Biographie

Taut, Bruno

Herkunft: Ostpreußen
Beruf: Architekt
* 4. Mai 1880 in Königsberg i.Pr.
† 24. Dezember 1938 in Istanbul

Bruno Taut erhielt seine Ausbildung an der Baugewerksschule seiner Heimatstadt. Seit 1903 war er im Büro des Architekten Bruno Möhring in Berlin tätig, von 1906 bis 1908 bei Theodor Fischer in Stuttgart. 1909 eröffnete er in Berlin gemeinsam mit Franz Hoffmann ein Architekturbüro, in das 1914 auch sein Bruder Max Taut (geboren 1884 in Königsberg, gestorben 1967 in Berlin) eintrat. Zu seinen frühen Arbeiten gehört ein Turbinenhaus in Wetter/Ruhr (1908), ein Erholungsheim in Bad Harzburg (1909/1910) und mehrere Apartmenthäuser in Berlin. 1912 erfolgte seine Berufung zum beratenden Architekten der Deutschen Gartenstadtgesellschaft. Er entwarf für sie die Gartenvorstädte in Magdeburg (1913/1914 und 1921) und in Falkenberg bei Berlin (1913/1914). Der Pavillon des Deutschen Stahlwerksverbandes und des Verbandes der Deutschen Brücken- und Eisenbahnfabriken auf der Internationalen Baufachausstellung von 1913 in Leipzig und der Pavillon des Luxfer-Prismen-Syndikats auf der Werkbundausstellung von 1914 in Köln machten seinen Namen in Fachkreisen bekannt. Durch das letztgenannte Bauwerk kam er in Verbindung mit dem Schriftsteller Paul Scheerbart, dessen Ideen von einer vom Baumaterial Glas bestimmten Architektur („Glasarchitektur", 1914) ihn in starkem Maße beeinflußten.

Während des 1. Weltkrieges verfaßte Bruno Taut die polemischen Schriften, die später unter den Titeln „Die Stadtkrone" (Jena 1919) und „Alpine Architektur" (Hagen 1919) erschienen. 1918 gehörte er zu den Mitunterzeichnern des Programms des Politischen Rates geistiger Arbeiter und gründete zusammen mit anderen den Arbeitsrat Kunst sowie die Novembergruppe. Nach dem Ende des Weltkriegs war er der Führer des utopischen Flügels des Expressionismus in der deutschen Architektur und übte über den Arbeitsrat für Kunst, die Gläserne Kette (einen Zusammenschluß von Architekten, Künstlern und Kritikern) sowie die Zeitschrift Frühlicht einen weitreichenden Einfluß aus. Diese Phase seines von utopischen Vorstellungen bestimmten Denkens war jedoch von kurzer Dauer. Nach 1920 entwickelte sich bei ihm eine vom Rationalismus bestimmte Sicht der Dinge. Von 1921 bis 1923 war er Stadtbaumeister in Magdeburg und führte ein heftig diskutiertes Programm zur farbigen Fassadenrestaurierung durch. Im Jahr 1924 wurde er beratender Architekt der GEHAG (Gemeinnützige Heimstätten-, Spar- und Bau-Aktiengesellschaft) in Berlin und zeichnete verantwortlich für viele ihrer Großsiedlungen. Dadurch hatte er Gelegenheit, seine Theorien für eine funktionale und arbeitssparende Architektur zu verwirklichen. Die Ergebnisse seiner Bautätigkeit zählen zu den bedeutendsten Leistungen auf dem Gebiet des Massenwohnungsbaues im 20. Jahrhundert. Besonders zu nennen sind die Großsiedlung Britz (1925-1930, zusammen mit Martin Wagner, vergl. Ostdeutsche Gedenktage 1985, S. 186-187), und die Großsiedlung Onkel Toms Hütte (1926-1931). Von 1930 bis 1932 war er Professor für Architektur an der Technischen Hochschule in Berlin-Charlottenburg; 1931 wurde er zum Mitglied der Preußischen Akademie der Künste berufen.

Nach der nationalsozialistischen Machtergreifung zur Emigration gezwungen, lebte er bis 1936 in Japan, wo er am Crafts Research Institute in Sendai arbeitete und über japanische Kunst und Kultur schrieb. 1936 wurde er zum Professor an die Kunstakademie in Istanbul berufen. Nach seinen Entwürfen entstanden Schulen in Ankara, Izmir und Trabzon, Universitätsbauten in Ankara und sein eigenes Wohnhaus in Ortaköy (1937/1938).

Lit.: Kurt Junghanns: Bruno Taut 1880-1938. Berlin (Ost) 1970; Hans-Joachim Kadatz: Wörterbuch der Architektur. Leipzig 1980; Bruno Taut 1880-1938. Ausstellung der Akademie der Künste. Berlin 1980; Iain Boyd Whyte: Bruno Taut. Baumeister einer neuen Welt. Stuttgart 1981; Hatje-Lexikon der Architektur des 20. Jahrhunderts. Stuttgart 1983; Die deutsch-türkischen Beziehungen von 1924 bis 1938. Eine Ausstellung. Frankfurt/M. 1987.