Biographie

Thieme, Hans

Herkunft: Schlesien (Ober- u. Niederschlesien)
Beruf: Rechtshistoriker
* 10. August 1906 in Naunhof bei Leipzig
† 3. Oktober 2000 in Freiburg/Breisgau

Sohn des aus der Lausitz stammenden Leipziger Universitätsprofessors der Theologie Karl Thieme und einer Baseler Fabrikantentochter, studierte Th. Rechtswissenschaft in Basel – wo schont Gymnasiast für ein Jahr heimisch geworden war –, München, Berlin und Leipzig. Hier promovierte er 1929 mit einer völkerrechtlichen Arbeit über die Fortbildung der Internationalen Schiedsgerichtsbarkeit seit dem Ersten Weltkrieg. Gefördert von dem Freiburger Emeritus Franz Beyerle, folgte 1931 in Frankfurt/Main die Habilitation mit einer Arbeit über das späte Naturrecht und die preußische Kodifikation von 1794. 1934 erhielt er vom Reichswissenschaftsministerium den Auftrag, an der Universität Breslau,wo Eugen Rosenstock-Huessy entlassen worden war, die Professur für deutsche Rechtsgeschichte, bürgerliches und Handelsrecht wahrzunehmen. Damit begann eine fast fünfjährige fruchtbare Lehrtätigkeit, der allein 22 Doktorarbeiten entstammen. In diese Zeit bald mit dem Wohnsitz auf der Domäne Gr. Nädlitz (Nädlingen) fällt die Vermählung mit der Stettinerin Ursel Rauch. Die Trauung fand durch den Pfarrer der Bekennenden Kirche Gottfried Winkelmann 1937 in Rosenbach (Eulengebirge) statt. Mehrfach zu Wehrübungen seit Sommer 1936 eingezogen, erhielt Th. Ende August 1939 die Einberufung zur schlesischen Landwehr und machte den Krieg im Osten mit, unterbrochen für zwei Jahre, als er 1940 einen Ruf an die Universität Leipzig erhielt. Nach dem Krieg nahm er seine Lehrtätigkeit in Göttingen auf, von wo er 1953 als Nachfolger seines Lehrers Beyerle an die Universität Freiburg/Br. berufen wurde. Ihr hat er bis zu seiner Emeritierung im Jahre 1974 erfolgreich in Forschung und Lehre gedient, nicht zuletzt als Rektor im Studienjahr 1960/61. In dieser Zeit hat er 67 Doktorarbeiten betreut; seine zunehmende internationale Anerkennung belegen die Verleihungen der Ehrendoktorwürde durch die Universitäten Granada, Montpellier, Basel und Paris; jahrelang hat er die führende Fachzeitschrift der Savignystiftung für Rechtsgeschichte in ihrer germanistischen Abteilung herausgegeben und die Betreuung des Freiburger Ostdeutschen Akademischen Arbeitskreises (Kopernikus-Kreis) ausgeübt. Sein umfassendes wissenschaftliches Opus – solide Rezensionsleistungen eingeschlossen – gilt seit früher Zeit zwei Schwerpunktsregionen: Schlesien, dessen Rechtsgelehrten er biographisch-editorisch immer wieder gern nachgegangen ist (Heinrich von Loesch 1953 f. und 1964, Paul Rehme 1942, Carl Gottlieb Svarez 1965-67, Hermann Conrad 1975, Ernst Cohn 1974 und 1976, Ernst Theodor Gaupp 1978, Eberhard Schmidt 1979), und dem deutschen Südwesten mit der benachbarten, schon familiär ihm mehrfach verbundenen Schweiz, also zwei Brückenlandschaften, welche den – in diesem Lebensgang immer wieder gern aufgegriffenen – Ausblick in die Nachbarbereiche der Deutschen mit unserer Einbettung in Mehrvölkerschicksale verpflichtend auferlegen. Freunde, Kollegen und Schüler schätzen in Th. bis hin in das ferne Japan den feinsinnigen, einfühlsamen Menschen, den aufgeschlossenen Wissenschaftler von universaler Blickweite, den Rechtshistoriker, dem – nach einer überzeugenden Selbstaussage – die Auseinandersetzung mit der Geschichte, der längst vergangenen und der Zeitgeschichte, ein Stück seines Berufes geworden und geblieben ist.

Werke: Jörg Winter, Bibliographie Hans Thieme, in: Rechtshistorische Studien. Hans Thieme zum 70. Geburtstag, Köln/Wien 1977, S. 161-194.

Lit.: (autobiographisch) Hans Thieme: Letzte Vorkriegsjahre an der Breslauer Universität, in: Herbert Hupka, Meine schlesischen Jahre, München 1964, S. 199-210. – Ferner Eberhard Günter Schulz: Geschichte und Recht. Prof. Hans Thieme 70 Jahre, in: Schlesien 21. 1976, S. 246f. – Adolf Laufs: Hans Thieme zum 70. Geburtstag, in: Deutsche Juristenzeitung 14. 1976, S. 453.