Biographie

Teuchert, Eduard

Herkunft: Sudeten (Böhmen u. Mähren, österr. Schlesien)
Beruf: Jurist und Bürgermeister
* 16. September 1825 in Ottendorf/Niederschlesien
† 13. März 1883 in Gleiwitz

Teuchert hat sich im 19. Jahrhundert zuerst in niederschlesischen Provinzstädten und später, in der aufstrebenden, oberschlesischen Industriestadt Gleiwitz einen Ruf als sehr fähiger Ratsherr und Bürgermeister erworben. Sein vollständiger Vorname lautet Eduard Hermann Ferdinand. In der Literatur wird er auch manchmal mit dem Rufnamen Hermann erwähnt.

Seine berufliche Karriere verlief nicht immer glatt und problemlos . Anders als viele seiner Zeitgenossen, war er zeitlebens kein angepasster, königstreuer Untertan sondern ein aufrechter, liberal denkender Demokrat, selbstbewusster Bürger und auch deutscher Patriot. Sein Leben verlief in einer gewissen gesellschaftspolitischen Distanz zu Adel und Monarchie. Den Idealen aus der Studentenzeit als Burschenschaftler fühlte er sich in seinen Ämtern zeitlebens weitgehendst verbunden und riskierte die Ausgrenzung und Verfolgung als Demagoge und Hochverräter. Ein Streben im Sinne seiner Ideale, zum Wohle der Bürger, war ihm immer wichtiger, als die private Amtskarriere.

Unbekannt ist leider, welchen Einfluss die Erziehung im Elternhaus auf ihn hatte. Teuchert wurde als Sohn eines Pächters in Ottendorf, etwa 10 km südwestlich von Bunzlau geboren. In ländlicher Umgebung verlebte er hier seine ersten Jugendjahre. Nach Schulbesuch und Reifeprüfung am Gymnasium in Glogau diente er von 1924 bis 1925 als Einjährig-Freiwilliger in einer Jägerabteilung in Crossen (Oder). In Preußen hatten bürgerliche Wehrpflichtige mit Abschluss der „Obersecundareife“, gemäß den Scharnhorst’schen Militärreformen jetzt diese Möglichkeit und konnten nach dem Abschluss eines anschließenden Studiums zum Offizier der Reserve befördert werden. Dieser Rang war früher nur den Söhnen aus dem Adel vorbehalten.

Eine begonnene Ausbildung für eine höhere Laufbahn im Forstwesen gab er nach kurzer Zeit wieder auf und widmete sich ab 1826 dem Studium der Rechtswissenschaften in Halle, Jena und Breslau.

Für ihn war besonders die Breslauer Zeit prägend. Hier kam er auch mit der seit 1819 verbotenen und im Geheimen existierenden Burschenschaftsbewegung in Kontakt und begeisterte sich vorrangig für die Richtung mit demokratischen, liberalen Zielen. Er gehörte maßgeblich zu den Studenten, die im Dezember 1828 die Organisation der alten „Breslauer Burschenschaft“ im Untergrund wiederbelebten und die sich auch später, ab 1830 heimlich beim Breslauer Gastwirt Raczek trafen. (Viel später war dies namensgebend für die bekannte „Alte Breslauer Burschenschaft der Raczeks“.)

Die Mitgliedschaft in einer Verbindung wurde als Lebensbund verstanden und somit auch nach dem Studium, in der Vormärzzeit, vom Preußischen Staat als Hochverrat weiter hart verfolgt. Man sah im Ruf nach bürgerlichen Freiheiten, allgemeiner Gerechtigkeit und nationaler Einheit eine Bedrohung für die Macht der Monarchie. Der gesamte Adel haderte mit den bürgerlich-demokratischen Errungenschaften als Ergebnis der Freiheitskriege und strebte die Herstellung seiner alten, privilegierten Positionen in allen Bereichen des Staates an.

Nach dem Studium 1830 war er zuerst als Auskultator und später, als Referendar am Gericht in Sprottau und am Oberlandesgericht in Glogau bis 1834 eingesetzt. In dieser Zeit erfolgte auch seine Ernennung zum Offizier der Ersatzreserve. Seine demokratische Überzeugung schloss damals die weitere Verwendung an Gerichten aus und so blieb ihm nur die Möglichkeit einer beruflichen Entwicklung als Verwaltungsjurist.

Im Jahre 1834 wurde er Bürgermeister in den niederschlesischen Kleinstädten Polkwitz (Anm.: 1937 in Heerwegen umbenannt.) und 1835 in Lüben. Ein anhängiges Kriminalverfahren am preußischen Kammergericht wegen Mitgliedschaft in der Burschenschaftsbewegung blieb letztlich ohne Anklage. Eventuell musste auch er, wie viele andere Burschenschaftler, dafür ausdrücklich um Gnade bitten. Seine Einberufung als Offizier im Rahmen der Mobilmachung wegen dem polnischen Novemberaufstand 1830/1831 könnte aber auch eine Rolle gespielt haben.

Im Jahre 1837 wurde er Bürgermeister in Bunzlau und übte dieses Amt 10 Jahre, bis 1847 aus. In dieser Zeit wurde er auch in das Direktorium der Niederschlesischen Eisenbahngesellschaft gewählt – heute vielleicht ein Indiz für erfolgreiche Tätigkeit als Stadtoberhaupt.

Anschließend wechselte er in die Stadtverwaltung von Glogau als Polizeirat. Schon in allen bisherigen Ämtern fiel er immer wieder durch eine ungewöhnliche, um Gerechtigkeit bemühte Amtsführung auf. In Glogau geriet er während der Revolutionszeiten 1848 /49 jetzt in einen offenen Konflikt mit dem adligen Ersten Bürgermeister wegen unterstellter Sympathien für die bürgerlich-demokratischen Aufrührer. Die erneute Einberufung, im Rahmen einer Mobilmachung von 1848 bis 1850, als Befehlshaber einer Landwehrkompanie, erscheint deshalb folgerichtig und könnte das Ergebnis einer Intrige gewesen sein. Vielleicht wurde befürchtet, dass er als bürgerlicher Polizeirat nicht konsequent genug durchgriff und zog ihn so aus dem aktuellen, lokalen Geschehen.

In den Jahren 1851, 1854 und 1855 musste er sich dann disziplinarisch verantworten und wurde wegen Insubordination bei Amtsausübung mit Ordnungsstrafen belegt. Ob deshalb die Versetzung im Jahre 1854 in die oberschlesische Stadt Gleiwitz erfolgte, ist unbekannt.

Die einstige Tuchmacherstadt Gleiwitz war zu diesem Zeitpunkt noch eine rückständige Kommune, deren Aufschwung sich aber durch Bergbau und Hüttenindustrie und weitere Industrieansiedlung bereits deutlich abzeichnete. Schon im Jahre 1846 begann der Bau einer Eisenbahnverbindung von Zabrze über Gleiwitz nach Breslau und die Bedingungen in der Stadt mussten dringend dem zu erwartenden Wachstum angepasst werden. Mit Teuchert begann eine neue Ära. Als Erster Bürgermeister leitete er hier jetzt schrittweise die moderne Stadtentwicklung ein. Gleich nach der Amtsübernahme wurde eine neue Marktordnung eingeführt. Die letzten Reste der Stadtbefestigung wurden beseitigt, Brücken instand gesetzt und modernisiert und das Straßennetz weiter befestigt. Der Erwerb von Grundstücken durch die Stadt und damit verbundene Entschädigungen an private Eigner, sowie Grundstücksverkauf und Zusammenarbeit mit Investoren wurden jetzt so geregelt, dass eine wirtschaftliche Planung möglich wurde. Vorausschauend wurden künftige Eingemeindungen von Nachbarorten mit in Betracht gezogen. Jetzt konnte auch ein erster, verbindlicher Bebauungsplan entstehen.

Sein Wirken fand aber keineswegs sofort den Beifall vom gesamten Magistrat und die Anerkennung durch die königliche Regierung. Trotz aller Erfolge auf kommunalen Gebieten, begegnete man ihm teilweise weiter mit Misstrauen, so dass sogar seine Wiederwahl als Bürgermeister fast gescheitert wäre. Ursache dafür waren die politische Unterstützung der Deutschen Fortschrittspartei und sein Stimmverhalten im preußischen Abgeordnetenhaus, dem Teuchert in der Wahlperiode von 1860 bis 1863 angehörte. Die Fortschrittspartei war dort seit 1861 die erste deutsche Programmpartei und verstand sich selbst als eine lockere Vereinigung von Gleichgesinnten im Parlament. Eine Parteistruktur im heutigen Sinne entstand erst später und gab es damals noch nicht. Das Abgeordneten-haus war die 2. Kammer im Landtag und wurde nach dem Dreiklassenwahlrecht, indirekt durch Wahlmänner gewählt. Die oppositionelle Fortschrittspartei bildete in dieser Zeit dort die stärkste Fraktion, strebte demokratisch-liberale Ziele an und erhob außerdem einen Anspruch als gesamtdeutsche Partei. Zur Monarchie stand sie aus diesen Gründen in Opposition und ihre Vertreter waren beim Adel und den Regierenden entsprechend verhasst. Als Bürgermeister an der Spitze der Stadtverwaltung musste sich Teuchert im Jahre 1866 wieder zur Wahl im Magistrat stellen. Sein Verhalten im preußischen Abgeordnetenhaus wurde jedoch nicht von allen Magistratsmitgliedern gebilligt. Vermutlich hat Teuchert wegen diesem Konflikt nicht für eine weitere Wahlperiode im Landtag kandidiert und der Wiederwahl als Erster Bürgermeister in Gleiwitz stand somit nichts mehr im Wege. So konnte er seine erfolgreiche Arbeit fortsetzen.

Zahlreiche realisierte oder bereits konkret geplante Baumaßnahmen dienten zur Anpassung der Stadt an die schnelle Entwicklung der Einwohnerzahl. Beispiele sind die Erweiterung aller Elementarschulen, Bau der evangelische Kirche und der Synagoge und vom städtischen Krankenhaus. Außerhalb der städtischen Bebauung wurde ein neuer Friedhof angelegt. Für das begüterte Bürgertum entstanden ganze Stadtquartiere mit repräsentativen Bauten. Ein Beispiel dafür ist die Entwicklung im Südwesten der Stadt. Hier wurden neben Wohngebieten auch Verwaltungsbauten, ein königliches Kreisgericht und die neue Ulanenkaserne in Angriff genommen. Die Industrialisierung verlangte nach gut ausgebildeten Fachkräften und Teuchert veranlasste 1861 im Magistrat die Einrichtung der Handwerkerfortbildungsschule, aus der dann 1868 die Provinzial-Gewerbeschule hervorging. Diese Einrichtung war zunächst provisorisch untergebracht, aber bereits 1869 wurde der Grundstein für einen Neubau gelegt (spätere Oberrealschule). Für eine modernisierte Verwaltung wurde auch die Stelle eines Stadtbaumeisters vorgesehen, die jedoch erst 1874 realisiert werden konnte.

Man kam nicht mehr umhin seine Amtsführung auch offiziell anzuerkennen und mit der zweithöchsten preußischen Auszeichnung, dem Roten Adler-Orden, Klasse IV zu ehren. Dieser Orden sollte im Amt eigentlich immer sichtbar angelegt bleiben. (Heute könnte man ev. zum Schluss kommen, dass man den alten Demokraten so auch zwingen wollte, seine Königstreue stets sichtbar zur Schau zu stellen.) Im Südwesten der Stadt Gleiwitz wurde 1876, noch zu Lebzeiten von Teuchert, die ehemalige Neue-Welt-Straße in Teuchert Straße umbenannt, da sich hier sein Wirken besonders eindrucksvoll widerspiegelte. Kurz vor dem Abschied aus dem Amt wurde Teuchert 1874 nochmals mit dem Roten Adler-Orden, Klasse III geehrt.

In der Zeit des Deutsch-Französischen Krieges und der Reichsgründung von 1870 bis 1871 war Teuchert von Krankheiten geplagt, so dass er die Amtsgeschäfte ruhen lassen musste. Er nahm aber freiwillig den Dienst nochmal bis Januar 1875 auf und verstarb am 13. März 1883. Auf dem alten Friedhof in Gleiwitz, in der Coselner Str. fand er seine letzte Ruhestätte.

Die Nachfolger im Amt, Alfred Kreidel (1875-1899) und Hermann Mentzel (1899-1912) führten die Geschäfte in seinem Sinne weiter und Gleiwitz entwickelte sich im rasanten Tempo zu einer modernen Industrie- und Großstadt. Heute, im polnischen Gliwice, sind aber an vielen Stellen noch immer die prägenden Spuren seiner Amtsführung sichtbar.

Abbildung: Oberschlesien im Bild, Nr. 44, 29. Oktober 1926

Lit.: Drei verstorbene Stadtoberhäupter von Gleiwitz. Oberschlesien im Bild, Nr.44, 29. Oktober 1926, 8 S., S.5. – 60 Jahre Oberrealschule von Gleiwitz. Oberschlesien im Bild, Nr.18, 03. Mai 1929, 8S., S.1-2. – J. Rusinowska-Trojca: Städtebau und Wohnarchitektur des 19. Jahrhunderts in Gleiwitz (Gliwice), Inaugural-Dissertation, Rheinische Friedrich-Wilhelm-Universität Bonn, 2005, 223 S. – Helge Dvorak: Biographisches Lexikon der Deutschen Burschenschaft, Band I Politiker, Teil 6: T–Z, Heidelberg 2005, S.16–1. – J. Kloosterhuis: Quellen zur Universitäts,-Studenten- und Korporationsgeschichte im Geheimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, 182 S. – W . Schmidt: Lebensschicksale. Verfolgte schlesische Burschenschaftler des frühen 19. Jahrhunderts. Würzburger medizinhistorische Mitteilungen, Nr.22, 2003, S.449–521

Weblink: https://de.wikipedia.org/wiki/Eduard_Teuchert (= vom Verfasser initiierter Eintrag)

Helmut Steinhoff