal seinen Lebensplan. Sein Chef, Bruno Cassirer, der ebenfalls Jude war, rettete sich nach England. Max, der unverbrüchlich an eine Wendung zum Guten glaubte, blieb zunächst in Deutschland, obwohl man ihn bereits aus der Reichsschrifttumskammer ausgeschlossen hatte. Doch die Zerstörung der Synagogen und jüdischer Geschäfte, schreckten auch ihn endlich auf.

Aber erst auf entschiedenes Drängen seiner Freunde hin floh er gerade noch rechtzeitig nach Norwegen, wo man ihn bereits kannte. Hatte er sich doch erfolgreich dafür eingesetzt, Deutschland mit der skandinavischen Literatur bekannt zu machen. Er war dort also kein Fremder, wurde überaus freundlich aufgenommen und unterstützt, bis deutsche Soldaten auch dieses Land besetzten. Norwegische Freunde lieferten sich selbst Gefahren aus und verhalfen ihm und weiteren Emigranten zur abenteuerlichen Flucht nach Schweden.

Ein Jahr nach Kriegsende kehrte Max Tau nach Oslo zurück, heiratete die Norwegerin Tove Filseth und ließ sich mit ihr für immer in der norwegischen Hauptstadt nieder. Tove war Referentin der Nansen-Hilfe gewesen und hatte vor allem während des Krieges in Prag mit dafür gesorgt, dass Verfolgte nach Norwegen emigrieren konnten. Max Tau wurde die norwegische Staatsbürgerschaft verliehen, und er widmete sich nun intensiv dem eigenen Schreiben und dem Aufbau einer Friedensbibliothek. Zeitweise war er sogar Jurymitglied zur Ermittlung der jeweiligen Literaturnobelpreisträger.

Bis zu seinem Lebensende am 13. März 1976 setzte sich der Mann, der nicht hassen konnte, mit seinen Büchern und Vorträgen für Hilfsbereitschaft, Frieden und Versöhnung ein, obwohl er durch die Nazis geliebte Menschen wie seine Mutter verloren hatte.

Aus dem Jahr 1974 stammt das folgende Zitat: „Die Menschen in meiner Heimat lehrten mich, dass Einfachheit das Wesentliche und Größte ist. Nur durch Einfachheit kann man das erreichen, was den Wert des Lebens ausmacht, nämlich das Nachdenken für den anderen, die Hingabe an den anderen und das höchste Geschenk, die Freundschaft… Nur wer vergeben kann, vermag auch den Frieden in sich selbst zu erreichen… Keine Verurteilung der Schuldigen und keine Sühne kann der unschuldigen Jugend die Kraft verleihen, für die Veränderung zu sorgen, … wir müssen ihr etwas vom Licht der Zukunft zeigen. Nur das Vorbild, das Beispiel, vermag zu überzeugen… Mir war es vergönnt, in der Zeit des Unmenschen Menschlichkeit zu erleben. Darum will ich für das Gute zeugen, das meine Eltern, meine Erzieher, meine Freunde mir gaben. Dieses Buch ist ein Dank aber auch an alle Ungenannten, die mir nahe sind und mir in bösen Zeiten geholfen haben, das Leben weiter lieben zu können.“

Bereits 1948 erschien seine Biografie mit dem ungewöhnlichen Titel: ‚Glaube an den Menschen‘ und etwas später: ‚Denn über uns ist der Himmel‘. Den 1950 neu geschaffenen Friedenspreis des Deutschen Buchhandels empfing Max Tau als erster.

1961 veröffentlichte Hoffmann und Campe sein Buch: ‚Das Land, das ich verlassen musste‘, drei Jahre später folgte: ‚Ein Flüchtling findet sein Land‘. Seine Leserschar wuchs und erwartete 1968 den folgenden Band: ‚Auf dem Wege der Versöhnung‘. Noch ein weiteres Buch, das ohne Jahresangabe erschien, trägt den Titel: ‚Trotz allem‘.

Max Tau erhielt weitere Preise und Auszeichnungen:

1965 den Nelly-Sachs-Preis,
1969 die Max Lippmann – Walter Meckauer – Gedenkmedaille, eine Auszeichnung des Wangener Kreises – Gesellschaft für Literatur und Kunst: Der Osten,
1970 den Sonning-Preis,
1972 das Große Verdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland mit Schulterband und Stern,
1974 den Humanitasring des Ost-West-Kulturwerks.

In diesen Jahren zeichnete ihn Norwegen mit einer besonderen Ehrung aus und ernannte ihn zum Ritter des Königlichen St. Olavs-Ordens.

Es erschien eine vom Wangener Kreis herausgegebene Anthologie, die ihm gewidmet wurde. Unter dem Titel: ‚Max Tau – Freund der Freunde‘ versammelten sich über 30 bedeutende Zeitgenossen, die über ihn schrieben, darunter Albert Schweitzer, Nicos Kazantzakis, Willy Brandt, Hermann Kasack, Horst Bienek, seine Frau Tove, sein Bruder Fritz, der nach Israel emigriert war, wie auch einige seiner norwegischen und deutschen Freunde.

Auch Zitate von Max Tau sind in den Band eingestreut: „Mit Hass kann man nicht aufbauen.“ Oder: „Wir haben eine große pädagogische Aufgabe vor uns, wir sind verpflichtet, den Mut und die Abenteuerlust des Krieges in die Tatkraft und in die Phantasie für den Frieden umzuwandeln. Wir vermögen dies nur, wenn wir die stärkste Kraft aufs Neue entdecken: die wahre Menschlichkeit.“

Bild: Emil Stumpp Lithographie Berlin, 1929, gemeinfrei

Monika Taubitz