Biographie

Todleben, Graf Eduard von

Herkunft: Baltikum (Estland, Lettland, Litauen)
Beruf: General
* 20. Mai 1818 in Mitau/Kurland
† 1. Juli 1884 in Bad Soden/Taunus

In Bad Soden im Taunus starb im Alter von 66 Jahren am 19. Juni 1884 der kaiserlich russische Ingenieur-General Graf Eduard von Todleben. Franz Eduard Todleben wurde am 8. Mai 1818 als Sohn des Kaufmanns II. Gilde, Johann Heinrich Todleben, in der alten kurländischen Herzogsstadt Mitau geboren. Sein Vater zog in der Folgezeit nach Riga, wo er die Rechte eines Ehrenbürgers erwarb, die es seinem Sohn ermöglichten, die Offizierslaufbahn einzuschlagen. Nachdem er häuslichen Unterricht erhalten und eine Privatschule in Riga besucht hatte, bezog er im Jahre 1832 die Nikolai-Ingenieurschule in St. Petersburg, die er infolge wiederholter Erkrankungen erst 1838 absolvieren konnte. Er wurde anschließend dem Rigaer Ingenieurkommando, später dem Sappeurbataillon des Grenadierkorps zukommandiert und 1840 auf sein Gesuch hin in das Lehrbataillon der Sappeure in Zarskoje Sselo überführt. Im Jahre 1847 wurde er zum Stabskapitän befördert und bei einem Feldzug im Kaukasus mit einem goldenen Ehrensäbel mit der Aufschrift „Für Tapferkeit“ ausgezeichnet.

Nach Beendigung des Feldzuges war er Adjutant des Chefs des Ingenieurwesens der aktiven Armee, Ingenieur-General Schilder, und wurde im Jahre 1851 in das Sappeurbataillon der Garde versetzt. Als im Jahre 1853 eine Armee zur Besetzung der Donaufürstentümer (Moldau und Walachei) gebildet wurde, nahm Todleben, der dieser Armee zugeteilt worden war, am Angriff auf Silistria teil, wobei er nach dem Tode von Schilder die Leitung der Belagerungsarbeiten übernahm. Am 2. August 1854 erhielt er den Auftrag, auf die Krim, nach Sewastopol, zu gehen, da eine englische und eine französische Flotte mit Landungstruppen an Bord im Schwarzen Meer erschienen war, deren Ziel darin bestand, die Seeherrschaft Rußlands im Schwarzen Meer zu brechen. Zu diesem Zweck sollte die Basis der russischen Flotte auf der Halbinsel Krim, Sewastopol, angegriffen und zerstört werden.

Als Beobachter, ohne fest umrissenen Auftrag, war Todleben nach Sewastopol gekommen. Er wurde zum Leiter der Befestigungsarbeiten, zur Seele der Verteidigung der Stadt. Am 1. September 1854 wurde die verbündete Flotte gesichtet; am folgenden Tage landeten 62.000 Engländer und Franzosen mit 150 Geschützen nördlich Sewastopol, in Eupatoria. Die Russen, 33.000 Mann, unterlagen in einer blutigen Schlacht am 20. September. Sewastopol war unmittelbar gefährdet. Nun erhielt Todleben offiziell die Leitung der gesamten Verteidigungsarbeiten. Sie wurden so erfolgreich durchgeführt, daß sich Sewastopol bis zum 27. August 1855 halten konnte. Die Belagerung der Stadt hat 349 Tage gedauert; die Russen haben 48.000, die Verbündeten 54.000 Mann verloren; 2,5 Millionen Artilleriegeschosse sollen von beiden Seiten verschossen worden sein. Todleben wurde mit Ehrenbezeugungen überhäuft und zum Generaladjutanten ernannt. Von 1859-1862 war er Direktor des Ingenieur-Departements, Leiter der Befestigungsarbeiten in Nikolajew, an der Dnjepr-Mündung und in Kronstadt. Er wurde 1861 Chef des Generalstabs, war 1862-1879 Gehilfe des Generalinspekteurs des Ingenieurwesens, wurde 1869 zum Ingenieur-General befördert. Im Jahre 1878 war er Oberbefehlshaber der aktiven Armee in der Türkei, 1879 General-Gouverneur in Odessa. Er wurde zum Mitglied des Reichsrats ernannt und in den russischen Grafenstand erhoben. Von 1880-1884 war er General-Gouverneur im Nordwestgebiet (Wilna, Kowno, Grodno). Todleben war Ehrenbürger von Riga, Reval und Sewastopol, Ehrenmitglied der Nikolai-Ingenieur-Akademie, der Nikolai-Akademie des Generalstabs, der Universitäten St. Petersburg und Kiew. Sein Werk „Défense de Sewastopol“ (St. Petersburg 1864) ist in Berlin auch in deutscher Sprache erschienen. Er starb nach mehrjährigem Leiden, dessen Heilung er in mehreren Bädern vergeblich gesucht hatte. Seine Beisetzung erfolgte in Sewastopol.

Lit.: Deutsch-Baltisches Biographisches Lexikon 1710-1960. (Köln/Wien 1970) – Oswald Hartge: Baltische Kriegshelden. Lebensbilder aus 3 Jahrhunderten europäischer Geschichte (Reval 1932).