Biographie

Titz, Johann Peter

Herkunft: Danzig, Schlesien (Ober- u. Niederschlesien)
Beruf: Dichter und Gymnasiallehrer in Danzig
* 10. Januar 1619 in Liegnitz
† 7. September 1689 in Danzig

Titz stammte aus einer alteingesessenen Familie, deren Mitglieder seit dem 16. Jahrhundert verschiedene höhere Ämter im Schulwesen und in städtischen wie fürstenstaatlichen Diensten im Herzogtum (Liegnitz-)Brieg bekleidet hatten. Er wurde zuhause und in der städtischen Lateinschule unterrichtet. Nach dem Tod des Vaters (1627) und wohl noch vor dem Tod der Mutter (1634) wechselte er auf das Elisabeth-Gymnasium in Breslau, damals eine der besten höheren Schulen Schlesiens. Pestgefahr und vor allem die Bedrohungen des Dreißigjährigen Krieges veranlassten 1636 einen erneuten Schul- und Ortswechsel an das Akademische Gymnasium in Danzig. 1639 wollte Titz zum Studium in die Niederlande gehen, kam wegen des Krieges aber nur bis Rostock und immatrikulierte sich im Oktober an der dortigen Universität. Er wandte sich der Rechtswissenschaft zu, später der Philologie, erwarb aber keinen Abschluss. Die an Herzog Georg Rudolf von Liegnitz (und Wohlau) gerichtete Wid­mungsvorrede zu seiner Poetik unterzeichnet Titz bereits wieder mit „Danzig, 24. November 1642“. Er hatte sich schon in seiner ersten Danziger Zeit wie in Rostock mehrfach als Dichter – in lateinischer wie in deutscher Sprache – hervorgetan, und er scheint in den nächsten Jahren ohne festes Amt vor allem auf eine Dichterexistenz gesetzt zu haben. 1644 reiste er anlässlich des 100-jährigen Jubiläums der Albertina nach Königsberg, wo er Kontakte knüpfte zu den Poeten um Simon Dach und Heinrich Albert. 1645 besuchte er seine schlesische Heimat und begleitete im September des Jahres seinen Danziger Förderer, den Pastor an St. Katharinen und vormaligen Professor eloquentiae am dortigen Gymnasium Johannes Mochinger, zum Thorner Religionsgespräch. In diesen und den folgenden Jahren scheint er sich, zumindest zeitweilig, als Hauslehrer verdingt zu haben.

Erst im Juli 1648 erhielt Titz ein festes Amt, als er das Konrektorat der Danziger Marienschule übernahm. Im 1651 wechselte er als Professor der klassischen Philologie an das Danziger Gymnasium, ließ sich aber schon nach wenigen Monaten beurlauben, um die einst gescheiterte Reise in die Niederlande zu absolvieren. Auf dieser nachgeholten peregrinatio academica, damals fester Bestandteil der Ausbildung junger Gelehrter, besuchte er zunächst Kopenhagen, hielt sich längere Zeit in Leiden und anderen holländischen Universitätsstädten auf, bevor er über Hamburg und Rostock zurückreiste. Wie auf solchen Reisen üblich, traf er sich an allen Orten mit den lokalen Größen des gelehrten und literarischen Lebens. Bald nach seiner Rückkehr nach Danzig übernahm Titz 1653 zusätzlich die Professur des verstorbenen Mochinger. 1656 kam noch die Professur für Poesie hinzu. Durch diese ungewöhnliche Kumulation von drei Professuren oblagen Titz die textlichen Ausgestaltungen aller öffentlichen Veranstaltungen des Gymnasiums, die Einladungen zu den rhetorischen und poetischen Übungen, die feierlichen Reden zu akademischen Anlässen wie Todesfällen, öffentlichen Disputationen oder anderen Festakten, wobei ihm als Professor poeseos auch die entsprechenden Verse, wo sie gewünscht waren, aufgetragen waren.

Die vielen poetisch-rhetorischen Verpflichtungen von Amts wegen veränderten die dichterische wie ‚wissenschaftliche‘ Produktion von Titz insofern, als er sich fortan v.a. in der lateinischen Sprache, der akademischen Umgangssprache, artikulierte. Seit 1652 entstanden nur noch wenige deutschsprachige Gedichte, nach 1675 gar keines mehr. Titz hatte seit seiner Danzi­ger Schulzeit und der anschließenden Reise als zweisprachiger Poet agiert. In deutscher Sprache bewies er sich als ein begabter Anhänger der neuen deutschen Kunstdichtung, die Martin Opitz, der 1636-1639 in Danzig lebte und neben dem Titz bei verschiedenen Gelegenheiten mit Gedichten antrat, auf den Weg gebrachte hatte. 1642 veröffentlichte Titz Zwey Bücher Von der Kunst Hochdeutsche Verse und Lieder zu machen, eine ganz an Opitz orientierte Poetik, die freilich nicht weit über Danzig hinauswirkte, allerdings im benachbarten Königsberg, wo ein entsprechendes Lehrbuch erst viel später entstand, sehr genau wahrgenommen wurde. In seiner „Vorrede An den Deutschliebenden Leser“ zu Gottfried von Peschwitz‘ Jüngst-Erbauter Hoch-Teutscher Parnaß (Jena 1663) hielt Titz nicht nur ein engagiertes Plädoyer für eine regelstrenge deutsche Poesie, für die neben Opitz vor allem Fleming ein Muster böte, sondern er betonte auch die Notwendigkeit von Hilfsmitteln, die der Jugend beim Erlernen des Dichtens in der Muttersprache von Nutzen seien. Ein in diesem Zusammenhang von ihm angekündigter „Wegweiser zur Hochdeutschen Vers-Kunst, sampt meiner Reim-Taffel“ ist jedoch nie erschienen.

Titz sind durchaus einige sehr beachtenswerte Gedichte in deutscher Sprache gelungen, die sich von der Masse der damaligen Kasualpoesie absetzen, z.B. sein langes Alexandriner-Epos Lucretia/ sampt beygefügter Hisorischer Erklärung der dunckeln Örter/ wie auch etlichen zum gemeinen Leben dienlichen Erinnerungen (o.J.) oder das Gedicht „Auff dem Haff“, in dem er 1644 über die Aufführung von Dachs Schauspiel Sorbuisa reflektiert. Aus seinen deutschsprachigen Gelegenheitsdichtungen stellte Titz lediglich zwei kleinere Ausgaben zusammen, Zehen geistliche Lieder (o.J.) und anlässlich seiner zweiten Hochzeit mit Florentina Krappin die Eh-Gedancken (1672). Auch in lateinischer Sprache beteiligte sich Titz häufig zu persönlich Anlässen seiner Adressaten, allerdings machten die von Amts wegen verfassten Schriften einen großen Anteil seiner lateinischen Produktion aus. Dass Titz von seinen personalen Gelegenheitsgedichten in lateinischer Sprache zwischen 1666 und 1687 insgesamt fünf Sammlungen (unter dem jeweils variierten Gesamt­titel Noctium Poeticarum Praemetia [bzw. Manipulus]) edierte, dokumentiert seine Verschiebung der poetischen Gewichtungen infolge seiner enormen Lehraufgaben. Von den mehr als 230 bekannten Einzeldrucken, die Titz veröffentlichte oder die Texte von ihm enthalten, sind mindestens 181 lateinisch, davon entstanden 50 Prozent aus seinen professoralen Ämtern heraus.

Titz hatte Danzig in einer Zeit betreten, als die Stadt auf dem Gipfel ihres wirtschaftlichen und politischen Einflusses im damals zur polnisch-litauischen Adelsrepublik gehörenden ‚Westpreußen‘ stand. Vor 1650 war hier eine späthumanistische Dichtung zur Blüte gelangt, die dem Lateinischen bald das Deutsche gleichberechtigt zur Seite stellte und mit Namen wie Johannes Plavius, Johannes Mochinger, Michael Albinus (Dantiscus) oder Georg Greflinger verbunden war. Andreas Gryphius (1634-1636) und Christian Hoffmann von Hoffmannswaldau (1636-1638) besuchten das Akademische Gymnasium, das unter Titz das institutionelle Zentrum der Vermittlung einer gelehrten deutschsprachigen Dichtung blieb. Als Dichter war Titz die zentrale Gestalt in Danzig in der zweiten Jahrhunderthälfte. Dabei war er über die Stadtgrenzen hinaus gut in der Dichter- und Gelehrtenrepublik vernetzt. Besonders eng waren seine brieflichen und poetischen Kontakte nach Breslau (u.a. Matthias Machner, Christian Hoffmann von Hoffmannswaldau, Matthäus Apelles von Löwenstern) und Königsberg (u.a. Simon Dach, Christoph Kaldenbach, Gertrud Moller), aber auch Andreas Tscherning in Rostock, Friedrich Zamehl in Elbing oder Nikolaes Heinsius gehörten zu seinen vertrauten Kontakten.

Als Titz am 7. September 1689, fast genau ein Jahr nach seiner Versetzung in den Ruhestand, verstarb, beklagten die vielen Trauergedichte einhellig, welchen Verlust sein Tod für das gelehrt-literarische Danzig, aber auch für die Region bedeutete. Von seinen drei Ehen war nur die erste mit Anna Borckmann mit Kindern gesegnet gewesen, von denen zwei Töchter und ein Sohn den Vater ebenso überlebten wie die dritte Ehefrau Aurelia von Strackwitz. Die Hoffnung der Trauernden, die Daniel Morhof in einem Epicedion auf den Sohn Friedrich Daniel Titz münzte, dass die verstreuten Werke des verstorbenen Poeten gesammelt ediert würden, erfüllte sich erst knapp 200 Jahre später und nur für die deutschen Gedichte mit der Ausgabe von Leopold Hermann Fischer.

Lit.: (Ausgaben) Johann Peter Titz‘ Deutsche Gedichte, gesammelt und herausgegeben von L[eopold] H[ermann] Fischer, Halle an der Saale 1888; (in Auswahl) Danziger Barockdichtung, hrsg. von Heinz Kindermann, Leipzig 1939 (Deutsche Literatur, 13). – Poetik des Barock, hrsg. von Marian Szyrocki, Stuttgart 1977 (Universal-Bibliothek, 9854), S. 65-86. – (bibliographische Übersichten) Fischer (wie eben), S. XLIII-LIV. – Gerhard Dünnhaupt, Personalbibliographien zu den Drucken des Barock, Bd. 6, Stuttgart 1993, S. 4029-4021. – (Leichenpredigt) Samuel Schelwig, Christliche Predigt/ Bey Ansehnlichem Leich-Begängnüsse/ Des […] Hn. Johannis Petri Titii, Eloquentiae & Poëseos im Löblichen Athenaeo zu Dantzig/ weitberühmten Professoris Publici […], Danzig (1689). – (Biographische Artikel, sub verbo, u.a. in:) Altpreußische Biographie, Bd. 2, S. 738. – W. Kühlmann (Hrsg.), Killy Literaturlexikon, Bd. 11, S. 549f. (Ferdinand van Ingen). – Georg Ellinger, Einige Bemerkungen zu Johann Peter Titz‘ deutschen Gedichten, in: ZfdPh 21 (1889), S. 309-329. – Walter Raschke, Der Danziger Dichterkreis des 17. Jahrhunderts. Diss. Rostock 1922 (auch als Online-Ausgabe 2012). – Bruno Markwardt, Geschichte der deutschen Poetik, Bd. 1: Barock und Frühaufklärung, Berlin u.a. 1937 (Grundriss der Germanischen Philologie, 13/1), S. 46-48 u.ö (ND 2019). – Bronisław Nadolski, Jan Piotr Titius, profesor wymowy i poezji w Gdańskim Gimnazjum Akademickin, in: Rocznik Gdański 23 (1964), S. 185-204. – Gunter E. Grimm, Literatur und Gelehrtentum in Deutschland. Untersuchungen zum Wandel ihres Verhältnisses vom Humanismus bis zur Frühaufklärung. Tübingen 1982 (= Studien zur deutschen Literatur, 75), S. 156-165 u.ö. – Maria A. Schenkeveld-van der Dussen/ Dorthe Schipperheyn, Johann Peter Titz als Übersetzungstheoretiker und Cats-Übersetzer, in: Niederländische Lyrik und ihre deutsche Rezeption in der Frühen Neuzeit, hrsg. von Lothar Jordan, Wiesbaden 2003 (Wolfenbütteler Forschungen, 99), S. 193-205. – (demnächst:) Literarisches Leben und städtisches Selbstbewusstsein. Dichtung und Kultur in Danzig zu Lebzeiten von Johannes Peter Titz, hrsg. von Axel E. Walter.

Bild: Johann Peter Titius, Stich von Elias Hainzelmann nach Andreas Stech, Wikipedia gemeinfrei.

Axel E. Walter