Biographie

Tiburtius, Joachim

Herkunft: Schlesien (Ober- u. Niederschlesien)
Beruf: Politiker
* 11. August 1889 in Liegnitz/Schlesien
† 27. Mai 1965 in Berlin

Der Westberliner Hochschullehrer und Kulturpolitiker Joachim Tiburtius (1889-1967) gehörte zu den zahlreichen Schlesiern, die seit dem 18. Jahrhundert, als Schlesien preußisch geworden war, in die Reichshauptstadt Berlin eingewandert sind. Geboren wurde er als Sohn des Geheimen Landesbaurates Friedrich Tiburtius, dessen Vorfahren Gutsbesitzer und Pfarrer auf der pommerschen Insel Rügen waren, in Liegnitz an der Katzbach, der Hauptstadt des gleichnamigen Regierungsbezirks in Niederschlesien.

Joachim Tiburtius legte 1907 am Humanistischen Gymnasium in Danzig, der Hauptstadt Westpreußens, das Abitur ab und studierte Rechts- und Staatswissenschaften, Philosophie und Geschichte in Lausanne, Berlin, Breslau und Königsberg. Nach dem Wehrdienst 1911/12, nach welchem er zum Leutnant der Reserve befördert wurde, studierte er an der Friedrich-Wil­helms-Universität in Berlin Volkswirtschaftslehre, Geschichte und Philosophie und wurde 1914 promoviert. Von 1918 bis 1925 arbeitete er im Reichsarbeitsministerium, dann bis 1933 im Einzelhandel, während des „Dritten Reichs“ gehörte er dem „Bruderrat“ der „Bekennenden Kirche“ an. Obwohl er 1940 in Köln habilitiert wurde, blieb ihm die Ernennung zum Professor wegen seiner kirchlichen Bindung versagt. Im Kriegsjahr 1942 wurde er als Oberleutnant eingezogen und war später als Hauptmann bis zum Kriegsende 1945 Sachverständiger im Wehrmachtskraftwesen. Zugleich lehrte er aber auch 1942 Betriebswirtschaftslehre an der Handelshochschule in Leipzig, 1943 wurde er Honorarprofessor an der Handelshochschule Berlin.

Nach dem Krieg bekam Joachim Tiburtius eine Professur für Betriebswirtschaftslehre an der Universität Leipzig, bis er 1948 auf den Lehrstuhl für Volkswirtschaftslehre der Freien Universität in Westberlin berufen wurde. Drei Jahre später wurde er zum Senator für Volksbildung in Westberlin ernannt, ein Amt, das er bis 1966 innehatte. Unter seiner Amtsführung wurden das Berliner Schillertheater wiedereröffnet (1993 geschlossen), die Akademie der Künste gegründet, die Amerika-Gedenkbib­liothek gebaut und die Deutsche Hochschule für Politik in die Freie Universität eingegliedert. Er verankerte die Berliner Festwochen im Westberliner Kulturbetrieb und sorgte dafür, dass Herbert von Karajan auf Lebenszeit zum Chefdirigenten der Berliner Philharmoniker ernannt wurde. Das alles wurde bewältigt in der schwierigen Zeit des Kalten Krieges, der im Mauerbau von 1961 gipfelte.

Der Schlesier Joachim Tiburtius wurde für seine kulturpolitischen Leistungen 1959 mit dem Großen Bundesverdienstkreuz mit Stern und Schulterband der Bundesrepublik Deutschland ausgezeichnet und 1962 mit dem Großen Goldenen Ehrenzeichen mit Stern der Republik Österreich. Der nach ihm benannte Tiburtius-Preis wird für hervorragende Diplomarbeiten und Dissertationen an Berliner Hochschulen verliehen. Sein Ehrengrab liegt auf dem Alten Friedhof in Berlin-Lichterfelde.

Bild: Cover Der Spiegel 29/ 1956.

Jörg Bernhard Bilke