Biographie

Tilden, Jane

Herkunft: Sudeten (Böhmen u. Mähren, österr. Schlesien)
Beruf: Schauspielerin
* 16. November 1910 in Aussig
† 27. August 2002 in St. Johann/ Tirol

Im Laufe ihres langen Lebens hat sich Jane Tilden mit zahlreichen Film- und Theaterrollen in die Herzen der Zuschauer gespielt. Dabei konnte sie nicht nur ihr komisches Talent beweisen, sondern auch etwas skurrile und hintergründige Damen verkörpern.

Mit dieser Schauspielerkarriere ging ein Lebenstraum in Erfüllung. Unter dem Namen Marianne Wilhelmine Tuch wurde sie am 16. November 1910 im nordböhmischen Aussig an der Elbe (heute in Tschechien) geboren, das damals noch zur Habsburgermonarchie gehörte. Das Mädchen wuchs zusammen mit dem drei Jahre jüngeren Bruder Walter auf, bevor die Geburt von Schwester Elisabeth 1920 die Familie komplett machte.

Mariannes Interesse an Kunst und Kultur wurde bereits im Elternhaus geprägt. Vater Karl hatte Musik studiert und wollte ursprünglich Kapellmeister werden. Doch der Erste Weltkrieg machte diese Pläne zunichte und er entschloss sich, ein Unternehmen für Kunst und Musikalien zu gründen. Mutter Maria führte derweil als Modistin ein Hutgeschäft.

Es war der besondere Wunsch der Eltern, dass ihre Kinder eine gute Ausbildung erhalten sollten und das Gymnasium besuchten. Doch Marianne hatte ihren eigenen Kopf. Sie interessierte sie sich schon früh für das Theater und wollte unbedingt Schauspielerin werden. Deshalb meldete sie sich zum Entsetzen der Eltern eigenmächtig von der Schule ab. Doch die Strafe folgte auf dem Fuße und in den nächsten zwei Jahren musste sie eine strenge Klosterschule in Karlsbad besuchen.

Aber Marianne hielt an ihren Plänen fest und absolvierte nach ihrem Abschluss ein Gesangs- und Tanzstudium. Offenbar auf Wunsch der Eltern ging sie anschließend zwar nach England, um einen Handelskurs zu belegen, doch letztlich entschied sie sich für die Bühne.

Mit erst achtzehn Jahren gab sie 1928 ihr Debüt in Aussig, wo sie an der Seite von Paula Wessely eine kleine Rolle in dem Theaterstück ‚Coeur Bube‘ übernahm. Damals beschloss sie, einen Künstlernamen anzunehmen. Als große Bewunderin des berühmten englischen Tennisspielers William ‚Big Bill‘ Tilden nannte sie sich künftig ‚Jane Tilden‘ und machte unter diesem Namen Karriere.

Nach ihrem Debüt folgten weitere Engagements an verschiedenen Provinztheatern, bevor sie 1934 zum Wiener Volkstheater kam. Inzwischen aber war der große österreichische Regisseur Max Reinhardt, der wichtige Impulse zur Erneuerung des Bühnenschauspiels setzte, auf die junge Darstellerin aufmerksam geworden. Er holte sie noch im gleichen Jahr ans ‚Theater in der Josefstadt‘, dessen Ensemble sie bis 1944 angehörte. Zu diesem Zeitpunkt war Max Reinhardt, der aufgrund seiner jüdischen Wurzeln in Deutschland keine Zukunft hatte, längst in die USA ausgewandert.

Mitte der 1930er Jahre kam Jane Tilden auch zum Film und gab 1936 ihr Leinwanddebüt. An der Seite von Johannes Heesters verkörperte sie in dem Streifen ‚Leuchter des Kaisers‘ ein Stubenmädchen. Das war nur eine winzige Rolle, doch es ging weiter aufwärts, auch wenn Jane Tilden niemals in einer Hauptrolle zu sehen war. Zusammen mit Attila Hörbiger und Paula Wessely stand sie 1938 für das Melodram ‚Spiegel des Lebens‘ vor der Kamera, in dem sie auch ihr Gesangstalent unter Beweis stellen konnte.

Mitunter ist zu lesen, dass Jane Tilden 1944 auf der sogenannten „Gottbegnadetenliste“ des Propagandaministers Josef Goebbels gestanden haben soll. Dabei handelt es sich um eine Aufzählung zahlreicher Künstler, die dem Vernehmen nach wichtig für das NS-Regime waren und unter besonderem Schutz standen. Tatsächlich taucht Jane Tilden auf dieser Liste, die im Bundesarchiv Berlin aufbewahrt wird, überhaupt nicht auf, lediglich ihr zweiter Ehemann, der Komponist Alexander Steinbrecher. Möglicherweise wurde etwas verwechselt: Der aus dem Hebräischen stammende Namen „Jane“ bedeutet soviel wie Gottesgeschenk oder „die Gottbegnadete“.

Insgesamt war Jane Tilden dreimal verheiratet. Ihre erste Ehe schloss sie 1935 mit dem österreichischen Schauspieler Ernst Fey, der seit diesem Jahr ebenfalls zum Ensemble des Theaters in der Josefstadt gehörte. Nach nur vier Jahren erfolgte die Scheidung, möglicherweise wegen Feys starker Affinität zum NS-Regime. Nach Angaben des Schauspielers Otto Schenk soll ihn Jane Tilden noch während des ‚Dritten Reichs‘ als „nazivertrottelt“ beschimpft haben.

1939 heiratete sie den Komponisten Alexander Steinbrecher (1910-1982), mit dem sie kurze Zeit später Tochter Franziska bekam, die später ebenfalls Schauspielerin wurde. Nachdem auch diese Beziehung zerbrochen war, ging Jane Tilden mit dem englischen Exportkaufmann Sidney Jack Blackburne 1946 eine dritte Ehe ein, aus der ein Jahr später Tochter Jane Antoinette hervorging. Blackburne starb bereits 1955. Jetzt zeigte sich, dass Jane Tilden durchaus auch geschäftliches Talent besaß, schließlich hatte sie seinerzeit in London erfolgreich einen Handelskurs absolviert. Für den britischen Luftfahrthersteller Westland Aircraft hatte ihr Mann beruflich Hubschrauber nach Österreich importiert. Nach seinem Tod führte Jane Tilden die Geschäfte noch eine Zeitlang fort.

Nach Ende des Zweiten Weltkriegs stand Jane Tilden schon bald wieder auf der Bühne und war zwischen 1957 und 1978 Mitglied des renommierten Wiener Burgtheaters. Daneben spielte sie aber auch in anderen großen Häusern und ging im In- und Ausland auf Tournee.

Auch im deutschen Nachkriegsfilm konnte sich die Schauspielerin behaupten. 1953 war sie als Fräulein Andacht in der Erich-Kästner-Verfilmung ‚Pünktchen und Anton‘ zu sehen, 1956 als ‚Gräfin Reichenbach‘ im ‚Kaiserball‘ oder 1960 zusammen mit Heinz Rühmann in ‚Der brave Soldat Schwejk‘. Ihre vielleicht populärste Rolle jedoch war die der Witwe Valerie an der Seite von Hans Moser in ‚Geschichten aus dem Wienerwald‘ 1961.

Enorme Bekanntheit erlangte Jane Tilden 1965 als Anna Bucher in der Serie ‚Der Forellenhof‘, wo sie die Ehefrau des Hoteldirektors (Heinz Söhnker) verkörperte. Gastauftritte in beliebten Krimiserien wie ‚Der Kommissar‘, ‚Derrick‘ oder ‚Tatort‘ gehörten ebenso zu ihrem Repertoire wie Rollen in publikumsträchtigen Quotenrennern wie ‚Der Landarzt‘. Zwischen 1985 und 1994 begeisterte Jane Tilden als ‚Frau Werbelhoff‘ in der ZDF-Serie ‚Diese Drombuschs‘, wo sie die Freundin von ‚Oma Drombusch‘ spielte.

Bis ins hohe Alter stand Jane Tilden vor der Kamera, zuletzt im Jahr 2000 in der Komödie ‚Nicht mit uns‘. Anlässlich ihres 90. Geburtstags wurde sie im November des Jahres für ihre schauspielerischen Leistungen mit dem österreichischen ‚Ehrenkreuz für Wissenschaft und Bildung 1. Klasse‘ ausgezeichnet. Als Begründung hieß es, Jane Tilden vereine „in einer unverwechselbaren und außerordentlich persönlichen Diktion die Kraft tragischer Möglichkeiten in weitem Bogen mit der bezwingenden Komödiantik einer urwienerischen Volksschaupielerin“.

Doch allmählich ließen ihre Kräfte nach. Am 27. August 2002 starb Jane Tilden in einem Pflegeheim in St. Johann in Tirol und wurde im Grab der Familie Tuch auf dem Friedhof Kitzbühel beigesetzt.

Als postume Ehrung hat die Stadt Wien 2006 die ‚Jane-Tilden-Gasse‘ im Stadtteil Florisdorf nach der bedeutenden Film- und Theaterschauspielerin ernannt.

Lit.: Kay Weniger, Das große Personenlexikon des Films, Berlin 2001.

Bild: Kulturstiftung

Karin Feuerstein-Praßer